Interessante Pilzfunde 42 - Täuschende Erdzunge

Begonnen von Bernd Miggel, Dezember 16, 2021, 10:23:16 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Erdzungen lassen sich, entgegen landläufiger Meinung, durchaus zuverlässig bestimmen.  Allerdings wird man seine Funde im Feld erst einmal mit einem vorläufigen Arbeitsnamen versehen.
Bei der Täuschenden Erdzunge (Geoglossum fallax E.J. Durand) besteht der Name in gewisser Weise zu Recht. Er bezieht sich meines Erachtens auf die verwirrenden Sporenseptenzahlen und vielfältigen Paraphysenformen und außerdem auf ältere Exemplare, denen die typische Stielbeschuppung fehlt.
In der Roten Liste von Deutschland (2016) wird die Art in der Gefährdungsklasse ,,G" (Gefährdung unbekannten Ausmaßes) geführt. Sie wächst auf dem Erdboden und lebt saprobiontisch als Humuszersetzer.
Die hier beschriebenen Funde und mehrere hervorragende Bilder verdanke ich Pilzfreund Dieter Gewalt. Er fand die Fruchtkörper auf einer Rasenfläche beim Heusenstamm Campus, Nähe Offenbach, Hessen, TK 5918.2.4.                   


Bild 1 – Der Fundort:, kurz gehaltene, wenig gedüngte Rasenfläche, einige hundert Fruchtkörper der Täuschenden Erdzunge, gemeinsam mit  ebenfalls massenhaft der Goldgelben Wiesenkeule Clavulinopsis helvola, . - Foto: Dieter Gewalt.


Makroskopische Merkmale:


Die Fruchtkörper der Täuschende Erdzunge sind im jungen Zustand braun, werden mit zunehmender Reife schwarz und erreichen meist eine Höhe von bis zu 60 mm. Der Kopfbereich ist der fertile Teil des Fruchtkörpers. Er ist meist flach spatelförmig zusammengedrückt und wird bis zu 5 mm breit. Die Täuschende Erdzunge besitzt, zumindest bei jungen Exemplaren, einen charakteristisch spitzschuppigen Stiel. Auch der Übergangsbereich zum Kopfteil weist oft diese Beschuppung auf. Mitunter erkennt man sogar ein natternförmiges Muster. Der Stiel ist der sterile Teil des Fruchtkörpers.


Bild 2 – Ausgewachsene, fast schwarze Exemplare am Fundort. Der mittlere Fruchtkörper zeigt den typisch genattert-schuppigen Stiel. -  Foto: Dieter Gewalt.                                             



Bild 3 – Entnommene, dunkelbraune Exemplare mit z.T. spatelförmig zusammengedrücktem Kopfbereich. Auch hier ist der deutlich geschuppte Stiel auffallend.  - Foto: Dieter Gewalt.                                             



Bild 4 – Kopfteil und Übergangsbereich zum Stiel zweier Trockenbelege. Hier zeigt auch der Übergangsbereich die natternförmige Beschuppung.                                                               


Mikroskopische Merkmale:

Die Asci der Täuschenden Erdzunge sind biseriat bis multiseriat, d.h. die Sporen sind zwei- oder mehrreihig im Ascus angeordnet.
Bei der Bestimmung kommt es aber vor allem auf die Sporen selber an: Sie sind deutlich bräunlich gefärbt und besitzen eine Länge von bis zu ca. 110 µm. Außerdem besitzen reife Sporen bis zu dreizehn Septen. Dafür benötigt man natürlich reife Fruchtkörper. Beim vorliegenden Fund habe Sporen mit bis zu zehn Septen feststellen können.

Die Präparate der folgenden Fotos wurden in SDS-Kongorot angefärbt.


Bild 5 – Etwa zehn Asci mit je acht reifen Sporen.


Bild 6 - Vermaßte Spore mit zehn Septen.


Die Paraphysen spielen bei der Bestimmung von Erdzungen eine wichtige Rolle. Bei der Täuschenden Erdzunge kommen sehr unterschiedliche Paraphysenformen vor. So gibt es zylinderische, kopfige, Krückstock-förmige mit Scharnierzelle, abgerundet Hockeyschläger-förmige, Bischofsstab-förmig  eingerolle und andere. Es kommt sogar vor, dass ein Fruchtkörper eine bestimmte Form stark bevorzugt. Bei den kopfigen Formen besitzt die apikale Zelle 5-10 µm, der Halsbereich 2-4 µm Durchmesser.


Bild 7 – Paraphysen: Zylinderförmige bis kopfige Formen.


Bild 8 – Paraphysen: eine Krückstock-ähnliche und etliche gerundete Formen.


Bild 9 - Zwei Krückstock-ähnliche Formen mit Scharnierzelle sowie eine gerundete Form.


Ähnliche Arten:
• Bei der Trockenen Erdzunge (Geoglossumm cookeanum) sind die Sporen kürzer und besitzen weniger Septen. Nach LEHR haben sie im reifen Zustand fast immer sieben Septen und messen 60-85 x 5,4-6,8 µm.
Außerdem besitzen die Paraphysen oft perlschnurartige Zellstränge.
Geoglossum elongatum besitzt gegenüber G. fallax deutlich kürzere Sporen. Ansonsten sind die Arten m.E. nicht voneinander unterscheidbar.

Weiterführende Literatur:
• BENKERT, D. (1976): Bemerkenswerte Ascomyceten der DDR II. Die Gattungen Groglossum und Trichoglossum in der DDR. – Myk. Mitt.-Blatt, 20. Jg. 1976, Heft 3: 47-92.
https://fundkorb.de/pilze/geoglossum-fallax-t%C3%A4uschende-erdzunge
• KASPAREK, F. (1996): Die Täuschende Erdzunge. – Der Tintling Jg. 1996, Heft 3: 17-18.
• LEHR, T. (2005): Pilzfunde vom Flörsheimer Kalksteinbruch II. Geoglossum cookeianum. – Vereinsnachrichten und Informationen über Pilzvorkommen im Rhein-Main-Gebiet 44, 2005: 10-15.
• MONTAG, K. (2010): Die Familie der Erdzungen. – Der Tintling Jg. 2010, Heft 3: 43-54.
• ROOBEEK, K. (2009): Aardtongen in de duinen van Noord-Kennemerland. 2005 T/M 2008.
https://de.wikipedia.org/wiki/Erdzungenverwandte
https://fundkorb.de/pilze/geoglossum-fallax-t%C3%A4uschende-erdzunge


Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd




Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729


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Heiko

Hallo Bernd,

ja, das Anschauen Deiner vorbildlichen Präsentation von Geoglossum fallax hat großes Vergnügen bereitet.
Leider finde ich die Dinger ja nie. Bisher hatte sich nur einmal die Möglichkeit ergeben, Geoglossum cookeanum mikroskopisch zu observieren. Und da Du diese als Verwechslungsart anführst, hege ich die Hoffnung, ein Foto an dieser Stelle wirkt nicht deplatziert:



Viele Grüße,
Heiko

reblaus

Hallo Bernd -

weiß man was über die Kernverhältnisse in diesen septierten Sporen?

Viele Grüße

Rolf

Bernd Miggel

Hallo Heiko,
dein Mikrofoto der Trockenen Erdzunge Geogöossum cookeanum ist natürlich willkommen! Es zeigt sehr gut die perlschnurartigen Paraphysen, auch ein paar Entenkopf-förmige scheinen dabei zu sein. Die amyloiden Ascusspitzen sind ebenfalls deutlich zu sehen. Das Foto wirkt auf mich fast wie ein Gemälde.


Hallo Rolf,
mit die Kernverhältnisse in den septierten Sporen kenne ich mich (bisher) nicht aus. Kannst du mir auf die Sprünge helfen, was man darunter versteht und wie man die sichtbar macht?

vg - Bernd