Mein Tipp für die Liste, mal was ganz Elitäres
Kloster Marienberg in Burgeis im oberen VinschgauDer OrtDas Kloster bildet seit dem 12. Jhd. das christliche Zentrum des oberen Vinschgau im westlichen Teil Südtirols. Sein Bau, an ein tibetisches Bergkloster erinnernd, steht in atemberaubender Landschaft im oberen Etschtal unmittelbar nach der Passhöhe des Reschen. Er beherbergt herausragende romanische Fresken in der Krypta, die eine Freskenmalschule des östlichen Alpenraums begründeten.
Nach der in der Nähe ausgefochtenen Schlacht an der Calvenbrücke 1499 (...dieses Ereignis lernt jeder Schweizer auswendig...) und der Reformation in der Eidgnossenschaft wurde das Kloster zunehmend zu einem Instrument der Germanisierung des oberen Vinschgaus. Germanisierung - ist Südtirol nicht durch und durch deutschsprachig? Bis ins 17. Jhd., in einzelnen Tälern bis ins frühe 19. Jhd. sprach die Bevölkerung im oberen Vinschgau durchgängig rätoromanisch wie heute noch im Engadin und dem oberen Rheintal; erst die Gegenreformation trieb den Vinschgauern ihre damalige Muttersprache aus, um den "verderblichen Einfluss des Bündner Ketzertums zu brechen". Ironie der Geschichte: Vor gerade mal hundert Jahren verteidigte die Bevölkerung ihre (nun) deutsche Muttersprache in Geheimschulen und -bibliotheken gegen die faschistische Italienisierung, auch hier war das Kloster Marienberg mit einem Privatgymnasium hilfreich.
In den letzten Jahren wurde das Kloster unglaublich aufwendig modernisiert, es weist heute ein topmodernes Gästehaus mit Tagungszentrum, ein Cafe, ein Besucherzentrum und ein Museum auf, alles versorgt durch ein eigenes Biomasseheizwerk und ein Wasserkraftwerk. Alle neuen Gebäude wurden von dem innovativen Vinschgauer Architekten Werner Tscholl entworfen, der dieser Region mit qualitätsvollen Bauten ein modernes Gesicht verpasste. Neben dem Kloster gibt es noch eine zur Schule modernisierte Burg und einen Gasthof im historischen Klostergut - ein Ensemble, in dem man eine ganze Woche verbringen könnte.
Das SchaudepotSehenswert für den Mikroskopiker ist nicht so sehr das Kloster oder das Museum, wenngleich jeder Reisende dort gewesen sein sollte. Die Augen eines naturwissenschaftlichen Jäger und Sammlers gehen erst im sogenannten Schaudepot so richtig über! Neben der neuen, unterirdischen Bibliothek mit über 100.000 historischen Bänden wurden alle Sammlungsgegenstände des Klosters in einigen Kellerräumen in Form eines Wunderkabinetts ohne große Erklärungen zusammengetragen. Hier finden sich neben unzähligen Insekten, Mineralien, Pflanzenteilen, Schneckenhäusern, Muscheln, Glasmodellen, Spirituspräparaten etc. etc. auch optische und physikalische Geräte, in unüberschaubarer Fülle auf einem riesigen Tisch aufgestellt. Darunter auch eine Handvoll Mikroskope und mikroskopische Apparate. Die Mönche, die in Meran ein humanistisches Gymnasium betrieben, unterhielten sich auch in der Freizeit mit naturwissenschaftlichen Hobbys - und hinterließen jede einzelne Motte dem Kloster, das nie irgendwas wegwarf - der Traum jedes Sammlers...
Tipps zur BesichtigungDas Kloster ist immer noch eines - zur Zeit beherbergt es neun Patres. Daher unterwirft sich jede Besichtigung den spirituellen Regeln des Klosterlebens, das macht die Besichtigung zu einem elitären Erlebnis. Während das Museum Öffnungszeiten hat, kann Krypta, Bibliothek und Schaudepot nur zweimal die Woche per Führung und nach Anmeldung besichtigt werden, nie am Wochenende und nur zwischen März und Oktober. Ich vermute, dass nie mehr als 1000 Personen pro Jahr den millionenteuren unterirdischen Bau Werner Tscholls zu sehen bekommen! Wer dann aber drin ist kann die Exponate in seltener Nähe begutachten - die Führerin meinte trocken, dass sie nur ein Problem damit habe, wenn sie die Käfersammlung Kleinkindern und älteren bärtigen Herren am Ende der reichlich bemessenen Besichtigungszeit aus den Fingern winden müsse. Da habe es auch schon Tränen gegeben - nicht bei den Kleinkindern.
Ein Rätsel am SchlussViele Exponate auf dem Riesentisch sind mit "vermutlich..." beschriftet, wie gesagt, es handelt sich bewusst um kein Museum, sondern um ein "Schaudepot". Zwei Exponate verweisen auf die Petrografie und Polarisation - ich brachte die Apparate aber nicht mit meinen Vorstellungen petrografischer Apparate zusammen. Vielleicht findet sich ja in diesem allwissenden Forum jemand, der die beiden "Vermutlich..." Schildchen ersetzen könnte, siehe anhängende Bilder...
https://www.marienberg.it/de/kloster/bibliothek-archiv.htmlGrüße
Andreas