Vampyrellide Amöben - eine Einführung

Begonnen von Sebastian Hess, Januar 26, 2022, 08:17:57 VORMITTAG

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Sebastian Hess

Liebe Mikroskopie-Freunde,

ich möchte hier auf einen kürzlich erschienen Übersichtsartikel über die vampyrelliden Amöben aufmerksam machen, der einen guten Zugang zu dieser Protistengruppe erlaubt. Es gibt noch viele unbeschriebene Arten und die Bestimmung in Naturproben ist oft schwierig. Das macht die Gruppe aber auch sehr spannend.

https://doi.org/10.1016/j.protis.2021.125854

Ich möchte noch erwähnen, dass mein Labor (an der Uni Köln) aktiv an den Vampiramöben forscht (siehe hier https://zoologie.uni-koeln.de/arbeitsgruppen/ag-hess/inhalt/forschung) und wir für jeden Fund (und Proben) dankbar ist.

Ich hoffe, der Artikel ist für den ein oder anderen interessant.
Mit besten Grüßen,

      Sebastian

Captain Quark

Hallo Sebastian!

Vielen Dank für den sehr interessanten Hinweis auf euren Artikel! Es ist schön zu wissen, dass es im deutschsprachigen Raum noch Universitäten gibt, die Geld für taxonomische Forschung auf der Mikro-Ebene übrig haben. An meiner Uni in Österreich wurden die Mittel dafür in den letzten 5 Jahren gefühlt halbiert, sehr gute Taxonomen wurden oder konnten nicht nachbesetzt werden.
Falls mir mal eine solche Amöbe der Vampyrellidae über den Weg laufen sollte, werde ich mich melden.  ;)
Ich hab euren Artikel zum Frühstück genossen und wollte fragen, ob du noch genauere Infos zur Ernährungsstrategie der "Protoplastenextraktion" hast. Es steht geschrieben, dass die Vampyrellidae Zellwände ihrer Beute phagozytotisch auflösen können. Hier steh ich auf dem Schlauch :o
Wie ist das gemeint? Wird die Zellwand der Beute durch lysosomale Enzyme exozytotisch aufgelöst und dann phagozytotisch "aus dem Weg" geräumt, damit ein Loch entsteht, durch das die Vampyrellidae ihre Opfer aussaugen? Wie verhindern die Vampyrellidae dabei, dass ihre eigene Plasmamembran anverdaut wird?

Kennst du zufällig auch eine deutschsprachige Fachzeitschrift, die dem "Protist" ähnlich ist?

Liebe Grüße
Julian 
Habe einen Bachelor aus dem Lehramt Biologie, befinde mich gerade im Masterstudium.
Servoscope Hellfeld
Olympus CHB
Leitz HM-Lux 3
und weiteren Kram.

Am liebsten mag ich das Dunkelfeld :)

Fahrenheit

Lieber Sebastian,

schön, von Dir zu lesen! Ich habe Euren Artikel gerade überflogen und dann für das genüssliche Nachlesen herunter geladen und freue mich heute auf eine schöne Stunde im Kreise der Vampyrellidae mit einem schönes Glas Rotwein.  :)

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

mikropit

Hallo, schade, dass alle Ihre Veröffentlichungen in Englisch sind. Da kommt man mit Umgangsenglisch nicht weit. Schliesslich werden Sie mit deutschen Geldern gefördert, an einer deutschen Uni. Für internationale Zeitschriften ist Englisch schon ok.
mfG
Peter  mikropit
mikropit

Captain Quark

Naja! Das wissenschaftliche Englisch ist meistens wesentlich weniger saftig, als es die großen Literaten und Schriftsteller verwenden. Viele Fachbegriffe sind ohnehin stark aus dem Lateinischen entlehnt und lassen sich leicht übersetzen. In Deutschen Publikationen wäre es dabei nicht anders.
Das "deutsche Gelder" für englische Publikationen verwendet werden sehe ich als Fortschritt hin zum europäischen Gedanken. Viele Mittel entstammen ohnehin unterschiedlichen Töpfen, die häufig ihren Ursprung in der EU haben - Geld trägt ja bekanntlich kein Mascherl. Mit einer gemeinsamen Arbeitssprache (die aktuell eben Englisch ist, früher war sie wohl auch mal Latein oder Französisch) ist der Wissenschaft sicherlich sehr geholfen! Der gute Foissner hat auch auf Englisch publiziert.

Grüße
Julian
Habe einen Bachelor aus dem Lehramt Biologie, befinde mich gerade im Masterstudium.
Servoscope Hellfeld
Olympus CHB
Leitz HM-Lux 3
und weiteren Kram.

Am liebsten mag ich das Dunkelfeld :)

SNoK

Und nicht zu vergessen, dass auch Deutsch lange Zeit eine dominante Wissenschaftssprache war, und sich Franzosen, Engländer und Russen durch Einsteins drei berühmte Veröffentlichungen1905 auf Deutsch kämpfen mussten.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Bernard-J

Hallo Sebastian,
Vielen Dank für das Mitteilen. :)

Verstehe ich das richtig, dass Hyalodiscus flabellus derzeit Placopus flabellus heißt?
In diesem Fall werde ich mein Video mit Anmerkungen ergänzen:
https://youtu.be/q98E3ZXkpzg
Französischsprachig: Sei nachsichtig mit Fehlern!
Ich bevorzuge das Duzen.
www.microbiolvideos.ch

mikrowastl

Hallo,

etwas ot, doch bzgl englischer Texte gibt es ja (bereits mehrfach im Forum genannt) sehr gute Übersetzungshilfen, zB deepl

https://www.deepl.com/translator


hier ein Beispiel anhand der oben genannten Arbeit (ich hoffe ich begehe damit keine copyright Verletzung).


Aus meiner fast täglichen Benutzung kann ich sagen, dass diese Übersetzungen schon eine grosse Hilfe darstellen - man sollte denen natürlich nicht blind vertrauen, doch ist es bereits mehr als eine erste Rohübersetzung.

Prey Infiltration
'Prey infiltration' is another variety of protoplast feeding, but is only rarely found in vampyrellids. Lateromyxa gallica perforates the cell wall of its algal prey (Oedogonium, Chlorophyta) similarly to the protoplast extractors mentioned above, but then invades the algal cell and completes its feeding cycle in the filaments of the prey (Hu ̈ lsmann 1993). Lateromyxa is also able to perforate the cross walls of the algal filaments and move laterally through the alga – a behaviour that appears to be common among infiltrating protoplast feeders (Hess and Melkonian 2013; Hess et al. 2019). Dur- ing food uptake, the plasmodial vampyrellid frag- ments into smaller portions, which then turn into digestive cysts, often arranged like a string of beads in the algal filament (Hu ̈ lsmann 1993; Ro ̈ pstorf et al. 1993). Prey infiltration was also observed in vampyrellids that attack unicellular prey, namely Vampyrella multiformis (invading Cosmarium; Zopf 1885a), and an undescribed vampyrellid (invading Closterium; unpubl. observ. A.S.).

Übersetzung:

Beute-Infiltration
Die "Beute-Infiltration" ist eine weitere Variante des Protoplastenfraßes, die jedoch nur selten bei Vampyrelliden vorkommt. Lateromyxa gallica perforiert die Zellwand seiner Algenbeute (Oedogonium, Chlorophyta) ähnlich wie die oben genannten Protoplastenextraktoren, dringt dann aber in die Algenzelle ein und vollendet seinen Fresszyklus in den Filamenten der Beute (Hu ̈ lsmann 1993). Lateromyxa ist auch in der Lage, die Querwände der Algenfilamente zu perforieren und sich seitlich durch die Alge zu bewegen - ein Verhalten, das bei infiltrierenden Protoplastenfressern üblich zu sein scheint (Hess und Melkonian 2013; Hess et al. 2019). Während der Nahrungsaufnahme fragmentieren die plasmodialen Vampyrelliden in kleinere Teile, die sich dann in Verdauungszysten verwandeln, die oft wie eine Perlenkette im Algenfilament angeordnet sind (Hu ̈ lsmann 1993; Ro ̈ pstorf et al. 1993). Die Infiltration von Beutetieren wurde auch bei Vampyrelliden beobachtet, die einzellige Beutetiere angreifen, nämlich Vampyrella multiformis (die in Cosmarium eindringt; Zopf 1885a) und ein nicht beschriebener Vampyrellid (der in Closterium eindringt; unveröffentlichte Beobachtung A.S.)


Ich hoffe damit den englischen Arbeiten etwas mehr Akzeptanz zu verschaffen, und sprachlich weniger erfahrenen Menschen eine kleine Hilfe und etwas Mut zu geben


Gruß Hans


Vorstelllung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33417.0
Axiostar plus /Wild M7s

schmidt

wirklich interessante Wesen, ich hatte erst vor kurzen mal wieder  schöne Beifänge, faszinierend finde ich die komplexen filigranen Plasmastrukturen, die sie ausbilden können.
Bei Amöben habe ich immer den Eindruck, das hier Phasenkontrast gegenüber DIK als Beobachtungsmethode oft die bessere Wahl ist

VG
pschmidt
Mikroskope:
Lomo Biolam Ph+; DF; HF-Abbe; Epi HF/DF/Pol; Epi-Fl; //Biolar DIK, IK, Ph variabel+-//
Nikon Eclipse -U  HF; DIK, Ph+, Epi-Fl//
MBS 10