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Cetrelia monachorum

Begonnen von Ralf, Januar 10, 2010, 11:41:00 VORMITTAG

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Ralf

Liebe Flechtenfreunde,

Innerhalb der Gattung Cetrelia gibt es in Europa 4 verschiedene chemische Rassen, die äußerlich nicht zu unterscheiden sind. Die Zuordnung erfolgt vielmehr anhand einer dünnschichtchromatographischsen Analyse der Flechteninhaltsstoffe. So konnte ich einen Fund aus dem letzen Jahr, den ich fälschlicherweise als C. cetrarioides  (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=588.0) bestimmt hatte, jetzt richtig zuordnen. Neue Bilder habe ich auch gemacht.

- Cetrelia monachorum, Schwarzwassertal, Tirol, Oktober 2009, Wagner 79.    Fundortfoto, auf Bergahorn.



- Cetrelia monachorum, Hornbachtal, Tirol, Oktober 2008, Wagner 27.    Die weißen, punktförmigen Pseudocyphellen auf der Oberseite sind charakteristisch. Pseudocyphellen sind weiße, punktförmige oder lineare Öffnungen. Sie dienen dem Gasaustausch und sind oft der Ausgangspunkt für die Ausbildung von Soralen.



- Cetrelia monachorum, Hornbachtal, Tirol, Oktober 2008, Wagner 27.    Die Bortensorale sind ein weiteres Bestimmungsmerkmal



- Cetrelia monachorum, Hornbachtal, Tirol, Oktober 2008, Wagner 27.    Die Unterseite ist randlich braun und schwarz zur Mitte hin. Der braune Rand ist ohne Rhizinen, zur Mitte hin finden sich im schwarzen Teil vereinzelt kurze einfache Rhizinen. Im Gegensatz zu Cetrelia cetrarioides finden sich bei Cetrelia monachorum meist keine Pseudocyphellen auf der Unterseite



- Cetrelia monachorum, Hornbachtal, Tirol, Oktober 2008, Wagner 27.    Lobe, Querschnitt. Typischer Aufbau einer Blattflechte: oben eine braune Rindenschicht aus Pilzhyhpen, gefolgt von einer Schicht des Photosymbionten (hier: Grünalgen der Gattung Trebouxia) und darunter eine Schicht locker angeordneter Pilzfäden. Den Abschlus nach unten bildet eine schwarze Unterrinde.



- Cetrelia monachorum, Jochbachtal, Tirol, Oktober 2009, Wagner 78.    Apothecium. Scheibe braun bis braunrot, Lecanora-Typ mit Lagerrand.



- Cetrelia monachorum, Jochbachtal, Tirol, Oktober 2009, Wagner 78.    Querschnitt Apothecium. Färbung mit Lactophenol-Methylblau-Säurefuchsin



- Cetrelia monachorum, Jochbachtal, Tirol, Oktober 2009, Wagner 78.    Ascus vom Lecanora Typ, 55 x 33 µm, Apex mit amyloider Ringstrruktur. Sporen einfach ellipsoid, 8 pro Ascus, 14 x 9 µm. Färbung mit Lugol.



- Cetrelia monachorum und Cetrelia olivetorum, TLC in Toluol + Essigsäure (20 ml + 3 ml) auf einer Merck Silica Gel 60 F254 5 x 20 cm Platte;
UV-365nm, nach Behandlung mit 10 % Schwefelsäure.

1: Cetrelia monachorum; Wagner 27
2: Cetrelia monachorum; Wagner 78
3: Cladonia symphycarpa; Schumm 4698 + Platismatia glauca; Schumm 3030
4: Cetrelia monachorum; Wagner 79
5: Cetrelia monachorum; Wagner 80
6: Cetrelia olivetorum; Wagner 81

a = atranorin; pt = perlatolic acid, im = imbricaric acid; an = anziaic acid; 4dmi = 4-O-demethylimbricaric acid; ol = olivetoric acid

Cetrelia monachorum wird durch das Vorkommen von imbricaric acid und 4-O-demethylimbricaric acid identiziert. Lit.: OBERMAYER, W. & MAYRHOFER, H. 2007: Hunting for Cetrelia chicitae (lichenized ascomycetes) in the Eastern European Alps (including an attempt for a morphological characterization of all taxa of the genus Cetrelia in Central Europe). – Phyton (Horn) 47: 231– 290. http://www.uni-graz.at/~oberma/obermayer+mayrhofer-2007-cetrelia-phyton-47-231-290.pdf


Klaus Herrmann

Lieber Ralf,

da muss ich doch aus Le naturaliste einen geeigneten Icon rauskopieren! Gerade merke ich, dass ich das nicht hinbekomme - ich kann ihn nicht mal in mein Bildersilo kopieren! Also: hier stehen drei Chapeau´s! ;)


So eine schöne sorgfältig recherchierte und dokumentierte Arbeit sieht man ja nicht alle Tage hier. Und dann noch die Dünnschichtchromatographie dazu.
In den Link habe ich auch voller Ehrfurcht reingeschaut: Da sieht man erst, was für eine Riesenarbeit dahinter steckt um bei den Flechten eine sichere Bestimmung zu machen. Die Liste der zitierten Literatur wäre angemessen für eine Monographie von 500 Seiten. Unglaublich, was die beiden Wissenschaftler in Graz bewältigt haben.

Und schön, dass Du Dich so reingekniet hast! Also nochmal: Chapeau!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Siggi O.

#2
Hallo Ralf,

ich halte mich mit Kommentaren bei den hier veröffentlichen Fotos ja immer zurück.
Würde ich die wunderschönen Fotos alle kommentieren, wäre ich auch schon ein Hero Member.

Aber in diesem Fall kann ich mich den Worten von Klaus nur anschließen und Dir gratulieren.

Steht die Färbung der Flechten in direktem Zusammenhang mit der Bestimmung mittels Reagenzien,
wie Kalilauge, Natriumhypochlorit, para-Phenylendiamin oder Jod-Lösung, oder sind dies getrennte Vorgänge?
Also erst bestimmen mit besagten Lösungen und danach färben?

Viele Grüße
Siggi

Gerne per Du!
Vorstellung: Hier klicken!

Oliver S.

Zitat von: Ralf in Januar 10, 2010, 11:41:00 VORMITTAG
Liebe Flechtenfreunde,

Innerhalb der Gattung Cetrelia gibt es in Europa 4 verschiedene chemische Rassen, die äußerlich nicht zu unterscheiden sind. Die Zuordnung erfolgt vielmehr anhand einer dünnschichtchromatographischsen Analyse der Flechteninhaltsstoffe...

Lieber Ralf,
woher weiß man denn eigentlich, dass es sich wirklich um vier unerschiedliche Rassen und nicht nur um vier verschiedene "Antworten" einer Rasse auf unterschiedliche abiotische Faktoren handelt. Ich frage deshalb, weil ja viele Pflanzen bestimmte sekundäre Stoffe (z.B. Phytoalexine) nur unter bestimmten Bedingungen bilden. Auch von der normalen Karotte ist ja z.B. bekannt, dass sie bei "grober" Behandlung Bitterstoffe bildet, die sie normalerweise nicht enthält.
Herzliche Grüße und vielen Dank für den netten, interessanten Beitrag
Oliver
(gern per "Du" )

Bernhard Kaiser

#4
Hallo Ralf,

das sind aussagekräftige Flechtenaufnahmen und Erklärungen vom Feinsten. Die Chromatogramme verraten den Chemiker.

Herzliche Grüße
Bernhard K.

Ralf

Hallo

vielen Dank an alle für die Blumen.

@ Siggi: Die Reagenzien wie Kalilauge, Natriumhypochlorit, para-Phenylendiamin kann man nur zur Bestimmung brauchen. Sie reagieren chemisch mit den Flechteninhaltsstoffen und ergeben so eine charakteristische Färbung. Schnitte oder Asci kann man damit nicht färbren.
Also erst bestimmen mit besagten Lösungen und danach färben!

@ Oliver: Ich glaube, dass es sich deshalb um 4 verschiedene Rassen handelt, weil die Flechtensäuren immer nur in bestimmten (rassespezifischen) Kombinationen auftreten. Beispielsweise ist noch nie eine Cetrelia mit Olivetol- und Imbricarsäure gefunden worden.

Oliver S.

Zitat von: Ralf in Januar 10, 2010, 19:08:57 NACHMITTAGS
...

@ Oliver: Ich glaube, dass es sich deshalb um 4 verschiedene Rassen handelt, weil die Flechtensäuren immer nur in bestimmten (rassespezifischen) Kombinationen auftreten. Beispielsweise ist noch nie eine Cetrelia mit Olivetol- und Imbricarsäure gefunden worden.

Hallo Ralf
ist es denn ausgeschlossen, dass eine Antwort auf einen gewissen abiotischen Reiz stets aus einer charakteristischen Kombination chemischer Stoffe besteht?
Gruß, Oliver
(gern per "Du" )

Ralf

Hallo Oliver,


mit einer seriösen Antwort bin ich hier überfordert, denn so gut kenne ich mich in der Biologie nicht aus.

Ich kann mir aber vorstellen, dass man im Laufe der Jahre dann schon mal ein Exemplar gefunden hätte, das sowohl den Reiz für Olivetolsaüre und auch den für Imbrikarsäure erfahren hat.


beamish

Hallo Ralf,

auch ich, als bescheidener Pilzler, bin wieder mal begeistert und demütig von/vor dieser tollen Dokumentation!

Herzliche Grüße,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Oliver S.

#9
Zitat von: Ralf in Januar 10, 2010, 20:13:44 NACHMITTAGS
Hallo Oliver,


mit einer seriösen Antwort bin ich hier überfordert, denn so gut kenne ich mich in der Biologie nicht aus.

Ich kann mir aber vorstellen, dass man im Laufe der Jahre dann schon mal ein Exemplar gefunden hätte, das sowohl den Reiz für Olivetolsaüre und auch den für Imbrikarsäure erfahren hat.



Hallo Ralf,
eine Ampel zeigt ja auch nie gleichzeitig Rot und Grün an (d.h. es könnte einen Reiz geben, der Olivetolsäure unterdrückt wenn Imbrikarsäure exprimiert wird).
Aber ich vermute, es ist längst erwiesen, dass eine Flechte ihren Stoffwechsel nicht in dieser Weise an Umweltreize anpassen kann und die Existenz chemischer Rassen damit  bewiesen.

Viele Grüße, Oliver
(gern per "Du" )