Hallo in die Runde,
nach dem ich im letzten Teil (
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44514.0) zehn Bauchhärlinge des Sima-Moores vorgestellt habe, die nicht zur Gattung
Chaetonotus gehören, möchte ich heute meinen Bericht mit 13 weiteren Arten der Gattung
Chaetonotus komplettieren.
Gattung Chaetonotus Ehrenberg, 1930Das Hauptmerkmal dieser Gattung ist, dass die Schuppen ihrer Mitglieder (zumindest teilweise) meist gebogenen Stacheln tragen. Stachel- oder kiellose Schuppen sind nie ausschließlich vorhanden sondern meist auf das ventrale Zwischenfeld oder das dorsale Hinterende beschränkt.
Da die meisten limnischen Gastrotrichen-Arten zu dieser Gattung, wurde sie in einige Unterarten aufgeteilt:
Untergattung Chaetonotus (Primochaetus) Kisielewski, 1997Diese Untergattung trägt hauptsächlich rundliche Schuppen, die am Hinterende eine leichte, gebogene Einbuchtung aufweisen. Die Stacheln sind relativ lang und dick und entspringen dem hinteren Ende der kiellosen Schuppen. Man nimmt an, dass diese Schuppenform der Ausgangsform für die Entwicklung der anderen Schuppenformen der Gattung
Chaetonotus ist.
Chaetonotus (Primochaetus) cordiformis (Greuter, 1917)L ca. 200µm
Bei dem Gastrotrichen
Chaetonotus cordiformis habe ich vor einiger Zeit bereits die Brutpflege beschrieben (
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35018.0 ). Deswegen werde ich hier nur kurz auf einige arttypische Merkmale eingehen.
Ch. cordiformis zeigt im Querschnitt den typischen Aufbau limnischer Gastrotrichen. Auffallend sind die relativ wenigen, langen und stark gebogenen Schuppenstacheln:
Ch. cordiformis: QuerschnittIn der Seitenansicht zeigt sich die enorme Länge der mit einer Nebenspitze versehenen Stacheln:
Ch. cordiformis: SeitenansichtDiese langen Stacheln erschweren es sehr, gute Fotos von den Tieren zu machen, da das Festlegen der Tiere mit dem Deckglas die natürliche Anordnung der Stacheln stark stört. Deshalb sollte versucht werden, das Erscheinungsbild der Tiere freischwimmend zu erfassen:
Ch. cordiformis: freischwimmendes Exemplar mit Fokus auf die SchuppenstachelnHochauflösende Aufnahmen werden erst bei etwas gepressten Tieren möglich. Erst hier wird die rundliche Schuppenform mit den mit einer Nebenspitze versehenen Schuppenstacheln sichtbar. Die Nebenspitze sitzt relativ weit von dem Stachelende der Tiere entfernt.
Ch. cordiformis: Stachelschuppen mit NebenspitzeViele der gefundenen Exemplare wiesen eigenartige kugelförmige Körper im Inneren auf, die ich für (Dauerformen? von) Parasiten halte:
Ch. cordiformis: kugelförmige EinschlüsseDie Schuppen der Tiere sind erst nach dem Ablösen gut beurteilbar. Hier erkennt man die namesgebende "Herzform" der rundlichen Schuppen mit Einbuchtung:
Ch. cordiformis: herzförmige SchuppenChaetonotus (Primochaetus) acanthocephalus (Valkanov, 1937)L ca. 140µm
Ein sehr seltener und seltsamer Bauchhärling ist der nahezu drehrunde
Chaetonotus (P) acanthocephalus mit seiner unregelmäßigen Bestachelung und den großen, runden Schuppen:
Ch. acanthocephalus: Fokus auf das dorsale SchuppenkleidVentral trägt das Tier am Kopf große kutikulare Platten die sich zum Hinterende hin in runde, kurzbestachelte Schuppen wandeln:
Ch. acanthocephalus: ventralMazeriert man das Tier mit Eisessig, wird die für die Untergattung
Primochaetus typischen Schuppenform besonders deutlich:
Ch. acanthocephalus: MazeriertChaetonotus (Primochaetus) acanthodes (Stokes, 1887)L ca. 140µm
Ein weiterer Vertreter der Untergattung
Primochaetus ist der kleine Bauchhärling
Ch. (P.) acanthodes, der durch seine deutlichen, stachellosen Schuppen mit "doppelter" Vorderkontur und einem Gürtel langer Stacheln am Hinterleib auffällt:
Ch. acanthodes: dorsale SchuppenErst in der Seitenansicht erkennt man, dass der Stachelgürtel durchgängig die Rückenseite des Tieres umfasst:
Ch. acanthodes: SeitenansichtDas ventrale Zwischenfeld ist mit ca. 8 Reihen kleiner, rundlicher Kielschuppen bedeckt. Den hinteren Abschluss bilden vier rechteckige, schmale Kielplatten:
Ch. acanthodes: ventrale BeschuppungIm Querschnitt wird klar, dass die Schuppen stark gebogen sind. Dadurch entsteht die "Doppelkontur" im optischen Schnitt. Am Pharynxeingang sitzen bei den von mir gefundenen Tieren ein bis zwei Zähne:
Ch. acanthodes: QuerschnittUntergattung Chaetonotus (Chaetonotus) (Ehrenberg, 1830)Die Untergattung
Chaetonotus umfasst Tiere mit einlappigen Schuppen mit einem hinteren Ausschnitt. Die Stacheln entspringen am Hinterende der Schuppen aus einem axialen Kiel. Diese Untergattung umfasst einen Großteil der Tiere der Gattung
Chaetonotus.
Chaetonotus (Chaetonotus) larus (Müller, 1773)L ca. 100µm
Chaetonotus (Ch.) larus ist ein sehr häufiger Gastrotrich, den ich hier nur der Vollständigkeit halber aufliste. Er ist durch die wenigen (ca. 7-9) Längsreihen dreilappiger Schuppen mit ausgezogenen distalen Lappen gekennzeichnet.

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Ch. larus: dorsalChaetonotus (Chaetonotus) multispinosus (Grünspan,1908)L ca. 80µm - 150µm
Der kleine und häufige Gastrotrich
Chaetonotus (Ch.) multispinosus ist durch die kurzbestachelten, rundlichen und am Hinterende ausgeschnittenen Schuppen gekennzeichnet:
Ch multispinosus: dorsalIm Querschnitt erkennt man die namesgebenden kurzen Stacheln. Sehr typisch ist der kurze, keulenförmige Pharynx:
Ch multispinosus: QuerschnittDas ventrale Zwischenfeld ist mit wenigen reihen rundlichen, gekielten Schuppen bedeckt. Den hinteren Abschluss bilden zwei größere, kurz bestachelte Platten , die von zwei Paaren kleiner, ebenfalls kurz bestachelter Kielschuppen eingefasst sind:
Ch multispinosus: ventralChaetonotus (Chaetonotus) hoanicus (Schwank, 1990)L ca. 210µm
Chaetonotus hoanicus ist ein sehr seltener Gastrotrich, der bisher nur von Schwank beobachtet wurde. Deshalb möchte ich ihn etwas näher beschreiben.
Das Hauptmerkmal von
Ch. hoanicus ist der abrupte Übergang von einem unbestachelten Kopfbereich zu einem relativ lang bestachelten Rücken:
Ch. hoanicus: Änderung der dorsalen BestachelungDie Beschuppung des Hals- /Kopfbereichs besteht aus nahezu runden, nur mit einem extrem kurzen - oft nur erahnbaren - Stachel, versehenen stark überlappenden Schuppen:
Ch. hoanicus: Änderung der dorsalen Beschuppung am HalsMit einem abrupten Übergang zu lang bestachelten Schuppen wird der Bereich der Rumpfbeschuppung deutlich abgetrennt. Die Rumpfschuppen sind relativ groß, grob fünf eckig und haben einen großen Ausschnitt am Hinterende. An dessen Spitze entspringen ca. 15-20 µm lange Stacheln, die distal mit einer Nebenspitze versehen sind.
Ch. hoanicus: Änderung der dorsalen Rumpf-BestachelungIn der Afterregion schließt sich ein kurzbestacheltes Feld an. In den Zehenausschnitt ragen einige auffällige, längere Stacheln.
Ch. hoanicus: Änderung der dorsalen Bestachelung der AfterregionDie genaue Schuppenform wird erst deutlich, wenn es gelingt, Schuppe abzulösen:
Ch. hoanicus: Änderung der dorsalen Einzelschuppen aus dem RückenfeldAuffällig ist die besonders ausgeprägte stimmgalbelförmige Strukturierung der Pharynxoberfläche, die die Mundhöhle mit den beiden dorsalen Pharynx-Lumina verbindet:
Ch. hoanicus: Struktur auf Pharynx-OberflächeFilmt man ein lebendes Exemplar von
Ch. hoanicus mit dem Fokus auf diese "Adern", wird eine deutliche Strömung innerhalb dieser Strukturen sichtbar, die auf eine drüsenartige Funktion hindeuten:
Ch. hoanicus: Film über Strömung in den "Pharynxadern" ( https://www.youtube.com/watch?v=tIhu4Xhe14U ) Unterart Chaetonotus (Hystricochaetonotus) (Schwank, 1990)Die Unterart
Hystricochaetonotus fasst relativ kleine Tiere zusammen, die deutlich dreilappige Schuppen mit einem deutlichen Kiel und einen langen Stachel tragen. Meist - aber nicht immer - trägt der Stachel eine bis zwei Nebenspitzen.
Chaetonotus (Hystricochaetonotus) murrayi (Remane, 1929)L ca. 165µm
Der sehr seltene Gastrotrich
Chaetonotus (H.) murrayi ist bisher nur von zwei Fundstellen (in Polen und bei Berlin) bekannt. Die starken und recht langen zweispitzigen Stacheln stehen spießförmig ab und geben dem Tier ein sehr wehrhaftes Aussehen.
Ch. murrayi: QuerschnittBesonders auffällig wird das beim Fokus auf die Rückenbestachelung:
Ch. murrayi: dorsalDie ca. 20µm langen Stacheln tragen nahe der Hauptspitze eine laterale Nebenspitze:
Ch. murrayi: Fokus auf die StachelspitzenDer Fokus auf die Schuppen zeigt die typische dreilappige Schuppenform dieser Untergattung. Abweichend zu den Funden in der Literatur ist auch der gesamte Kopf der Tiere mit langen Stacheln besetzt:
Ch. murrayi: dorsale Beschuppung des Kopf- / HalsbereichsDie Bestachelung ist auch Hinterende deutlich ausgeprägt. Anders als viel Mitglieder der Untergattung
Hystrocochaetonotus fehlen hier die unbestachelten dorsalen Kielplatten:
Ch. murrayi: dorsale Beschuppung des HinterendesChaetonotus (Hystricochaetonotus) italicus (Balsamo & Todaro, 1995)L: 95µm
Der bisher nur aus Italien bekannte, kleine Gastrotrich
Chaetonotus (H.) italicus ist im Sima-Moor relativ häufig anzutreffen.
Ch. italicus: dorsalViele der gefundenen Exemplare waren in ihrer postparthenogenetischen (Zwitter-) Phase und trugen sowohl ein deutliches, zweiteiliges X-Organ als auch stäbchenförmige Spermatoiden. Typisch für die Art ist der ausgeprägt hantelförmige Pharynx:
Ch. italicus: QuerschnittDas ventrale Zwischenfeld ist mit zwei Reihen rechteckiger Schuppenplatten besetzt, die im Halsbereich undeutlicher werden. Den Abschluss bilden zwei gekielte Terminalplatten:
Ch. italicus: ventralObwohl die Schuppenstacheln keine Nebenspitze tragen, wird die Einordnung in der Untergattung
Hystricochaetonotus wegen der typischen Schuppenform deutlich:
Ch. italicus: SchuppenformChaetonotus (Hystricochaetonotus) novenarius (Greuter, 1917)L ca. 165µm
Chaetonotus (H.) novenarius fällt sofort durch seine neun sehr langen Großstacheln auf.
Ch. novenarius: dorsalDie neun Großstacheln tragen jeweils zwei Nebenspitzen und überragen das Zehenende des Tieres.
Ch. novenarius ist der
Chaetonotus mit den relativ zur Körperlänge längsten Stacheln (ca. 2/3 der Körperlänge):
Ch. novenarius: dorsale GroßstachelnObwohl die Beschuppung und Bestachelung das Tier eindeutig als
Ch. novenarius ausweisen, gibt die ventrale Beschuppung der gefundenen Tier Rätsel auf:
Ch. novenarius: ventralAuffallend sind die rechteckigen Schuppenplatten im Pharynx-Bereich, die Schwank nur für die sehr ähnliche Art
Ch. anomalus aufweist. Möglicherweise handelt es sich bei dieser Art - wie bereits Schwank nicht ausschließt - um ein Synonym der Art
Ch. novenarius.