Büschelfarn und Schalenamöbe

Begonnen von Fahrenheit, Januar 02, 2010, 11:24:58 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Tümpler,

neugierig geworden durch die vielen oft erstklassigen Tümpler-Bilder in der letzten Zeit habe ich mich an einen unserer Wasserbottiche im Garten gemacht, um zu sehen, was darin wohl der Kälte trotzt.

Ich war überrascht, was dort alles zu finden ist. Auf dem Bottich treiben noch (zur Zeit festgefroren  :)) die verrottenden Reste der Büschelfarnpopulation des letzten Sommers. Die im Wasser hängenden Wurzelblätter dieses Schwimmfarns dienen einer großen Population von Muschelkrebsen und Ruderfußkrebsen als Nahrungsgrundlage bzw. Deckung.
Um diese Tierchen soll es heute aber nicht gehen - der Versuch, sie mittels CO2-haltigem Mineralwasser
zu einer Photosession zu bewegen, steht noch aus.

Vielmehr sind mir eine Schalenamöbe (bzw. deren leere Schale) sowie ein sehr schön mazeriertes Schwimmblatt des Büschelfarns ins Auge gefallen. Diese möchte ich heute zeigen.  

Zunächst ein paar Eindrücke von Probenort:

Bild 1: Bottich mit Büschelfarn


Bild 2: Heute Morgen war die Oberfläche zugefroren, aber das haben die Bewohner schon einmal überlebt.


Bild 3: Die Probe mit dem erfrorenen Büschelfarn, links das mazerierte Blatt



Die Schale der Schalenamöbe fand sich im mit einem kleinen Planktonsieb (Filmdosenkonstruktion) aufkonzentrierten Probenwasser. Mit ihren 7 regelmäßig am Schalenrand angeordneten Stacheln, der exzentrisch gelegenen Mündung und den Steinchen auf der Oberfläche wird es sich mit einer Größe von ca. 150 µm wohl um Centropyxis aculeata, die Stachel-Schalenamöbe handeln (Wassertropfen, 10. Auflage 2008, Seite 234/2).

Bild 4: Schale der Stachel-Schalenamöbe, Durchmesser ohne Stacheln, Vergrößerung 400x, Stapel aus 4 Bildern


Bild 5: Messbild der Schale zur Größenbestimmung


Wenn ich mit der Bestimmung falsch liege, bitte ich um Korrektur. Herzlichen Dank.


Der zweite Zufallsfund war ein weitgehend verrottetes Schwimmblatt des Büschelfarns (wohl Salvinia minima). Glücklicherweise ist die Blattunterseite fast komplett erhalten.
Das Blatt habe ich unfixiert nach Wacker W3A gefärbt und in Euparal eingeschlossen.

Bild 6: fertig gefärbtes Blatt vor dem Einschluss


Bild 7: Überblick über das Präparat, zu sehen ist die Nervatur des Blattes, die Epidermis der Blattunterseite von oben betrachtet sowie darunter ein mehrzelliges Blatthaar. Vergrößerung 50x, Stapel aus 16 Bildern


Bild 8: Bei etwas größerer Vergrößerung erkennt man, dass es keine Blattspalte gibt, die Epidermis aber aus zwei unterschiedlichen Zelltypen zu bestehend scheint: einmal die normalen 'puzzleförmigen' Epidermiszellen und dann größere Zellen mit regelmäßigerer, fast ovaler Form - vielleicht Blattspaltmutterzellen, die sich nicht weiterentwickelt haben? Die runden Löscher sind wohl die Ansatzpunkte der bereits herausgebrochenen Blatthaare. Vergrößerung 100x, Stapel aus 23 Bildern.


Bild 9: Hier noch mal ein Ausschnitt des Zellverbundes bei 400-facher Vergrößerung. Oberhalb der Epidermis liegt, gerade noch erkennbar, ein feines Netz von Zellen, vermutlich Reste des Schwammparenchyms. Stapel aus 22 Bildern.


Bild 10: Hier noch das Messbild zur Abschätzung der Zellgröße


Vielen Dank fürs Lesen! Kommentare und Verbesserungsvorschläge sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Bernhard Lebeda

Wunderschön, Jörg!!

Auf die Idee ein verottetes Blatt zu färben muss man erst mal kommen!!  Das hab ich noch nie gesehen!!

Frohes Neues!!


Bernhard

Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Eckhard

Lieber Jörg,

sehr lustige Idee! Sieht aus wie ein 1000 Teile Puzzle :D

Die Schirmtanne ist angekommen - herzlichen Dank dafür!

Herzlicher Gruss
Eckhard
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Fahrenheit

Lieber Bernhard, lieber Eckhard,

danke für die Blumen!

Es sind wohl ein paar mehr als 1000 Teile und ich bin froh, dass es schon zusammengesetzt ist - ich hasse Puzzle.  ;D

Das Blatt ist mir auch erst unter dem Stemi aufgefallen. Es wirkte so fein strukturiert, dass ich es mit zwei Pinseln auf einen Objektträger bugsiert habe, um es genauer zu betrachten.
Der Entschluss das braune Gewebe zu färben und als Dauerpräparat zu erhalten, kam dann recht schnell. Die Wackerfarbtöne passten nach meiner Ansicht am besten zum vorhandenen Braun, bleichen wollte ich das fragile Gebilde nicht. Aus dem gleichen Grund habe ich auch nicht fixiert, zumal das Gewebe schon lange abgestorben war.

Zum Teil waren noch die "Krönchen-Haare" auf der Blattoberseite mitsamt der Restepidermis vorhanden. Diese habe ich vorsichtig entfernt, wegen der Übersichtlichkeit und um die Schichtdicke geringer zu halten. Die Blatthaare auf der Blattunterseite sind beim Präparieren fast alle herausgebrochen.

Ich würde mich freuen, wenn jemand meinen Bestimmungsversuch bezüglich der Amöbenschale kommentieren könnte oder wenn es noch Ideen zu meinen Interpretationen der unterschiedlichen Zellarten des Büschelfarnblattes gäbe.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Lieber Eckhard, ich hoffe, das Zweiglein hat in der Tüte nicht zu sehr gelitten?

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rekuwi

Lieber Jörg,

mir gefallen Deine Aufnahmen auch ausnehmend gut. Diese Herbstfarben haben was für sich!

Nun zu der Schalenamöbe. Habe mal im Wassertropfen nachgelesen und meine, es könnte sich doch um C. discoides handeln. Bei dieser liegt die Öffnung fast zentral, sie hat 1 - 7 Dornen und ist 200 - 400 µm groß. Das paßt doch genau auf die hier gezeigte Schalenamöbe.

Liebe Grüße
Regi

Fahrenheit

Liebe Regi,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Centropyxis discoides habe ich mir auch angesehen, sie wird ja im Wassertropfen im gleichen Abschnitt behandelt, wie C. aculeata.

Für diese Art erscheint mir mein Exemplar aber zu klein zu sein. Leider ist die Mündung ja ausgebrochen. Mehr nach rechts hin wirkt der Rand aber verstärkt und quasi umbördelt. Daher bin ich geneigt, anzunehmen, dass dies die originale Mündung ist. Das Loch in der Mitte wirkt dagegen eher scharfkantig rausgebrochen. Leider ist mein Bild zu unscharf, um das richtig darzustellen.

Somit habe ich mich bei meinem Bestimmungsversuch für C. aculeata entschieden. Für C. hirsuta ist die Schale hingegen zu groß und außerdem sollten die Stacheln bei dieser Art unregelmäßiger verteilt sein.

Allerdings gebe ich zu, dass ich keinerlei Erfahrung mit Schalenamöben habe und der Wassertropfen zeigt ja nur den kleinen Ausschnitt der geläufigsten Arten in unseren Breiten.

Herzliche Grüße
Jörg
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rekuwi

Lieber Jörg,

Du hast völlig recht, irgendwie habe ich mich bei der Bemaßung verguckt.

Liebe Grüße
Regi

Fahrenheit

Liebe Regi,

nun ja, von den Angaben im Wassertropfen stimmt das alles so weit. Aber sicher bin ich mir nicht, es gibt ja noch viele andere Arten, die im Wassertropfen garnicht aufgeführt sind.
Und mein "Fachgebiet" sind Schalenamöben ja nun auch nicht gerade.  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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