Corona und die Auswirkungen auf die Lunge

Begonnen von derda, November 19, 2021, 16:44:51 NACHMITTAGS

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derda

Guten Tag liebe Fachleute im Forum,

Peter beschrieb in einem Beitrag, wie gestandene Männer nach durchgestandener Coronaerkrankung noch stark beeinträchtigt sind:

Zitatbeeindruckt hat mich beonders der Fall eines ca. 40jähriger Mannes, Arbeiter im Strassenbau, ein braungebranntes tätowiertes Muskelpaket wie aus dem Film. Als ich ihn zu mir rief und er die 15 Meter von der Anmledung zu mir geschafft hatte, stand er keuchend und nach Luft ringend vor mir. Er hatte vor Monaten Corona überstanden, nun bleibt er wohl dauerhaft ein körperliches Wrack.

Was genau geschieht mit der Lunge dieser Patienten und hat vielleicht jemand ein paar histologische Bilder dazu?

Viele Grüße,

Erik

Florian Stellmacher

Lieber Erik,

tatsächlich gibt es eindrucksvolle Auswirkungen einer SARS-Cov-2-Infektion am Lungengewebe, die auch histologisch zu belegen sind. Ich habe als auch konsiliarisch tätiger Pathologe mit Spezialisierung auf nicht-neoplastische/interstitielle Lungenerkrankungen einige Fälle in unterschiedlicher Ausprägung gesehen. In aller Regel handelt es sich aber um Autopsiematerial, also Gewebe von an COVID19 Verstorbenen, das dann teilweise stärkere Leichenveränderungen aufweist.

Tatsächlich ist das eigentliche feingewebliche Schädigungsbild lange bekannt, und es hat im Laufe der Jahrzehnte mehrfach seinen Namen geändert. Aktuell firmiert es unter der Bezeichnung ,,Diffuser Alveolarschaden" (DAD), aber auch ,,Acute (mitunter ,,Adult") Respiratory Distress Syndrome" (ARDS) oder ,,Schocklunge" sind gebräuchlich. Die sog. ,,Akute interstitielle Pneumonie" (AIP), die vormals auch als ,,Hammam-Rich-Syndrom" bezeichnet wurde, ist mikroskopisch identisch, inzwischen aber nur für unerklärte Fälle eines DAD, bei denen also der Auslöser unklar ist, akzeptabel und recht umstritten. Dies zeigt, dass die histologische Diagnose in gewisser Weise mystisch bleibt. Bei der COVID-Pneumonie ist zusätzlich eine Entzündung der Gefäßinnenwände (Endothelialitis) beschrieben worden, die von manchen Autoren als hochspezifisch angesehen wird. Dies klar nachzuvollziehen, ist mir mit dem Mitteln der Lichtmikroskopie aber kaum möglich. Sehr wohl habe ich aber Fälle gesehen, bei denen andere Veränderungen der Gefäßwände ohne sichere Entzündungszeichen vorlagen, die ich selbst tatsächlich für COVID-typisch halte. Ursache eines DADs können Infektionen sein, es gibt aber eine Vielzahl potentieller Auslöser, auch Gifte oder Medikamente. Vor Einführung der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) bei Lungeninsuffizienz hat man den DAD häufiger als gefürchtete Folge einer Überdruckbeatmung gesehen.

Um prinzipiell zu verstehen, was sich in der Lunge der Betroffenen abspielt, können wir den prominentesten Lungenpatienten des Universums, Darth Vader, heranziehen. Diejenigen, die STARWARS gesehen haben, sind hier klar im Vorteil. Hier liegt der Erkrankung ein sog. Inhalationstrauma zugrunde, das der Patient, damals noch Anakin Skywalker, sich auf einem von Lavaströmen durchzogenen noch nicht erkalteten Planeten im Duell gegen Obiwan Kenobi zugezogen hat. Wir wissen, dass er in letzter Sekunde noch gerettet und medizinisch betreut wurde. Die Verletzungen haben ihm dann sein typisches Kostüm eingebracht, zu dem auch der übergroße Wehrmachtshelm gehört, in den ein Beatmungsgerät eingebaut ist. Ohne diesen Respirator könnte Darth Vader nicht leben.

Was geschieht nun Histologisch? Durch die akute Schädigung der Lunge, die bei der COVID-Pneumonie aus letztlich noch nicht geklärten Ursachen bei unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedlich ausfallen kann, kommt es zu einer Flüssigkeitsansammlung, einem Ödem, innerhalb der Alveolarsepten, also dem zwischen den Lungenbläschen gelegenen Gewebe. Die Flüssigkeit gelangt nach ca. einem Tag auch in die Lungenbläschen, wo sie als gut mit Eosin anfärbbare Membranen (sog. hyaline Membranen) mikroskopisch nachweisbar sind. Nach 3 – 4 Tagen sind diese typisch entwickelt. In den Septen kommt es zu einer Aktivierung von Fibroblasten, spindeligen Bindegewebszellen. Entzündungszellen können im Falle einer zugrundeliegenden Infektion vorhanden sein, spielen aber für die Diagnose des DADs keine entscheidende Rolle. Die Alveolarsepten werden durch das Ödem und die Vermehrung von Bindegewebszellen immer breiter, die Lunge zeigt ein wie mit einem viel zu breiten Stift gezeichnete Struktur. Zusätzlich schwellen die Pneumozyten, also die die Lungenbläschen auskleidenden Zellen an. Auf dieses akute Stadium folgt das organisierende Stadium, bei dem Prozesse der Wundheilung im Vordergrund stehen. Hierbei nimmt die Flüssigkeitsansammlung der Septen ab, gleichzeitig wird hier aber reichlich Bindegewebe produziert, durch das die Lungenbläschen z.T. vollständig zusammengedrückt werden. Zusätzlich kommt es zum Einwandern von zopf- oder knospenartig strukturiertem Bindegewebe in den Lungenbläschen. Diese Veränderungen laufen zeitlich an unterschiedlichen Teilen der Lunge aus bislang ungeklärten Gründen unterschiedlich schnell ab, sodass man Veränderungen des akuten und des organisierenden Stadiums gleichzeitig sehen kann. Im Verlauf wird das ortstypische Alveolarepithel z.B. durch Plattenepithel, das seinerseits richtig giftig aussehen kann und mitunter von weniger Erfahrenen schon als krebsverdächtig eingestuft wird, ersetzt. Auch kleine Lungeninfarkte, die narbig abheilen, kommen vor. Am Ende steht eine Vernarbung der Lunge, die neben Abschnitten einer gitterförmigen bindegewebigen Verdickung der Alveolarsepten, die man als Nicht-spezifische interstitielle Pneumonie von fibrosierenden Typ (NSIP, fibr. Typ) bezeichnet, auch flächig vernarbete Abschnitte zeigt.

Durch diese Narbenbildung wird auch die Pathophysiologie erklärt, die zu den klinischen Symptomen führt: Die zerstörend vernarbten Lungenabschnitte fallen funktionell für die Atmung komplett aus. In den gitterförmig fibrosierten Anteilen ist der Gasaustausch z.T. schwer behindert, da der Übertritt von Kohlendioxid aus den und von Sauerstoff in die Kapillaren der Septen durch die Verbreiterung der Septen kaum mehr möglich ist. Eine entsprechend stark geschädigte Lunge kann also, insbesondere unter Belastung, den Körper nicht mehr adäquat versorgen.

Zu Deiner Frage nach Fotos: Ja, habe ich. Das klingt jetzt blöd, aber tatsächlich bin ich Mitherausgeber und Autor eines deutschsprachigen Lehrbuches zu Nicht-neoplastischen/interstitiellen Lungenerkrankungen, das 2022 erscheinen wird. Da ich aktuell nicht weiß, welche Bilder hineinkommen, kann ich aus Copyright-Gründen schlecht Fotos vorab einfach im Internet präsentieren. Sorry!

Es gibt aber Fotos im Netz, z.B. ist das hier sehr schön präsentiert: https://www.pathologyoutlines.com/topic/lungnontumordiffusealveolardamage.html

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Herbert Dietrich

Hallo Erik,
hallo Florian,

ich glaube mich zu erinnern, dass hier im Forum bereits ein Bild einer Covid 19 geschädigten Lunge gezeigt wurde. Nur wer zeigte das und wann?

Herzliche Grüße

herbert

Wutsdorff Peter

#3
Hallo Erik,
Deine Beschreibung finde ich als "Nur-Inschenör" sehr gut.
Was ist nun der Unterschied zu Lungenemphysem, an dem mein Vater erkrankte?
Gruß Peter

Harald Schmitt

Hallo und guten Morgen an alle,

@Florian- Wow, das ist mal eine gute und verständliche Abhandlung der Vorgänge, wenn durch versagen des Abwehrsystems die Lunge mit dem Virus befallen wird. Dies erklärt sehr eindrucksvoll, warum wir es hier nicht nur mit einer Grippe- auch nicht mit einer durch Bakterien verursachte Lungenendzündung zu tun haben.
Laienhaft ausgedrückt könnte man also sagen: wenn man nicht durch die sich rasant und zerstörerisch ausbreitete Infektion des Virus verstirbt, hat man noch gute Chancen an der mangelnden Rekonvaleszenz der Lunge unter "Lungenkrebs ähnlichen" Symptomen zu versterben.
An für sich wird aus Deinem Beitrag die Wichtigkeit einer Impfung ersichtlich. Das müsste doch auch dem einen oder anderen "Querdenker" zu denken geben.

Und wenn dann kein Intensivplatz da ist kann man nur sagen: Viel Glück

Gruß aus dem Taunus Harald

derda

Lieber Florian,

allerherzlichsten Dank für deine sehr ausführliche Beantwortung meiner Frage. Ich erinnerte mich beim Lesen sofort an deinen Vortrag in Bochum zur Staublunge, wo auch eine starke Bindegewebsentwicklung und Narbenbildung die Lungenfunktion nachhaltig schädigte. Das was Peter als "dauerhaftes körperliches Wrack" beschrieb und für mich als Laien vielleicht zunächst als etwas überspitzt formuliert klang, verstehe ich nun sehr viel besser.

Dein Präparat von der Staublunge habe ich noch, ich wurde aber gerade wegen einer Badsanierung ausquartiert. Ich werde mir es nach meinem Rückzug direkt nochmals unter dem Mikroskop ansehen.

Viele Grüße,

Erik

Harald Schmitt

Hallo und schönen Sonntag an alle,

hier ist der Beitrag von Lutz:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=37046.0%207/19

Gruß aus dem Taunus Harald

Herbert Dietrich

Hallo Harald,

vielen Dank, diesen Beitrag meinte ich.

Herzliche Grüße

Herbert

Hugo Halfmann

Lieber Florian,

auch von mir herzlichen Dank für Deinen Beitrag, der auch für mich als medizinischen Laien verständlich ist. Ich habe deinen Beitrag- nachdem ich in unserer Frühstücksrunde danach gefragt wurde, einigen Kollegen zugesandt. Die Resonanz war ausnahmslos positiv!
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann