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Einzelliges Chamäleon

Begonnen von Michael Plewka, Dezember 02, 2021, 11:58:42 VORMITTAG

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jcs

#15
Zitat von: Peter Reil in Dezember 07, 2021, 20:56:26 NACHMITTAGS

Der Theorie ist genug geredet und irgendwie klingt da nichts für mich tatsächlich überzeugend.
Vielleicht haben wir das Glück und jemand findet ein Trompetentierchen, beobachtet es längere Zeit, macht Aufnahmen im Hellfeld und im Dunkelfeld und es gibt die "Erhellung" für einen eventuellen Farbwechsel.

Eine alte Physikerweisheit sagt: Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.

Insofern habe ich zwar keine Ciliatenfotos zu bieten, dafür eine schnell gemachte Dunkel- und Hellfeldaufnahme eines botanischen Schnittes, der im Hellfeld aufgrund der Etzold-Färbung fast nur blau erscheint. Im Dunkelfeld wird der Gesamteindruck deutlich röter, unter Umständen wegen der oben erwähnten Zusammenhänge: Bei schrägem Lichteinfall im Dunkelfeld werden die glatten Zellwände im Mittel viel schleifender beleuchtet, und der zu erwartende höhere Reflexionskoeffizient für rotes Licht wird tragend beim erhaltenen Bild.

Weiters erscheinen die im Hellfeld rot pigmentierten Partikel im Dunkelfeld teilweise hellblau leuchtend, ein weiteres Indiz für den oben beschriebenen Effekt.

Beide Aufnahmen wurden mit demselben Weißabgleich aufgenommen.

Jürgen

Michael Müller

Hallo Michael (Plewka),

Zitat von: Michael Plewka in Dezember 07, 2021, 19:31:56 NACHMITTAGS
@ Michael:

Deine mit einfachen Gleichungen dargestelllten  Sachverhalte beschreiben lediglich die Energie der Strahlung, haben also mit dem Sachverhalt, um den es hier geht, nur marginal zu tun. Aber genau wie in dem thread hier:

https://www.mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=35&t=786

bleibt unklar, auf was sich der  Begriff "Farbe"  in allen Zusammenhängen eigentlich bezieht: Pigment? Wellenlänge? In welchem konkreten Zusammenhang?  Ich kann also wirklich keinen Lösungsansatz zu was auch immer erkennen.


Auch einfache Gleichungen können richtig sein: Transmittiertes Licht und reflektiertes Licht addieren sich (bei dünnen Schichten - ohne Absorption) zum einfallenden Licht (also z.B. zu weißem Licht). Das ist die Definition von komplementären Farben! Jürgens Beispiel illustriert das sehr schön für einen dünnen Schnitt, also - da die absorbierte Intensität mit der Schichtdicke zunimmt  -. praktisch ohne Absorption. In den typischen, dicken Tümplerproben spielen Absorption und Mehrfachrefektionen sicher eine wichtige Rolle.

Vielleicht sollten wir uns - um die Wissenschaftlichkeit zu wahren - auf eine Definition der "Farbe" einigen, auch wenn ich dadurch die Domäne der Physik verlasse: Farbe ist das, was wir wahrnehmen, wenn wir ein Objekt betrachten. Wegen der Konstruktion unserer Augen ist diese Farbe ein "linearer, dreidimensionaler Vektorraum", d. h. mit drei beliebigen (linear unabhängigen) Grundfarben kann man sich jede Farbe additiv zusammen mischen. Das nutzt man aus, wenn man Farbe z.B. am Monitor darstellen möchte und verwendet hier meist den RGB-Farbraum.
Farbe (oder besser Farbeindruck) ist aber keine Objekteigenschaft, sondern entsteht durch die Beleuchtung, optisches System, Sensor (Kamera und Auge) und dem Absorptionsspektrum des Objektes. Je nach Beleuchtung, optischem Verfahren, Kamera, Auge kann (und ist) der Farbeindruck unterschiedlich. Deshalb ist lediglich ein Farbvergleich möglich, wenn alle anderen Parameter konstant gehalten werden. Eine "Absolutfarbe" als Objekteigenschaft gibt es nicht.
Wieweit ein solcher Farbvergleich bei Deinem Stentor möglich war, kann ich nicht beurteilen, ich wäre aber sehr vorsichtig, wenn ich bei unterschiedlichen Beleuchtungen vergleichen würde.

Viele Grüße

Michael

Gerne per Du

Florian D.

#17
Liebe Tümpler,

vielen Dank Michael für diese interessanten Bilder von erdbeerähnlichen Objekten!
Ich bin etwas erstaunt ob der Verve der Diskussion.
Das Thema Reflexion an stark absorbierenden Substanzen wurde hier erschöpfend erörtert, scheint mir aber für das eigentliche Problem irrelevant zu sein.
Nachdem ich von Stentoren keine Ahnung habe, habe ich einfach mal nach "Stentor" und "purpur" gegooglet (das kann ich gut!) und bin gleich bei diesem Bild hier gelandet:
https://www.ciliates.at/blog/tag/stentor-amethystinus/
Ich denke also, es handelt sich um eine echte Transmissionsfarbe.
Sogar den Farbstoff "Amethystin" hat man chemisch charakterisiert:
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/np5001363
Ob er gegen Trunkenheit wirkt, müsste man ausprobieren.

Viele Grüsse
Florian

PS: Michael, den Stentor amethystinus hast Du uns doch schonmal vorgestellt? https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=5557.0

PSPS: Gerade sehe ich, dass du den Stentor amethystinus ja oben schon angesprochen hast.

Florian D.

Wenn hier wirklich ein Farbwechsel vorliegt, könnte man dies vielleicht so erklären:
Diese Granula scheinen ja durchaus einen komplexeren Aufbau zu haben. Vielleicht können diese irgendwie expandieren. Wenn der Farbstoff dicht gepackt ist, wird er fast schwarz erscheinen, aber halt nur in kleinen Körnchen. Wenn die Körnchen expandieren (Osmose?), wäre die Absorption schwächer, dafür aber über eine grössere Fläche verteilt. Der Farbeindruck würde sich dadurch verstärken.

Viele Grüsse
Florian

Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ Jürgen:

vielen Dank  für den Vergleich der Fotos, wobei  die ETZOLD-Mehrfach-Färbung (3 Farbstoffe) ein ziemlich komplexes System darstellt. Einer oder mehrere diese Farbstoffe können fluoreszieren, auch rot. Es gibt entsprechende Fluoreszenzaufnahmen von botanischen Schnitten,  die mit dieser Färbung gemacht wurden. Mir fehlt aber die Erfahrung bzw. ich habe keine Daten finden können, welcher der Farbstoffe bei welcher Wellenlänge angeregt wird.   Aber das Beispiel des Chlorophylls zeigt ja gerade:  die Rotfluoreszenz der Chlorophyll-Lösung tritt  auch im Weißlicht (durch den darin enthaltenen Blauanteil als Anregung) auf.   

Der Rotkanal in Deinem DF-Bild scheint überbelichtet (ersichtlich aus dem Histogramm). Ist das evtl. Fluoreszenz?  Oder kann Fluoreszenz bei dieser Form der Beleuchtung ausgeschlossen werden?

Mit Bezug zu der Fragestellung der Komplementärfarben im Dunkelfeld habe im Vergleich dazu  -ebenfalls auf die Schnelle- einen einfach durchführbaren Versuch gemacht:  gefärbte Wollfasern von einem Kleidungsstück  im HF und DF beobachten.  Kann  jeder machen. Hier die Ergebnisse:









Ich überlasse es den Foristen zu beurteilen, ob im DF die Komplementärfarben (gemäß der von mir zuvor vorgestellten Modelle) zum HF  sichtbar sind.


@ Florian:
schön, dass Du auf den Stentor zurückkommst und dessen Farbänderung. Schön auch, dass durch den von Dir aufgezeigten Thread noch mal deutlich wird, dass die Rätsel  der Mikrowelt  auch schon vor ein paar Jahren die Foristen zu  lebhaften Diskussionen angeregt haben und noch immer  Geheimnisse vorhanden sind.  Der von dir verlinkte Artikel ist ja ein paar Jahre nach diesem thread entstanden (von wem mag wohl das Foto in dem  Artikel von Höfele et al. sein???), zeigt aber die weitergehenden Erkenntnisse zu den Stoffwechselwegen und Verwandtschaften der verschiedenen Pigmenten in den  verschiedenen Stentoren.  Aufgrund der fehlenden symbiontischen Algen in meiner "Erdbeere" kann man S. amethystinus mit Sicherheit als Art ausschließen.
Ich halte  auch jetzt noch eine  chemische Ursache für die Farbänderung für wesentlich plausibler als ein Artefakt in Form einer  geänderten Beleuchtung, die beim DIK mit Bezug zum Objekt  überhaupt nicht geändert wird. Nach ein paar hundert K Bilder mit DIK glaube ich schon, genügend Erfahrung zu haben,  um  ein solches Beleuchtungsproblem  ausschließen zu können.

Beste Grüße
Michael Plewka

jcs

#20
Hallo Michael,

hier noch einmal ein paar Bilder von mir, um das Thema Fluoreszenz auszuschließen. Im eingerahmten Quadrat ist jener Bereich markiert, der im Hellfeld blau und im Dunkelfeld rot/magenta gefärbt ist. Zusätzlich noch eine Fluoreszenzaufnahme (Blauanregung), die zeigt, dass der Bereich nicht fluoresziert. Das kann man in dem Fall also ausschließen (der grüne Untergrund kommt von der Fluoreszenz von Euparal).

Zusätzlich noch ein Diagramm (aus E. Hecht, Optik, 7. Aufl. 2018), das zeigt, wie stark der Reflexionsgrad an dielektrischen Grenzflächen vom Einfallswinkel abhängt. Erst bei sehr schleifendem Lichteinfall geht R stark nach oben, etwas unterschiedlich für verschiedene Polarisationsrichtungen. Überlagert wird diese gerichtete Reflexion natürlich immer von der diffusen Streuung im Inneren des Objektes.

Bei Deinen Bildern finde ich, dass im ersten Fall (türkise Fasern) im Dunkelfeld ein deutlicher gelber Saum in manchen Bereichen zu sehen ist, was auf gerichtete Reflexion hindeuten würde. Bei den anderen Bildern sehe ich auch nichts. Kann z.B. daran liegen, dass an der Oberfläche kein Farbstoff vorhanden ist, dass der Einfallswinkel nicht passt oder die Oberfläche nicht glatt genug ist.

Und wie gesagt: Ob das Ganze für Ciliaten von Relevanz ist, ist wieder eine andere Frage, die ich nicht beantworten kann.

Aber für die von mir gezeigten Objekte passt die Hypothese schon ganz gut, finde ich.

Jürgen

Florian D.

Zitat von: Michael Plewka in Dezember 08, 2021, 20:51:49 NACHMITTAGS
  Aufgrund der fehlenden symbiontischen Algen in meiner "Erdbeere" kann man S. amethystinus mit Sicherheit als Art ausschließen.
Ich halte  auch jetzt noch eine  chemische Ursache für die Farbänderung für wesentlich plausibler als ein Artefakt in Form einer  geänderten Beleuchtung, die beim DIK mit Bezug zum Objekt  überhaupt nicht geändert wird.


Hallo Michael,

es würde mich ja nicht wundern, wenn man hier neue Arten aufgrund der Farbstoffe, die sie bilden, abgrenzen könnte.
Einen chemischen Hintergrund der Farbänderungen, insbesondere aufgrund von PH-Änderungen, halte ich auch für durchaus wahrscheinlich.

Viele Grüsse
Florian