Dumme Fragen zur Kieselsäure in Diatomeen

Begonnen von spectator, März 10, 2022, 11:01:20 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

spectator

Hallo liebe Wissende,

uns allen ist bekannt, daß das Skelett der Diatomeen aus Kieselsäure, das der Foraminiferen größtenteils aus Calciumcarbonat besteht.
Nun haben es die Foramis damit recht einfach, denn Calciumcarbonat und erst recht -hydrogencarbonat sind in Wasser gar nicht so schlecht löslich, siehe Wasserhärte.
Offensichtlich muß Kieselsäure ja auch wasserlöslich sein, aber in meinen uralten Büchern aus dem Chemiestudium fand ich keine brauchbaren Angaben über die Löslichkeit bei niedrigen Temperaturen. Jetzt im Frühjahr haben wir ja eine Massenentwicklung von Diatomeen (Algenblüte), und das bei Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt. Wieviel Kieselsäure löst sich bei diesen Temperaturen, bzw. wieviele Liter gesättigtes Wasser braucht eine einzige Kieselalge, um ihre Schalen aufzubauen?
Das führt zwangsläufig zur nächsten Frage: Wieviel wiegt eigentlich eine einzelne Diatomee? Wir freuen uns an den schönen Bildern unserer Meister-Fotografen und an den REM-Aufnahmen, doch diese zeigen uns auch, daß die präparierten Diatomeen in der Hauptsache aus "NICHTS" bestehen mit einem Netz äußerst filigraner Brücken. Das Volumen und damit die Masse dieses Netzwerkes dürfte sich sehr schwer bestimmen lassen, und wiegen ( oder wägen ) düfte gleichfalls problematisch sein.
Und schon ergibt sich die nächste Frage: In der lebenden Kieselalge liegt das Skelett zweifellos als Kieselsäure vor. Wie ist das aber im fertigen Präparat? Bei Diatomeen, die geglüht wurden, dürfte sich die dabei Kieselsäure zersetzt haben, und es liegt das Anhydrid Quarz (Siliziumdioxid) vor. Wie ist das bei Kieselalgen, die chemisch mittels Säuren aufgeschlossen wurden ?
Dies sind zweifellos Fragen, deren Beantwortung alles andere als wichtig ist, und: "Ein Narr kann mehr Fragen stellen, als zehn Weise beantworten können."  Aber vielleicht sind hier doch mehr als 10 Weise versammelt...

Mit fragenden Grüßen

Helmut
Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluß der Welt!

Rene

Das ist überhaupt keine dumme Frage, Helmut.
Um es so einfach wie möglich zu halten: Die Konzentration von Kieselsäure im Meerwasser liegt zwischen 1 (ozeanisch) und 100 (küstennah) Mikromol pro Liter, also zwischen 0,014 und 1,4 mg/l. Das ist in der Tat ziemlich wenig, aber es wird durch die Auflösung aus dem Sediment ständig aufgefüllt.
Eine schnelle Suche ergibt, dass die Menge an Kieselsäure in einem Kieselalgen-Skelett bei einer durchschnittlich großen Craspedostauros etwa 300 Femtomol beträgt (https://www.nature.com/articles/s41598-020-76318-5). Das ergibt eine maximale Anzahl von etwa 3.000.000 Zellen pro Liter im offenen Ozean.

Goldalgen wie Kieselalgen können unter kälteren Bedingungen besser wachsen als Chlorophyten und dergleichen. Im Frühjahr findet ein Wettlauf statt, um die Kieselsäure so schnell wie möglich aus dem Wasser zu entfernen. Nach der Frühjahrsblüte ist die Kieselsäure aus dem offenen Wasser verbraucht, und die Frühjahrsblüte bricht zusammen. Nach der Durchmischung des kieselsäurereichen Bodenwassers (in der Regel im Herbst) kann eine zweite Blüte einsetzen. In Küstenregionen wird der Kieselsäuregehalt ständig aufgefüllt, um eine kontinuierliche Kieselalgenflora zu erhalten.

Einige Daten zur Auflösung und Verfügbarkeit von Kieselsäure finden Sie unter https://en.wikipedia.org/wiki/Biogenic_silica#Marine_biogenic_silica_budget

Herzliche Grüße, René


Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

piu58

Die Diatomeen bestehen übrigens nicht aus Kieselsäure  H4SiO4, sondern  aus Siliziumdioxid SiO2. Wenn man aus einem Mol Kieselsäure 2 Mol Wasser abspaltet, dann geht dies in das Oxid über. Siliziumdioxid wrd deshlab auch als Kieselsäure-Anhydrid bezeiechnet, ebenso wie Schwefeltrioxid das Schwefelsäure-Anhydrid ist.

Sand ist weitgehend Siliziumdioxid, der recht saubere Sand für die Glasherstellung sogar fast ausschließlich.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

plaenerdd

Hallo,
die Hauptquellen für freie Kieselsäure (Monokieselsäure) ist die Verwitterung von Silikaten (z.B. Feldspäte). Das Siliciumoxid des Quarzsandes ist kaum mehr als Quelle verfügbar. Das ist an der Erdoberfläche das "Endproduckt".
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

hebi19

Hallo Helmut und Ihr Anderen

Ich bin dem Thema schon mal bei den Meeresaquarianern begegnet - eines meiner Patenkinder hat sich zu einem solchen entwickelt....

In der Meerwasseraquaristik bereitet man das Wasser durch Zumischung ALLER notwendigen Salze in Osmose-Wasser. Da die freie Kieselsäure aber bei der Umkehrosmose im Gegensatz zu (Hydrogen-)Carbonaten nicht entfernt wird schicken viele das nach der Umkehrosmose noch durch ein Vollentsalzer-Harz (Mischbett-Harz). Durch die vorgeschaltete Umkehrosmose hält das Harz natürlich Dimensionen länger. Sinn davon ist genau eine Kieselalgenblüte zu unterbinden durch den Mangel an Kieselsäure. Da davon aber - und vor allem von den ganzen Carbonaten - die gepflegten Korallen und Schwämme aber doch ein wenig brauchen wird eine definierte Menge dann wieder zugemischt - zusätzlich zur Meersalzmischung.

Ein Linkbeispiel:  https://www.faunamarin.de/wissensdatenbank/siliziumsilikat/
wobei man mit Tante google noch jede Menge zusätzlich findet.

Die Ausführungen von Rene finde ich ganz außergewöhnlich interessant - vielen Dank dafür
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

PolMik

Hallo Helmut,
ich möchte Gerd und piu58 noch ergänzen. Das SiO2 der Schalen liegt nicht in seiner kristallinen Form, wie zum Beispiel in Quarz vor, sondern amorph. Also ähnlich Opal oder auch Feuerstein (Flint).
LG
Michael

hebi19

Zitat von: PolMik in März 11, 2022, 15:58:13 NACHMITTAGS
Also ähnlich Opal oder auch Feuerstein (Flint).

....oder eben "ähnlich Glas".....auch eine amorphe Form von Siliziumdioxid.
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Bob

Hallo zusammen,
das ist wirklich eine interessante Fragestellung. Wenn man die Sache anders herum als der Aquarianer angehen möchte und sich über Kieselalgen freut - was müsste man seinem Tümpelaquarium zufügen?

Viele Grüße,

Bob

deBult

Look at this on eBay
Liquid Silicate Solution For Culturing Diatom Algae

https://www.ebay.nl/itm/Liquid-Silicate-Solution-For-Culturing-Diatom-Algae-/222757407913

May not ship to Germany.

Best, Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).

Florian D.

Man könnte wohl auch einfach Wasserglas (Natriumsilikat) aus dem Baumarkt nehmen. Ein paar Tropfen pro L sollten mehr als genug sein.

Viele Grüsse
Florian

hebi19

#10
Ich gehe mal davon aus, dass Leitungswasser ausreicht - auf jeden Fall wenn tatsächlich das zutrifft:
"Es ist zudem üblich, dass dem Leitungswasser Silikate zum Korrosionsschutz der Leitungswassernetze zugefügt werden."
(aus dem von mir geposteten link)

Oder man mischt passendes Mineralwasser bei - z.B.:
https://www.koenig-otto-sprudel.de/de/neue-otto-quelle/
"Die Neue Otto Quelle ist ein wahres Naturphänomen und mit 103 mg/l Kieselsäure wahrscheinlich eines der siliziumsreichsten Mineralwasservorkommen über die Grenzen Bayerns hinaus"

Zumischung von 10% bis 40% dürfte vom Silikatgehalt dann für eine Diatomeen-Blüte ausreichen.......

Edit:
Ich habe noch etwas nachgerechnet - der "König-Otto-Sprudel" hat mit 103 mg/l also 103 ppm. Das von Maarten verlinkte Mittelchen kommt bei Anwendung wie angegeben 3,5 ml auf 1 l dann auf 105 ppm. Der Sprudel unverdünnt hat also den gleichen Silikatgehalt wie eine Kulturlösung mit dem Mittelchen nach Anleitung.

nochmal Edit:
Habe jetzt auch "für den deutschen Markt" ein "Mittelchen" gefunden - nicht ganz so schön dokumentiert wie das von Maarten:
https://plankton-welt.de/produkt/silikatloesung-fuer-braun-kieselalgen/
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

deBult

#11
Tap water may suffice to START a culture, as an aquarium hobbyist i can confirm one of the algae you encounter when starting a NEW aquarium with tap water are diatoms ("brown"), they (nearly always) disappear after 2-3 weeks.

Actually in my last 3 new tanks I (fortunately) did not have a start diatom population, so no pictures here, sorry.

Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).