Wupper, Torularia, Epibionten

Begonnen von Michael Plewka, August 21, 2022, 20:38:16 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen,


neugierig geworden durch den interessanten Beitrag von  Bernd hier:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44420.0

habe ich mich auch einmal zu dieser Location begeben und ein paar Proben gesammelt.

Wie ich hier schon einmal dargestellt habe:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40691.0
sind Fließgewässer durchaus spannende Lebensräume. Dabei liegt bei mir (wie wahrscheinlich bekannt) der Fokus  auf den Rädertieren. Bei der ersten Tour im Juli (bei der es in unserer Gegend gegen Mittag circa 35° heiß war) haben einige der Organismen den Transport (immerhin 3 Stunden mit dem Fahrrad unterwegs) leider nicht überlebt. Bei der zweiten Tour Anfang August habe ich dann entsprechend etwas mehr Kühlmittel eingesetzt.

Was an den Torularia-Rotalgen  auffiel, war die hohe Dichte, mit der diese Algen von anderen Organismen besiedelt worden waren. Das kann man auch schon an Bernds hochpräzisen Aufnahmen erkennen.

Dies steht im Gegensatz zu einigen anderen fadenförmigen Algen, wie zum Beispiel Spirogyra, auf der ich seltenst Auswuchs finde.
Mit diesem intensiven Bewuchs  stellt die Rotalge Torularia in  der Wupper, also einem Fließgewässer,  einen Lebensraum für viele andere Mikroorganismen dar, von denen ich einige im folgenden vorstellen möchte.

Zunächst einige autotrophe Organismen, also solche, die Photosynthese machen können. Besonders häufig in diesem Bild an ist die Kieselalge Kieselalge Cocconeis cf pediculus zu sehen, im Wassertropfen auch als "Algenlaus" bezeichnet:




Ich hatte beim Fotografieren diesen  Ausschnitt des Algenthallus  gewählt, weil es mir auch um die Darstellung der Rindenzellen der Rotalge ging.  Somit bedeckt die Algenlaus hier nur einen Teil des Algenfadens. Solche "Algenlaus"-freien Bereich waren nur äußert selten zu finden.

Im folgenden Bild befindet sich in Zentrum eine Grünalge, möglicherweise Monoraphidium sp
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Chlorophyta/e-source/Monoraphidium%20sp_2.html

wobei die Dokumentation und somit  die Bestimmung dieser Alge aufgrund der Schichtdicke etwas schwierig ist:




Das folgende Bild finde ich deshalb interessant, weil es verschiedene zeitliche und räumliche Ebenen der Besiedlung demonstriert. Da ist zuächst einmal die Grünalge Oedogonium:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Chlorophyta/e-source/Oedogonium.html
welche auf der  die Rotalge Torularia Fuß gefasst hat. An der Spitze des Oedogonium-Fadens siedeln wiederum einige Kieselalgen,  auf denen wiederum Bakterien sitzen:




Bei den heterotrophen Organismen, welche Torularia  besiedeln, fällt die große Anzahl  von peritrichen Ciliaten  auf einem einzigen Algenfaden auf, die mit einigen Arten dort vertreten sind. Das Highlight war dabei für mich die Art Pseudovorticella chlamydophora  die ich nun zum ersten Mal überhaupt  gefunden habe. Diese zeichnet sich u.a. durch die bläschenartigen Vesikel in der Pellicula aus:




Weitere Bilder hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Pseudovorticella%20chlamydophora.html


Eine weitere Pseudovorticella-Art war ebenfalls vertreten:

P.monilatahttps://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Pseudovorticella%20monilata.html[/url]




Analog zu den Algen  lässt sich auch hier  bei den heterotrophen Protisten eine sekundäre oder tertiäre Besiedlung beobachten: auf diesem übriggebliebenen Stiel von P. monilata war der Zooflagellat Codosiga botrytis  zu finden (Pfeil im obigen Bild); auf einer weiteren benachbarten Kolonie dieses Protisten saßen Bakterien; siehe hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Zooflagellata/e-source/Codonosiga%20botrytis.html

Daneben lassen sich daneben lassen sich weitere peritriche Arten wie z.B. Epistylis, Campanella  und  Vorticella finden.Zwar sind diese Organismen wegen der Besiedlung in  Kolonien sehr auffällig, aber die einzelnen individuellen Zellen sind eigentlich eher klein (abgesehen von dem langen Stiel bei einigen der Arten).

Anders sieht das bei den Rädertieren aus, die zumeist schon als Individuen mit der Stereolupe zu erkennen sind. Eine der häufigsten Arten, die zu beobachten war, ist Euchlanis dilatata, die dabei frei beweglich ist.




Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie bzw. warum  sich dieses frei bewegliche Räder Tier im Fließgewässer an diesen Algen aufhalten kann, vor allem in dieser  relativ hohen Individuendichte, die (geschätzt bei ca. 30 Ind/ ml liegt, was (ebenfalls geschätzt) 1-20 mal so hoch war wie die Dichte von Cephalodella- oder Notommata-Arten, die ebenfalls gefunden wurden. Im Gegensatz zu E. lyra,
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20lyra.html
die ich häufig in Bächen in unserer Gegend mit dicht von Kieselagen gefülltem Magen angetroffen habe,  sind Kieselalgen (schalen)  bei E. dilatata im Magen nicht sehr häufig zu finden, obwohl diese ja im Überfluss auf den Rotalgen vorkommen.

Im Gegensatz zu  Euchlanis lyra  ernährt sich dieses Rädertier nur sehr wenig von den Kieselalgen, die auf Torularia sitzen. Zumindest im Magen lassen sich kaum welche feststellen.
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Euchlanis%20dilatata.html


Eine ebenfalls  häufig vorkommende  Rädertierart, zu deren Verhalten es gehört, sich an Fadenalgen festzuhalten, ist  Philodina megalotrocha. Typisch für diese Art ist außerdem, dass sie ihr Ei neben sich an den Faden  klebt und dann relativ lange Zeit neben diesem Ei sitzenbleibt. Möglicherweise kann man dieses Verhalten als Brutpflege interpretieren, weil durch die Corona ja immer wieder sauerstoffreiches Wasser zugestrudelt wird. Ich möchte an dieser  mal ein  Bild aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive zeigen, nämlich einen optischen Querschnitt auf Höhe der Augen, welche in dieser Perspektive nahezu kreisrund erscheinen, während sie in Rückenansicht eher wie ein Strich  wirken, siehe hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Philodina%20megalotrocha.html




Diese   Philodina   sehr häufig an den Algenfäden fest, kann sich aber auch schnell ablösen, an eine andere Stelle schwimmen und sich dort wiederum festsetzen, ist also mobil.
Zu einer nicht mobilen Form vielleicht später noch was...

Soweit erst mal,

Beste Grüße
Michael Plewka

deBult

Wow a rotifer taking care of its egg, interesting details as ever.

Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
The correct number of scopes to own is N+1 (Where N is the number currently owned).

KayZed

Hallo Michael,

einfach beeindruckend deine Mischung aus Biotopbeschreibung, spezifischen Beobachtungen, biologischen Informationen und natürlich hervorragenden Bilder.
So macht Mikroskopieren Spass und animiert zu neuen Entdeckungen.

Herzlichen Dank
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Goldfuss

YouTube channel: microBizkaia

Michael Plewka

Vielen Dank für die Rückmeldungen!

Weil das Thema "Lebensgemeinschaften auf Fadenalgen"  in diesem Forum m.W. noch nicht so oft thematisiert wurde, habe ich noch einene weiteren Thread dazu gepostet:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44666.0



Beste Grüße
Michael Plewka

plaenerdd

Hallo Michael,
mir ist Deine Beobachtung, dass unterschiedliche Algen oft unterschiedlich stark besiedelt sind auch schon aufgefallen. Ich habe das bisher so interpretiert, dass die unterschiedlichen Algenarten unterschiedlich schnell wachsen, die stärker besiedelten, einfach nur älter sind und die Besiedler einfach mehr Zeit hatte sich hier einzurichten. Gattungen wie Spirogyra oder Oedogonium wachsen unter günstigen Bedingungen sehr schnell. Wie das bei den Rotalgen aussieht, weiß ich nicht, aber ich schätze, dass die wesentlich länger brauchen.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Michael Plewka

Hallo Gerd, du hast natürlich völlig recht:

je älter die Algen werden, desto größer wird natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Organismen darauf ansiedeln können. Über die Wachstumsgeschwindigkeit von Algen (und auch die Lebensdauer weiß ich allerdings gar nichts.
Es kommt aber auch noch ein weiterer andere Aspekt dazu. Manche Fadenalgen wie zum Beispiel Cladophora oder Oedogonium haben  ja ein  Anheftungen-Organ  (Rhizoid), womit sie sich am Substrat festhalten können. Solche Rhizoide kommen  auch bei Rotalgen vor. Diese Algen können somit bei einer gewissen Strömung (Fließgewässer) an dem Ort der Ansiedlung verbleiben,  während die anderen ohne ein solches Rhizoid weggespült würden. Wie das bei anderen Fadenalgen aussieht weiß ich nicht. Bei manchen Algen kann man außerdem eine Wachstumsrichtung erkennen, die sich aus der Orientierung der Zellen bei der Teilung ergibt, so. z.B. bei Cladophora; mit dem Ergebnis,  dass man von einem Basalteil und einem Apikalteil ausgehen kann.  Bei anderen Algen  wie zum Beispiel Tribonema, aber wahrscheinlich auch Jochalgen erfolgt das Wachstum dagegen durch einfache Querteilung einer Zelle, wobei dann eigentlich keine Richtung des Wachstums erfolgt. Das hat möglicherweise  Auswirkungen auf den Lebensraum der entsprechenden Alge und damit vielleicht auf die Besiedlung auf der Alge.
Man kann natürlich auch noch weiter gehend spekulieren: wenn eine Alge (durch fehlende "Schutz"mechanismen wie z.B. Gallerthülle)  von Organismen  besiedelt wird: kann die Alge davon in irgendeiner Form profitieren?

Beste Grüße
Michael Plewka