Microthorax sp. oder Leptopharynx costatus

Begonnen von SNoK, März 14, 2022, 23:07:45 NACHMITTAGS

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SNoK

Nachtrag: Wie aus den Beiträgen unten ersichtlich, könnte es sich auch um Leptopharynx costatus handeln. Ich habe deshalb zumindest schon mal den Betreff angepasst.


Liebe Foristen,

eigentlich wollte ich heute was ganz Anderes machen, aber die Pipette versank erneut im Moos aus dem Taunus, und heraus kam ein kleiner, 37,5 µm großer Ciliat, an dem ich mir etwas die Zähne ausgebissen habe. Letztlich bin ich nach Kahl (1931) auf Microthorax gekommen, ohne die Art angeben zu können. Kahl zeigt auf S. 307, Fig. 52/24 ein Tierchen, das meinem noch am nächsten kommt. Eine Art gibt er nicht an, sondern schreibt: "Ähnliche von mir beobachtete Moosform; in dem frontalen Vorsprung ein Bündel Stäbchen (Schlund oder Trc.?)". Welcher Art diese ähnlich sein soll, ist mir nicht klar, vielleicht der vorherigen im Buch, M. scutiformis.

Ich zeige nur drei Bilder, obwohl ich viel mehr habe.

Bild 1 zeigt die Zacken (Z), anhand derer ich mich für Microthorax entschieden habe.
Bild 2 zeigt die zwei für Microthorax typischen kontraktieln Vakuolen (cV) und vielleicht eine Nahrungsvakuole (Nv) und dem Macronukleus (Ma).
Bild 3 zeigt die von Kahl beschriebenen Stäbchen (St), von denen er nicht genau weiß, was das ist.

Wie immer, lasse ich mich gerne belehren, würde mich aber freuen, wenn Microthorax bestätigt wird.

Grüße und viel Spaß beim Schauen,
Stephan

Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
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Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

#1
Hallo Stephan,

du bist ja schon wieder sehr aktiv.
Beeindruckend, was du aus diesen kleinen Tierchen an Details herausholst.

Zu deiner schon recht spezialisierten Bestimmung kann ich fachlich kaum etwas beitragen.
Ich habe einfach mal deine Angaben im Kahl nachgeschaut, scheint wohl die einzig in Frage kommende Microthorax-Art zu sein, vor allem wegen der Stäbchen. Interessanterweise haben sie nichts mit dem Mundfeld zu tun, der bei dieser Gattung am ventralen Hinterende liegt. Ist das die kleine Einbuchtung neben der Nahrungsvakuole?

Bei Foissner (III/478) ist auch eine Microthorax-Art beschrieben, die bis auf die Stäbchen deinem Exemplar ähnlich sieht.

Liebe Grüße
KlausZ

PS:
Hast die Art extra isoliert oder einfach gewartet bis die Schichtdicke dünn genug ist.
Mit welchem Objektiv wurden die Aufnahmen gemacht?
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Ole Riemann

Lieber Stephan,

danke für die schönen Aufnahmen - und toll, dass Du in Deinen Moosproben so viele Arten findest.

Bei der Bestimmung würde ich eher auf Leptopharynx costatus tippen (siehe die Foissner-Bände, III, S. 460 und Angaben zur Synonymie). Die Stäbchen stellen nach meiner Interpretation zarte Reusenelemente dar. Charakteristisch ist eine große Vakuole, die gemäß Foissner der Defäkation dient.

Bei meinen Beobachtungen habe ich - denke ich zumindest - die gleiche Art gefunden. Wie auch bei Deinem Exemplar fallen spindelförmige Extrusome auf:



Vielleicht gibt Martin ja noch die entscheidenden Hinweise oder korrigiert uns.

Schöne Grüße

Ole

Martin Kreutz

Hallo Stepahn,

ich stimme Ole zu, das es sich hier um Leptopharynx costatus handelt. Mit Ausnahme von Microthorax scutiformis haben alle Microthorax Arten keine Reuse, fallen also weg. Microthorax scutiformis kann es jedoch auch nicht sein, weil bei dieser Art die Reuse in einem schnauzenförmigen Fortsatz sitzt und weil diese Art keine Extrusomen besitzt. Alle sichtbaren Merkmale auf Deinen Fotos sprechen für Leptopharynx costatus. Vielleicht hast Du noch Fotos von der rechten Seite. Hier sollten zwei gebogene Wimpernreihen sichtbar sein, in denen paarig angeordnete Cilien aus deutlichen Poren entspringen. Ich habe Dir ein Bild der rechten Seite angehängt:



Ich habe diese Art, als ich sie zum ersten Mal gefunden habe, ebenfalls für Microthorax gehalten, weil ich anfangs die Reuse übersehen habe. Die Reusenstäbe sind nur sehr zart und nicht so offensichtlich sichtbar wie bei Nassula. Auf Deinen Fotos hast Du die Reuse jedoch gut getroffen.

Martin

SNoK

#4
Lieber Ole, lieber Martin,

Ihr seid mir etwas zuvorgekommen, denn heute früh bin ich auch noch mal durch die Bücher gegangen und bei Leptopharynx gelandet. Ich wollte das gerade ergänzen, aber da waren Eure Beiträge schon im eingegangen.

Dennoch habe ich einige Fragen. Gegen Microthorax spricht, dass ich auf keinem der rund 50 durchfokussierten Bilder am Körperende einen Oralapparat gesehen habe. Allerdings finde ich, dass die "Stäbchen" am oberen Ende wie ein solcher aussieht, und Kahl scheint ja auch nicht abgeneigt, das anzunehmen (Band 2, S. 307, letzte Zeile) und bei M. scutiformis schreibt er ebenfalls, dass er den hinten liegenden Oralapparat nicht entdecken konnte, und deswegen vermutet, dass der Vorsprung vorne einer sein könnte (S. 308).  Wenzel (1966) spricht bei den Stäbchen übrigens von Trichiten (S. 13 und 51 Fußnote).

Was mich bei Leptopharynx etwas skeptisch macht, ist, dass ich keinerlei Rippen, die von den Zähnen ausgehen, gesehen habe. Allerdings habe ich das Tier nur von einer Seite beobachten können. Bei der geringen Schichtdicke wollte es sich partout nicht drehen. Vielleicht waren sie auf der anderen Seite. Allerdings habe ich auch beim Durchfokussieren nichts gesehen. Und dann gibt Foissner auch nur eine kontraktile Vakuole an + die Nahrungsvakuole. Bei mir waren es ganz eindeutig zwei, die immer pumpten, das ist ja auf einem Bild auch zu sehen. Die andere große Vakuole kann für nicht verdaute Nahrungsbestandteile sein, Foissner spricht von After/Cytopyge (Band III. S. 462). Sie war absolut statisch und pumpte nicht.

Martin, wo hast Du gelesen oder gesehen, dass M. scutiformis keine Extrusomen hat?

Also sind einige Fragen offen. Aber zwei gegen einen, wenn Ihr Leptopharynx sagt (-;

Ich hänge noch zwei Bilder an, wo ich durchfokussiert habe.

Grüße
Stephan
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Martin Kreutz

Hallo Stephan,

immer diese bohrenden Fragen  ;)! Tatsächlich erwähnen weder Penard in "Etude de douce" noch Kahl die Anwesenheit von Extrusomen und ich habe deren Abwesenheit geschlussfolgert, weil insbesondere Kahl die Anwesenheit von Extrusomen eigentlich immer erwähnt und oder zeichnet. Dies hat er für die Art Microthorax scutiformis nicht getan (und Penard erwähnt auch keine).

Ich sehe, dass Du von der Bestimmung Microthorax scutiformis noch nicht loslassen willst. Das ist gut so, denn lieber zuviel prüfen als vorschnell festlegen! Deshalb habe ich mir jetzt nochmal Penards Orginalbeschreibung in seinem Werk "Eau de douce" und Kahls Beschreibung genau angesehen. Penard hat nur 2 "schnell auf das Papier geworfene Skizzen" angefertigt, die Kahl in Abb. 22 und 23 auf S. 307 übernommen hat. Auf diesen Skizzen ist keine Reuse als Mundöffnung eingezeichnet und Penard erwähnt auch keine. Statt dessen ist am Hinterende vorhandene Einbuchtung gezeichnet, wo bei allen Microthotax-Arten die Mundöffnung lokalisiert ist und Penard schreibt "Mundfenster klein, links und fast endständig". D.h., Penard hat eine Art mit typischen Microthorax Merkmalen gezeichnet. Verwirrend ist nun, das Kahl die Abb. 24 auf S. 307 hinzugefügt hat, welche die gleiche Art zeigen soll, er dazu jedoch schreibt: "Fig. 24 gibt ein von mir nur vereinzelt in Moosen getroffenes Infusor, das ich nicht genau beobachten konnte. Besonders auffallend ist der Vorsprung hinter der Stirn, der nicht spitz war und lange Stäbe enthielt, so daß ich ihn für einen Schlund ansprach, während ich den hinten liegenden Md. nicht entdecken konnte". Er schreibt dies so, als wenn er hier eine andere Art beschreibt, die er aber unter M. scutiformis erwähnt. Man muss jedoch davon ausgehen, dass diese Beschreibung und die Abb. 24 nicht typisch für M. scutiformis sind, denn er erwähnt, dass ein hinten liegender Mund vorhanden sein müsste (den er nicht gefunden hat).

Daher sieht es für mich so aus, dass Microthorax scutiformis eine hinten liegende Mundöffnung in der Microthorax typischen Einbuchtung haben muss und keine Reuse. Weil Du die Reuse bei Deinem Fund jedoch gut sehen konntest, und keine hintere Einbuchtung, halte ich die Zuordung Lepthopharynx weiterhin für richtig, es sei denn, auf weiteren Fotos von Dir wäre diese zu sehen.

Schönen Abend

Martin

SNoK

Lieber Martín,

es geht ins Detail, gut so. Ich werde morgen noch mal im Moos suchen, ob ich noch so ein Tierchen finde. Deshalb im Moment nur ein paar Anmerkungen. PENARD erwähnt bei den anderen Microthorax-Arten meist, ob sie Trichocysten haben oder nicht. Aber bei M. scutiformis sagt er gar nichts. Zu klein, nicht geschaut, oder heißt es, es gibt keine? Allerdings sind beim meinem Tier die Trixhocysten sehr deutlich, die hätte PENARD dann sicher gesehen.

Die Abb. 24 bei Kahl ist in der Tat verwirrend. Aber eine Frage bleit noch: mein Tierchen hat zwei kontraktile Vakuolen, Leptopharynx wohl nur eine.

Grüße und vielleicht morgen mehr,
Stephan
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SNoK

#7
Lieber Martin, lieber Ole,

heute bin ich noch mal tief ins Moos eingetaucht und habe die Tierchen wiedergefunden, allerdings offenbar verschiedene. Das eine ist Leptopharynx costatus, wie von Euch beschrieben, wieder 37,5 µm lang. Diesmal gut zu sehen, weil es andersrum lag. Aber dann wuselte da noch ein Tierchen in verschiedenen Exemplaren und Größen (plus minus 30 µm) herum. Das habe ich nicht so gut hinbekommen, aber man sieht an einem Bild, dass dort eine große Rinne auf einer Seite ist, und vielleicht am Ende ein Ausgang. Allerdings sieht es auf einem Bild so aus, als ob dort auch in der Mitte eine Mundöffnung ist, wie bei Leptopharynx.

Grüße
Stephan

Bild 1 Leptophayrynx costatus mit den gut erkennbaren drei Zähnen
Bild 2 Leptopharynx costatus mit den von Martin erwähnten Wimpernreihen
Bild 3 Leptopharynx costatus, die Mundöffnung mit den Stäbchen
Bild 2 und 4 "was anderes"?
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Martin Kreutz

Hallo Stephan,

nun scheint also sicher, dass Du Leptopharynx costatus gefunden hast und nicht Microthorax scutiformis. Was mich allerding irritiert ist insbesondere die zweite Aufnahme. Sie zeigt die zwei gebogenen Wimpernreihen, die sich auf der rechten Körperseite befinden. Deine Aufnahme scheint spiegelverkehrt oder durchfokussiert, denn hier sieht es so aus, als wenn diese Wimperreihen links wären. Kahl hat diese Art als Trichopelma sphagnetorum auf S. 302 dargestellt, von beiden Seiten. Deine Darstellung weicht davon ab.

Die zweite Art ist ganz sicher Drepanomonas. Der Mund liegt in der Mitte. Wichtig wäre nun zu wissen, welche Seite Du zeigst, insbesondere bei der letzten Aufnahme. Diese zeigt eine charakteristische Furche. Wenn es die linke Seite ist, dann handelt es sich um Drepanomonas revoluta. Eigentlich wäre Drepanomonas shagni als typische Moosform naherliegend gewesen, aber diese Art soll auf der linken Seite keine Furche besitzen.

Ich möchte noch erwähnen, dass die Bezeichnung der Körperseiten bei Leptopharynx als auch bei Drepanonomas eigentlich nicht links und rechts ist, sondern ventral und dorsal. Dies liegt daran, dass die Mundöffnung bei diesen Arten schräg sitzt. Kahl hat zur Verdeutlichung auf S. 302 die Abbildungen 1c und 3c eingefügt. Die von mir als rechts bezeichnete Seite ist die ventrale. Obwohl ich das weiß, verwende ich zwecks Anschaulichkeit bei diesen flachen Viechern gerne rechts und links.

Wenn man sich also in die Abgründe die Artbestimmung begibt, sollte man angeben, welche Seite man sieht. Ich selbst muss da auch aufpassen, weil ich einen Spiegel im Strahlengang habe und daher alle meine Bilder immer mit PS "zurückspiegeln" muss.

Martin

SNoK

Lieber Martín,

danke für die weiteren Infos. Gespiegelt ist bei mir nichts, weder im Mikroskop noch bei Photoshop. Ich habe somit durchfokussiert, denn ich hatte nur ein Exemplar, und das konnte sich wegen der geringen Schichtdicke nicht mehr drehen.

Bei dem zweiten Organismus sausten mehrere Exemplare rum, alle mit der Furche. Auf die Seite habe ich nicht wirklich geachtet. Aber im Kahl müsste es dann ja Drepanomonas revoluta sein. Kommt auch von der Größe gut hin, die bei einigen Individuen unter 30 Mikrometer war. Ich lese das bei Kahl so, dass D. sphagni überhaupt keine Furche hat...bei PENARD habe ich allerdings noch nicht nachgelesen.

Dorsal, ventral, klar, müsste ich als Biologe aus Berufsethos natürlich immer sagen. Ich schaue mal, ob ich das schaffe. Das erinnert mich an die Schule. Wenn man sagte, Norwegen liegt oben (statt nördlich), bekam man eine 5.

Wenn ich jetzt noch mal in die Moosproben schaue, finde ich bestimmt noch was anderes. Das nimmt kein Ende (-;

Grüße
Stephan
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