Zeigt her Eure Bilder: Chemotaxis bei "Algen"

Begonnen von Michael Plewka, September 27, 2022, 08:57:54 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

Die Beobachtung  von Klaus hier (#33):

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44666.30

kann dahingehend interpretiert werden, dass sich die Diatomeen aktiv in Richtung des Sauginfusors  bewegt haben, somit also die Diatomeen ihre Umwelt vermutlich chemisch wahrnehmen können (positive Chemotaxis).

Ähnliche Beobachtungen konnte ich bereits bei einem "ReusenRädertier" (Collotheca edentata) machen, zu  dessen Mundtrichter sich   die Diatomeen (aber auch andere bewegliche Algen) aktiv hinbewegen, wo sie dann verschlungen werden.
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Collotheca%20edentata.html

Zwar ist auf den Bildern dort keine Konzentration der Algen vor der Aufnahme in den Körper dokumentiert; sowas kann man aber hier bei Collotheca ornata sehen:




Mehr dazu  hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Collotheca%20ornata%20cornuta.html

Bei anderen "ReusenRädertieren" kann man ähnliche Beobachtungen machen. Dort sind es aber vor allem euglenide Flagellaten, die aktiv auf den Mundtrichter zuschwimmen, wobei ich ebenfalls Chemotaxis als Ursache vermute. Bei diesem Rädertier habe ich als Beute mal  über 50 Flagellaten im Magen gefunden.
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Collotheca%20atrochoides.html

Offensichtlich können sich Diatomeen auch an Aas sammeln, wie hier beobachtet wurde:
https://www.microbehunter.com/microscopy-forum/viewtopic.php?f=30&t=13878

Dabei ist m.E. ebenfalls erwähnenswert, dass  Diatomeen bezüglich ihrer Beweglichkeit kategorisiert werden (habe ich nicht gewusst); hier ein Beispiel:
https://diatoms.org/species/motility/weakly-motile

Insofern wäre es schön, wenn an dieser Stelle weitere Beobachtungen, bei denen eine auffällige Konzentration von Algen  (z.B. Kieselalgen/ euglenide Formen) an anderen Objekten (außer Luftblasen) dokumentiert werden konnte, gepostet werden.

Beste Grüße
Michael Plewka

A. Büschlen

Hallo Michael,

seit längerem beschäftigt mich die Frage: kann auf dem Objektträger noch "natürliches Verhalten" beobachtet werden? Oder überhaupt: welcher Einfluss hat die Probenahme, das Sammelgefäss, die Probeaufbereitung, die Oberfläche von OT und DG, das künstliche Licht am Mikroskop etc. etc. auf das natürliche Verhalten? Kann das natüliche Verhalten von Einzellern überhaupt im Labor beobachtet werden?

Viele Grüsse Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

KayZed

Hallo Michael,

der neue Themenvorschlag ist eine gute Idee.

Bin mal gespannt ob es dafür ausreichend Bildmaterial gibt.

Mein Bild zur Anlagerung von Diatomeen an Pseudoanabaena-Fäden könnte möglicherweise auch darunter fallen.

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44666.15

@Arnold
Das "natürliche" Verhalten von Mikroorganismen wird sicherlich unter dem Deckglas beeinflusst. Da kommen Stressfaktoren ins Spiel (Organismendichte in der Probe, Deckglasdruck etc.) und selbstverständlich auch die zum Teil starke Lichteinwirkung. Die Organismen reagieren darauf artspezifisch sehr unterschiedlich.
Ich denke, dass ein Teil des "natürlichen" Verhaltens unter Objektträger-Bedingungen aber durchaus beobachtbar ist, ob das beispielsweise die Phototaxis oder das "Abschießen" von Extrusomen unter Bedrohungssituationen (Deckglasdruck) sind.

Ein weiteres Beispiel:
Solange Paramecien frei schwimmen können, futtern sie recht ungestört an Bakterienflocken und zeigen ihre typischen Vor- und Rückwärtsbewegungen. Erst längere Lichteinwirkung macht sie nach meinen Beobachtungen unruhiger bis sie sich schließlich aus der Lichtquelle entfernen.

LG KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Bernard-J

Hallo Michael, alle,

Vielen Dank für diese interessante Frage.
Es gibt tatsächlich eine Chemotaxis (oder mehrere) bei den Kieselalgen. Zum Beispiel brauchen sie dringend Silizium und wenn es knapp wird, erhöhen sie ihre Geschwindigkeit, um eine neue Quelle zu finden. Siehe diese Publikation:  https://www.nature.com/articles/ncomms10540

Ich habe diesen Sommer eine Objektträgerkultur von etwas, das ich für einen Coleochaete halte, erhalten und es fiel mir sehr schwer, die Kieselalgen loszuwerden. Die Probe stammte aus einem Teich. In dieser Fotoserie ist die Ansammlung von Kieselalgen in der Nähe der Coleochaete-Kolonie gut zu erkennen, die mit zunehmendem Alter zunimmt. Das Erneuerungsmedium war einfach Mineralwasser.


Französischsprachig: Sei nachsichtig mit Fehlern!
Ich bevorzuge das Duzen.
www.microbiolvideos.ch

Michael Plewka

Hallo zusammen,

vielen Dank für die weiteren Beispiele!


@ Arnold:

mir ist ehrlich gesagt der Zusammenhang zwischen deinen Fragen und dem  Thread hier nicht so richtig klar.  Kannst Du das mal genauer erläutern?


@ Kai:

ZitatMein Bild zur Anlagerung von Diatomeen an Pseudoanabaena-Fäden könnte möglicherweise auch darunter fallen.


das sehe ich genauso.


@ Bernard:

Deine Beobachtungen zeigen  m.E. ebenfalls keine zufällige Anordnung der Diatomeen . Der "nature"-Artikel ist ebenfalls hochinteressant. Ich unterstütze dabei deine Vermutung, dass es wahrscheinlich mehere "Taxen" gibt: es ist zu vermuten, dass es bei den Organismen, denen sich die Diatomeen nähern, nicht besonders hohe Konzentrationen von Silikat gibt, sondern eher stickstoffhaltige Verbindungen wie Aminosäuren oder Oligopeptide, die von den Kieselalgen u.a. für die  organische Matrix  zur Strukturierung  des Kieselsäureskeletts verwendet werden können.

Beste Grüße
Michael Plewka


A. Büschlen

Lieber Michael,

ich habe deine Frage erst heute gelesen:

Zitatmir ist ehrlich gesagt der Zusammenhang zwischen deinen Fragen und dem  Thread hier nicht so richtig klar.  Kannst Du das mal genauer erläutern?

Deine beschriebenen Beobachtungen beziehen sich auf ein Verhalten das auf dem OT. beobachtet wird /wurde. Oder meinst du etwas anderes?

Mich beschäftigt die Frage: kann auf dem OT und unter den DG noch "natürliches Verhalten" beobachtet werden? Wie können Einflüsse dieser "künstlichen Umgebung" ausgeschlossen werden?

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

anne

Hallo zusammen,
ich hoffe das Bild passt dazu.
Bei der Frühjahrsalge Draparnaldia hatten sich Unmengen von Prymnesium um die Alge im Ring gruppiert.
Warum? Keine Ahnung. Ich hatte es nach längerer Beobachtung wahrgenommen und auf die Beluchtung zurückgeführt, es könnte jedoch auch eine andere Ursache haben.
lg
anne

Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ Bernd & @ Anne:
vielen Dank für die weiteren Beispiele!

@ Anne:
bist Du jetzt jetzt sicher, dass es sich um   "Prymnesium" handelt? (in einem anderen Thread hattest Du den Gattungsnamen mit Fragezeichen versehen). Es ist sicher keine zufällige Anordnung dieser kleinen Algen; interessant ist, dass sie in einem m.o.w. gleichmäßigen Abstand um den Haupt-Algenfaden herum konzentriert sind bzw. an den Stellen der einzelnen Seitentriebe, die keine Chloroplasten (mehr?) aufweisen.


@ Arnold:

Die mikroskopischen Beobachtungen, die in diesem Forum dokumentiert werden, beziehen sich   m.E. in mindestens 90% der Fälle sich auf  Beobachtungen auf Objektträgern. Selbstredend (d.h. ohne es explizit zu erwähnen) sollte man davon ausgehen, dass diese unter künstlichen Bedingungen gemachten Beobachtunngen nur unter Vorbehalt auf die natürliche Umgebung übertragbar sind.

Aber das ist für diesen Beitrag zunächst einmal irrelevant!

Dazu nochmal ein Beispiel:
Ein klassischer Praktikumsversuch an  toten und geköpften Fröschen zeigt, dass sich  die Muskeln bewegen, wenn die Nerven mit dem Strom einer Taschenlampenbatterie gereizt werden. (L.Galvani hat ähnliches schon vor mehr als 200 Jahren beobachtet; gibt unzählige Beiträge dazu im www.). Diese Reizantwort ist selbstverständlich nur unter künstlichen Bedingungen zu beobachten, aber sie liefert völlig unabhängig von dieser Frage: "künstliche/ natürliche Umgebung?" wertvolle Erkenntnisse zur Funktion des Nervensystems aller Tiere.
Auch  Versuche, die zeigen, dass es  eine  Phototaxis bei  Pflanzen gibt, werden  im Labor unter künstlichen Bedingungen durchgeführt.

Die übliche Vorgehensweise in der Naturwissenschaft ist, anschließend, nachdem der Nachweis, dass ein Phänomen existiert (Phase 1), erbracht ist, nach den Ursachen zu forschen, z.B. wie funktionieren Nervenzellen?/ welches ist der Photorezeptor bei Pflanzen etc. (Phase 2)
Erst im Anschluss daran (Phase 3) kann man sich Gedanken darum machen, welche biologische  Funktion (s. natürliche Umgebung etc. ) das untersuchte Phänomen hat.

Von daher  bewegt  sich dieser Thread  hier in der Phase 1 des Erkenntnisprozesses, d.h. der Frage: gibt es eine Chemotaxis bei Algen? Mag sein, dass diese Frage  für Dich schon geklärt ist, dann wäre ich für Literatur dazu sehr dankbar. Ebenso würde mich dann weiterhin interessieren, wie ein Lebewesen, das so klein ist wie die hier gezeigten, einen Konzentrationsgradienten, (die Konzentration des betreffenden Stoffs  muss sich ja demzufolge    im Mikrometermaßstab ändern) ein solches Konzentrationsgefälle  wahrnehmen kann. Wie kann eine Kieselage daraus eine Bewegungsrichtung ableiten? Oder bewegen sich Kieselalgen durch Versuch und Irrtum innerhalb eines Konzentratiosgradienten? Kennt jemand dazu Bilder/ Dokumentationen der Bewegungsprofile?

Ich halte Deine angesprochen Frage:
Zitat"kann auf dem OT und unter den DG noch "natürliches Verhalten" beobachtet werden? Wie können Einflüsse dieser "künstlichen Umgebung" ausgeschlossen werden?

für außerordentlich wichtig, so dass Du dazu einen separaten Thread eröffnen solltest. 

Hier in diesem Thread soll es aber weiterhin ausschließlich um Beobachtungen zur Chemotaxis gehen.

Beste Grüße
Michael Plewka

anne

Hallo Michael,
nein sicher bin ich nicht...., aber Bernd hatte meinen Beitrag mal erwähnt und dann auch von Prymnesium gesprochen. Daher dachte ich das ist bestätigt.
lg
anne