Subjektive Reflexionsmessungen

Begonnen von hugojun, Januar 25, 2022, 20:04:48 NACHMITTAGS

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hugojun

...

an absorbierenden, opaken Kristallen wurde in vielen Varianten versucht. Das berühmteste Untersuchungsgerät ist wohl das von Berek entwickelte Okularphotometer.
Aber es gab auch Entwicklungen, die weniger aufwendig waren und dem Betreiber eine schnelle Übersicht über die Reflektivität der Minerale in einem Anschliff zu geben.
Es ist bekannt, dass ein scheinbar stark reflektierendes Mineral aus seiner Umgebung hervorsticht,
aber sobald ein wiederum stärker reflektierendes Mineral in seine Umgebung rückt, das vermeintlich helle Mineral an Strahlkraft verliert. Relativ zu einander sind sie gut zu unterscheiden, aber wieviel stärker oder schwächer strahlt / reflektiert sein Nachbar.
Zur Beurteilung solcher Fragen hat die Firma LOMO das Okular-Photometer ОКФ-1 gebaut.
Es hat mich einige Mühe gekostet, Literatur zu diesem Gerät aufzuspüren. Über zahlreiche russische Literatur zur Diagnostik der Erzminerale von verschiedenen Autoren, habe ich dann einen Hinweis zu einer Arbeit von I.S Volynsky gefunden, in dem der Aufbau des Okulars ausgiebig beschrieben wird, sein Funktionsprinzip, als auch die Empfindlichkeit der Anwendungsverfahren.

Das Prinzip

ist im Grund sehr einfach und beruht auf dem Vergleichsprinzip, im Grunde wieder eine Halbschatten-Methode. In der einfachsten Anwendung, ist das Reflexionsvermögen des hellsten Minerals als bekannt vorausgesetzt. Im Okular befindet sich eine verschiebbare Glasplatte, auf dessen Oberfläche ein kleines Rechteck aus sehr dünnem, im Querschnitt Keilförmigen Platin aufgedampft ist.
Die Durchlässigkeit des Keiles verringert sich mit der Zunahme der Dicke des Keils.



Weiterhin befindet sich auf dieser Glasplatte eine Skala, anhand welcher man die Verschiebung des Platin-Keils Zahlenmäßig erfassen kann. Man beginnt damit, ein Korn des hellsten Minerals im Anschliff mit der Helligkeit der Durchlässigkeit der Platinkeils abzustimmen und erhält somit eine Referenzzahl. Im nächsten Schritt untersucht man das nächst dunklere Mineral und bestimmt dessen Helligkeit durch verschieben des Platinkeil bis zur Helligkeitsgleichheit an einer Grenzfläche des hellsten Minerals zum nächst Dunkleren, wobei sich der Keil über dem hellsten Mineral befindet.
Ist das hellste Mineral auf das Dunklere eingestellt , bekommt man eine zweiten Zahlenwert, der es erlaubt, mit dem Referenzwert des helleren Minerals , die absolute Reflexion des Dunkleren zu berechnen.


Der Aufbau
ist in folgender Schnittzeichnung dargestellt



Im Bild sieht man das geöffnete Okular, das eigentliche 10X Okular und der Verschlussdeckel sind entfernt.



Im Bild erkennt man die Glasplatte mit dem kleinen aufgedampften Platinkeil
und einen Spaltschieber , um das Auge  gegen Streulicht abzuschirmen

Beispiel einer Halbschatten- Anpassung .
Im Bild die Skala, der Referenzstrich und der halbdurchlässige Platin Keil – graue Fläche.





Fortsetzung folgt
LG
Jürgen




hugojun

#1
....



Dies ist ein Blick durchs Okular. Als Testobjekt habe ich einen polierten Dünnschliff eines Chondriten (Stein-Meteoriten ) gewählt.
Zu  sehen ist ein zusammengesetztes Mineralkorn aus dem hellen Kamazit ( eine Nickel-Eisen-Verbindung ) und dem Eisensulfid ,
Troilit ( FeS ), in braun, beiger Farbe.
Der grüne Kasten ist der Bereich des teildurchlässigen Platin-Keils. Der rote Kasten ist der Bereich der
Spaltblende , innerhalb dessen der Abgleich stattfindet. Oben im Bild ist noch die Skala und die Referenzlinie zu sehen.
Aus Gründen der Dispersion im weißen Licht , wird auch bei dieser Methode monochrom gearbeitet.
Dazu habe ich einen Interferenzfilter von 551nm gewählt.



Hier hat der Abgleich schon stattgefunden: Dunkelgrauer Bereich ist der grüne Kasten des Platin-Keils. Der Abgleich im roten Kasten
scheint nicht sehr gelungen ( vergleiche vorheriges Bild),

aber nach Abschirmung mit der Spaltblende ist der Abgleich fast perfekt.



Die Zahlenwerte der Skala betrugen für die Nickel-Eisenverbindung 9,3 und nach dem Abgleich am Troilit 6,3.
Aus dem einfachen Zahlenverhältnis 65% / 9,3 *6,3 (65% = Reflexionsgrad des Nickeleisens ) , ergib sich die Reflexion für das Troilit zu 37,9 % . Dabei ist die Anisotropie des Troilit´s noch nicht berücksichtigt.
Literatur-Angaben zum Troilit und anderen Fe S Verbindungen:
"Troilite (FeS) = 39.05 percent; intermediate pyrrhotite (∼Fe11S12) = 36.4 percent; intermediate pyrrhotite (∼Fe9S10) = 36.9 percent; and monoclinic pyrrhotite (∼Fe7S9) = 37.8 percent. Within a two-hour period after buffing, Ro values for troilite decrease 0.8 percent while values for hexagonal pyrrhotite and monoclinic pyrrhotite are constant."

LG
Jürgen

Edit : Zahlendreher : soll 56 %  sein





Florian D.

Hallo Jürgen,

tolles Gerät, dass Du da gefunden hast!
Danke für's Vorstellen.

VG
Florian

olaf.med

...und genial einfaches Messsystem. Wirklich toll!

Herzliche Grüße, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

hugojun

Hallo Florian, hallo Olaf,

das war ein Zufallsfund. Es wurde als Photometer angeboten und ich bin darauf eingegangen.

Es ist zwar werks-neu unbenutzt, aber so gut wie alle Stelleinheiten waren verkittet von eingetrocknetem Fett.
Ich kenne nicht das Seriennummer-System von Lomo, aber bei einer solch hohen Seriennummer (N720031) ,
würde ich auf ein große Zahl von Anfertigungen schließen wollen.
Die Arbeit dazu von I.S. Volynsky umfasst 88 Seiten , die ich noch nicht vollständig ,,OCR durchsuchbar" eingescannt habe ,
aber Teile davon habe ich schon Maschinen-Übersetzt . Man kommt damit weiter, manchmal ist die Übersetzung ganz lustig,
es kann aber auch nervlich sein.
Tatsache ist, dass es wohl werksseitig einen Kalibrierschein (Reisepass in Maschinensprache) zu jedem Gerät gegeben haben muss.
Drauf befanden sich Angaben zur absoluten Absorption des Platinkeils, Wellenlägen abhängig und auf die Skalen-Punkte bezogen.

Damit war dann die direkte Messung möglich , ohne Kenntnis der Reflexion eines im Schliff vorhandenen Minerals.

Die Idee zum Photometer ОКФ-1 hatte Volynsky wohl schon 1949 , die Produktion bei Lomo startete aber erst 1963.

LG
Jürgen

PolMik

Hallo Jürgen,
eine geniale Konstruktion. Danke für die Vorstellung des tollen Teiles.
LG
Michael

3nzo

Hallo Jürgen,
Die Zahl ist nicht hoch, da bei optischen Produktionsschlägereien die ersten beiden Ziffern der Seriennummer das Produktionsjahr angeben, dh 1972.
Danke für die interessante Bewertung.
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

hugojun

Hallo Enzo,
vielen Dank für den Hinweis zur Seriennummer. Die UDSSR hat wohl aus dem ,,German tank problem"
gelernt. Deshalb möchte ich die Frage gerne an die Statistiker richten. Aus der Literatur habe ich den Hinweis,
dass die Produktion 1963 begann, im Netz habe ich noch ein Bild eines zweiten Okulars älteren Typs gefunden mit
der etwas unleserlichen Seriennummer N64031.Warum gerade wieder die 31, ist wohl eher Zufall.
Ist das statistische Problem dadurch einfacher geworden, indem man annimmt, dass pro Jahr mindestens
31 Stück gefertigt wurden? Also mindestens von 1963 bis 1972 ( = 10 Jahre ) 10 x 31= 310 Stück?

LG
Jürgen

3nzo

Hallo Jürgen,
Wer kann sagen, ob der 31 der letzte seit einem Jahr produzierte Sucher oder ein reiner Zufall ist? Sicherlich ist es ein nicht sehr weit verbreitetes Messokular, von dessen Existenz ich zB nichts wusste.
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

hugojun

#9
... Der Prototyp als DIY Projekt




LG
Jürgen