Interessante Pilzfunde 46 - Purpurbrauner Filzröhrling

Begonnen von Bernd Miggel, Juli 09, 2022, 14:16:59 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Eckdaten des Fundes:
  • Pilzart: Purpurbrauner Filzröhrling (Xerocomus silwoodensis)
  • Funddatum: 8.7.2022
  • Fundort Streuobstwiese, Waldrandbereich, Gemeinde Karlsbad-Spielberg, Baden-Württemberg
  • Begleitbäume: Zitterpappeln, 1 Weide, 1 kleine Roterle
  • Boden: Pseudovergleyte Parabraunerde und Pseudogley-Parabraunerde aus lösslehmreichen Fließerden und Lösslehm; feuchter Standort
  • Belegnummer: Miggel div22003,sow


Der Fund:

Auf einer Fläche von ca. 1 qm fand ich im Gras einer Streuobstwiese am Waldrand sieben Fruchtkörper unterschiedlichen Alters.  In fünf Metern Entfernung beginnt dort ein kleiner Espenhain. Außerdem stehen in acht Metern Entfernung eine Weide und eine junge Roterle:


Bild 1 - Eine kleine Gruppe der beschriebenen Pilzart am Fundort.



Bild 2 - Man erkennt hier sehr schön die Stielflockung und das grobe Stielnetz.

Die Hüte sind bis 63 mm im Durchmesser, trocken, filzig, braun (dunkel rotbraun, braun, olivbraun), matt bis schwach glänzend.
Die Huthaut ist rel. dick und hutfarben.
Die Stiele sind gleichdick oder im unteren Drittel keulig verdickt, basal typischerweise ausspitzend, bis 60 x 12 mm, keulige Verdickung bis 20 mm im Durchmesser.
Die Stiele fein braun geflockt, außerdem in der oberen Stielhälfte (oder auch auf dem gesamten Stiel) bis in die Spitze hinein sehr deutlich grob genetzt mit erhabenen, bis 0,5 mm hohen Rippen. Die Farbe dieser Ornamentierung ist braun, apikal jedoch intensiv gelb!
Das Basalmyzel ist intensiv gelb (leider in den Bildern nicht sichtbar).
Die Röhren und Röhrenmündungen sind intensiv grünlich gelb bis gelb, die Poren weitstehend. Bei Druck bleibt die Farbe von Röhren und Poren unverändert!
Das Fleisch ist im Stiel reinweiß, im Hut cremeweiß (nicht gelb!), mit leichter Tendenz zu gilben. Madengänge sind rotbraun.
Geruch schwach "pilzig", Geschmack mild, angenehm, wie Steinpilze.



Bild 3 - Fruchtkörper im Schnitt: brauner Hut, intensiv gelbe Poren, grob genetzter Stiel.



Bild 4 - Fruchtkörper im Schnitt: dicke, hutfarbene Huthaut, gelbe Röhren, weißes, im Hutbereich ganz schwach gilbendes Fleisch. Farbe der Röhren und des Fleisches verfärben sich niemals in Richtung Blau!



Bild 5 - links: olivbraune, trockne, matte Hutoberfläche; rechts; weite, grünlichgelbe, nicht verfärbende Poren.



Bild 6 - Stiel im Schnitt. Oben weißes, gilbendes, in den Madengängen gelblich bis braun verfärbendes Fleisch; unten die grob netzige Stieloberfläche und die ausspitzende Stielbasis.



Der Sporenstaub ist olivbraun.
Die Sporen sind spindelförmig, mit subapikularer Depression (Eindellung unterhalb des Apikulus), rel. dickwandig.
Die gemessenen Werte in KOH 3% betrugen (95-prozentiges Vertrauensintervall, Stichprobe aus 20 repräsentativen Sporen):
(Mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L/B, V Volumen, Index av Average (Durchschnitt)):
L x B = 9,8-12,0 x 4,4-5,2 µm    Lav x Bav = 10,7-11,2 x 4,7-4,9 µm    Qav = 2,23-2,35    Vav = 125-135 µm3

Eine Vergleichsmessung in Wasser ergab für eine Stichprobe aus 30 repräsentativen Sporen):
L x B = 10,0-12,5 x 4,4-5,3 µm    Lav x Bav = 11,0-11,5 x 4,8-4,9 µm    Qav = 2,28-2,37    Vav = 131-145 µm3





Verwechslungsmöglichkeiten:
• Die Ziegenlippe (Xerocomus subtomentosus) ist ähnlich. Allerdings besitzt sie nur ein schwach angedeutetes Stielnetz. Auch ist ihr Basalmyzel nicht intensiv gelb, sondern cremefarben bis leicht gelblich. Zudem ist das Fleisch der Ziegenlippe nicht weiß oder weißlich, sondern deutlich gelb oder gelblich. Bei Zusammendrücken oder im Schnitt blauen bei der Ziegenlippe sowohl Fleisch als auch Röhren! Siehe dazu den Kurzbeitrag weiter unten.

Literatur
https://fundkorb.de/pilze/xerocomus-silwoodensis-purpurbrauner-filzr%C3%B6hrling


Viel Vergnügen mit dem Fundbericht!

Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

Michael L.

Hallo Bernd,

wieder ein toller Beitrag, danke!

Gruß Michael

Bernd Miggel

#2
Danke Michael!

Hier noch ein Foto der Ziegenlippe Xerocomus subtomentosus. Man erkennt gelbes Fleisch, welches im Schnitt deutlich blaut. Auch die Röhren blauen deutlich, wenn man sie drückt:




Bernd

Heiko

Hallo Bernd,

vorbildlich gemacht – ich subskribiere jetzt schon das Werk, das Du einmal herausgeben wirst.  :)

Viele Grüße,
Heiko

Bernd Miggel

Hallo Heiko,

danke für deine Bemerkungen! Ein Buch wird es definitiv nicht geben. Das ist einfach zu aufwändig.

Herzlichen Gruß
Bernd

Bernd Miggel

Hallo miteinander,

den Beitragstitel habe ich nachträglich mit einem "?" versehen, da ich im Nachhinein nicht mehr hundertprozentig mit "Xerocomus ferrugineus" einverstanden bin. Zwar sprechen Hutfarbe und Fleischfarbe des frischen Schnitts nach wie vor für diese Art; doch gibt es Merkmale, die eher an X. silwoodensis denken lassen:

  • der Fundort bei Populus tremula
  • die Gelbfärbung des Exsikkats
  • die für X. ferrugineus zu kurzen Sporen
lg - Bernd

jcs

Hallo Bernd,

wieder einmal eine sehr schöne und interessante Darstellung!

Jürgen

Bernd Miggel

#7
Hallo miteinander,

eine DNA-Analyse hat ergeben, dass es sich bei dem Fund tatsächlich um den Purpurbraunen Filzröhrling Xerocomus silwoodensis handelt. Den Titel habe ich entsprechend umgeändert. Möglicherweise ein Erstfund dieser Art für Deutschland.

lg - Bernd

Muschelbluemchen

Hallo Bernd,

danke für den interessanten Beitrag.
Die Sache mit der DNA-Analyse würde mich noch interessieren - hast du Pilzproben
dazu an ein Institut geschickt, gibt es da einen kommerziellen Anbieter, der sowas macht, ...?

Vielleicht hast du Lust dazu was zu berichten?
Danke!
LG
Leo

Bernd Miggel

Hallo Leo,

die Sequenzierung hatte nicht ich, sondern ein Bekannter in Auftrag gegeben. Welches Labor er beauftragt hatte, weiß ich allerdings nicht.
Ich selber hatte bisher DNA-Sequenzierungen in Spanien in Auftrag gegeben, bei Fa. Alvalab: http://www.alvalab.es/
Normalerweise lässt man den sogen. "ITS-Genabschnitt" sequenzieren. Kostenpunkt war, wenn ich mich recht erinnere, ca. 25,- € pro Sequenzierung.

Viele Grüße
Bernd