Interessante Pilzfunde 69 - Scharfer Rötelritterling

Begonnen von Bernd Miggel, Mai 16, 2023, 14:37:58 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Rötelritterlinge (Gattung Lepista) sind saprobiontisch lebende Lamellenpilze mit Ritterlings- oder Trichterlings-Habitus, vom Hutfleisch leicht ablösbaren Lamellen, weißem, cremefarbenem bis rosalichem Sporenpulver, feinwarzigen, nicht amyloiden, jedoch cyanophilen Sporen. An den Hyphensepten und an der Basidienbasis sind Schnallen vorhanden.
Der hier vorgestellte Scharfe Rötelritterling (Lepista ricekii) ist eine Art, die bevorzugt im Bergnadelwald, und zwar bereits ab Mai, wächst. Sie wird in Deutschland nur sehr selten gefunden und ist in der Roten Liste Pilze (2016) in der Kategorie ,,R" = Extrem selten geführt. Der Schwarzwald stellt anscheinend einen Verbreitungsschwerpunkt dar. 
Diesen Fund machte der Mykol. Arbeitskreis Hornberg im Mai 2023 im Mittleren Schwarzwald, und zwar in einem Nadelmischwald über Granit auf ca. 800 m ü. N. Die Exemplare wuchsen in Ringen und Reihen zwischen Großem Kranzmoos, Rotstängelmoos und Schlafmoos (Bild 1).

Dieses Bild wurde freundlicherweise von Alexander Reichert zur Verfügung gestellt.

Bernd Miggel

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#1
Makroskopische Merkmale

Es handelt sich um eine mittelgroße Art mit Hutbreiten bis zu 10 cm. Die Hüte sind auffallend weiß (,,kalkweiß"), in reifem Zustand meist flach oder leicht gewölbt. Sie sind glatt und nicht hygrophan. Der Hutrand ist im jungen Zustand deutlich eingerollt.
Die Lamellen stehen sehr dicht, sind stark mit Lamelletten untermischt, von der Farbe her cremefarben bis hellbräunlich, bogig geformt und laufen etwas am Stiel herab. Vom Hutfleisch lassen sie sich leicht ablösen.
Die Stiele sind hell bräunlich und im Basalbereich oft auffallend keulig bis knollig verdickt. Der reichlich vorhandene Basalfilz ist weiß.
Das weißliche bis hellbräunliche Fleisch ist stark brüchig, wie man es etwa vom Mehlräsling (Clitopilus prunulus) her kennt.

Den Geruch empfand ich als sehr schwach nach Mehl bzw. angeschnittener Gurke und etwas ,,scharf".
Der Geschmack war für mich anfangs mild und wurde mit der Zeit deutlich, aber erträglich scharf. Außerdem machte sich im Hals ein deutliches Kratzen breit. Dieses Geschmacksempfinden hielt sich noch über Stunden.

Frisch ausgefallener Sporenstaub ist  creme mit leichtem Rosastich.


Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind breit ellipsoid bis ellipsoid und mit einer feinen Ornamentation versehen. Ob es sich bei den Ornamenten um Warzen oder Stacheln handelt, lässt sich auf Grund der geringen Auflösung des Lichtmikroskops nicht feststellen.
Es wurden mehrewre Stichproben ausgemessen. Insgesamt ergaben sich bei 95-prozentigem Vertrauensintervall folgende Werte (mit Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad L/B, V Volumen):
L x B = 3,5-4,7 x 2,8-3,7 µm        Q = 1,21-1,31        V = 18-26 µm3

Die folgenden Bilder zeigen Sporenproben in unterschiedlichen Reagenzien

Bernd Miggel

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#2
Die Huthaut setzt sich aus mehr oder weniger liegenden, verflochtenen Hyphen von 3 bis 8 µm Breite zusammen. Die Hyphen sind dünnwandig und besitzen Schnallen an den Septen. Das folgende Bild zeigt einen Radialschnitt der Huthaut, wobei die Pfeile auf Schnallen zeigen.

Bernd Miggel

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#3
Notizen
•    Möglicherweise ist die Einstufung des Scharfen Rötelritterlings als extrem selten auch darauf zurückzuführen, dass er in der Vergangenheit oft als Dichtblättrieger Rötelritterling (Lepista densifolia) fehlbestimmt wurde.


Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen weißhütigen Lamellenpilzen
•    Der Dichtblättrige Rötelritterling (Lepista densifolia) ist ein Pilz des Spätherbstes, der Hut reifer Exemplare ist trichterartig vertieft, und der Geschmack ist mehr oder weniger mild, jedenfalls nicht scharf.
•    Der Laubfreund-Trichterling (Clitocybe phyllophila) ist unserer Art ebenfalls sehr ähnlich. Er wächst allerdings im Herbst und seine Lamellen stehen nicht so dicht beieinander wie beim Scharfen Rötelritterling. Außerdem sind beim Laubfreund-Trichterling die Lamellen mit dem Hutfleisch verwachsen, und die Sporen völlig glatt.
•    Der Mehlräsling (Clitopilus prunulus) riecht und schmeckt stark nach Mehl bzw. geschnittener Gurke. Seine Lamellen sind bei reifen Fruchtkörpern rosa.


Verwendete Literatur
•    BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3: Nr. 249.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3. Ständerpilze: Blätterpilze I: 297-298.
•    LUDWIG, E. (2001): Pilzkompendium Bd. 1: Nr. 40.3 (Textband: 245-246, Bildband: 68, Tafel 66).
•    https://fundkorb.de/pilze/lepista-ricekii-scharfer-r%C3%B6telritterling


Viel Vergnügen beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729