Keimdichte im Aquarium - wieviel 'Mikroskop' ist notwendig?

Begonnen von Tobias85, September 28, 2022, 00:42:11 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Tobias85

Guten Abend,

die letzten Tage habe ich damit verbracht, mich in Sachen Einsteigermikroskope einzulesen. Ziel ist die Anschaffung eines einfachen Mikroskops, um mit Hilfe einer Zählkammer die Keimdichte in meinen Aquarien zu bestimmen. Das alternative Kultivieren und Auszählen der Keime auf Agarplatten ist für meine Zwecke schon auf Grund der schieren Menge der Proben (Messreihen nach Fütterung beispielsweise) kaum realisierbar, zudem kann ich auch keine sterilen Arbeitsbedingungen und gleichbleibende Kultivierungs-Temperatur vorhalten, die für eine systematische Auswertung notwendig wären. Daher der Wunsch nach Mikroskop und Zählkammer.

Natürlich bin ich bei der Suche erstmal auf die gebraucht extrem billigen Mikroskope von Bresser (Traveler, Biolux NG/NV/AL etc.) gestoßen. Oft wird (scheinbar ja zu Recht) gewarnt, dass diese schnell den Spaß an der Mikroskopie rauben, weil sie einfach zu schlecht Abbilden. Auf der anderen Seite geht es mir ja aber gar nicht darum, mich an guten, detailreichen Abbildungen zu erfreuen, sondern 'nur' ums Bakterien zählen auf einem 200x200 µm großen Raster. Zudem habe ich aber auch Berichte gefunden, nach welchen diese Mikroskope für den ersten Einstieg durchaus brauchbar sind, wenn man sich der Abstriche bewusst ist. Die oft empfohlenen besseren Einsteigermodelle wie das Standard 14 und 16 von Zeiss oder Modelle anderer Hersteller für gebraucht 150-250€ sind derzeit leider einfach nicht drin, auch wenn die übers Bakterien zählen hinaus sicher noch viel Spaß bereiten würden.

Nun ist die Frage, ob diese billigen Bresser-Mikroskope fürs reine Auszählen nicht sogar ausreichend sind. Chromatische Aberrationen beispielsweise wären in dem Fall ja eher irrelevant, Hauptsache die Bakterien sind als solche erkennbar. Und eine leichte Defokussierung erhöht laut Mikro-Fibel (S. 80, letzter Absatz) ja sogar den Kontrast bei Bakterien, von daher wäre eine mangelnde Schärfeleistung bei höheren Vergrößerungen ja vielleicht auch gar kein Nachteil für meine Zwecke. Bilder von Hefezellen, die mit diesen Mikroskopen und vorgehaltener Handykamera entstanden sind, habe ich schon irgendwo gesehen, die wären zum Auszählen definitiv brauchbar gewesen, und so extrem viel kleiner sind Bakterien ja nicht. Und scheinbar ist es ja auch vor allem das 40x Objektiv in Kombination mit dem 16er Okular (und der Barlow-Linse), das besonders schlecht und dunkel abbildet - brauche ich solche Vergrößerungen überhaupt für mein 200µm-Raster?

Was denkt ihr, könnten die was taugen? Sind meine Überlegungen schlüssig? Teils findet man die Biolux- und Traveller-Modelle für deutlich unter 50€, auch in erreichbarer Nähe, so dass ich mir die vorher angucken kann.

Viele Grüße und schonmal Danke für euren Input,
Tobias

3nzo

Hallo Tobias,
sicherlich werden dir andere Experten nützliche Ratschläge geben, aber für mein kleines Studio ist es nicht sehr einfach, Bakterien zu sehen, es sei denn, sie sind gefärbt oder mit geeigneter Beleuchtung und haben daher einen guten Kondensator.
Soweit ich weiß, werden die Blutzellenzähler mit Flüssigkeitsproben verwendet, die zwischen zwei Objektträgern im Abstand von 0,01 mm platziert werden. Ich weiß nicht, ob dies die beste Lösung ist, und wenn Sie die Bakterien zählen möchten, sollten Sie sie färben.
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

liftboy

Hallo Tobias,

auch für Dich gilt (wie für alle im Forum) mein Angebot:
LOMO-Biolam mit Grundausstattung für 50€ plus Versand (wenn Du in der Nähe von Kassel bist, kannst Du das auch abholen und bekommst auch gleich eine Einweisung.
Eine Zählkammer würde ich Dir noch dazulegen :-)
http://mikroskopfreunde-nordhessen.de/dateien/Biolam-Mikroskope.pdf
Wie Du siehst kannst Du bei Interesse (und das kommt bestimmt) das Mikro voll aufrüsten.
Ausstattung:
Monokular mit Objektiven K7x  und K15x
4fach Revolver mit Achromaten 8x, 40x und 90xÖl
Drehzentrierbare Objekttisch mit Klammern
Kondensor NA 1,2 mit Irisblende, Klapplinse und Filterhalter
Filter weiß und blau matt
Feintrieb Scheibe
Beleuchtung Spiegel


(auf dem Bild ist der Feintrieb Uhrwerk zu sehen, hätt ich auch da)

Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Carsten Wieczorrek

Hallo,
also ich habe da meine Zweifel. Bakterien siedeln in der Regel auf Oberflächen. In meinem Aquarium jedenfalls gibt es im Freiwasser nichts zu Zählen. Und wenn ich Beläge abkratze, brauche ich keine Zählkammer.
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

liftboy

Hallo Carsten,

ZitatIn meinem Aquarium jedenfalls gibt es im Freiwasser nichts zu Zählen

na ja, wenn Du dann 100ltr durch ein Nanofilter laufen lässt, sollte sich schon was finden ;-)
Entschuldige die Häme.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

3nzo

Hallo,
das von Wolfgang vorgeschlagene Mikroskop ist sicherlich ausreichend, eine hervorragende Lösung zu einem günstigen Preis.
Was die Untersuchungsmethode betrifft, würde ich Tobias raten, sich zu informieren, es ist nicht so einfach, wie man glaubt, eine bakterielle Belastung zu definieren, wenn nicht mit geeigneten, nicht trivialen Verfahren.
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

Bernard-J

Ich kenne kein Labor, das Bakterien mit einer Zählkammer zählt, außer vielleicht spezielle Riesenbakterien. Das Zählen von Bakterien hat nichts mit Hefen zu tun, die viel größer und unter dem Mikroskop deutlich erkennbar sind. Eine 2-3 Tage lang geöffnete Flasche Mineralwasser ohne Kohlensäure enthält 10E4-10E5 Bakterien pro ml, die Sie in einer 10-µl-Probe mit einem Immersionsobjektiv nur sehr schwer zählen können. In einem Aquarium ist aufgrund der Ausscheidungen der Fische natürlich ein Wachstum zu erwarten, aber es wird trotzdem schwierig sein und Sie werden höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. 

Was genau ist eigentlich der Zweck, zu dem Sie die Bakterienbelastung Ihres Aquariums wissen möchten?   Es könnte hilfreich sein, dies zu wissen, um eine sinnvolle Antwort geben zu können.
Französischsprachig: Sei nachsichtig mit Fehlern!
Ich bevorzuge das Duzen.
www.microbiolvideos.ch

plaenerdd

Hallo Tobias,
Bakterien sind ja nichts Schlimmes, außer es handelt sich um Krankheitserreger, aber die kannst Du kaum im lichtmikroskopischen Bild unterscheiden. Selbst mit hochauflösenden Immersionsobjketiven kannst Du da keine Details erkennen, nur Grundformen (Kokken, Spirillen, Bazillen). Ob das Wasser belastet ist erkennst Du besser am Geruch als im Mikroskop.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Tobias85

Hallo zusammen,

zunächst mal vielen Dank für die rege und konstruktive Beteiligung an alle! :) Gestern war es bei mir leider etwas stressig und ich konnte die Beiträge nur im Zug kurz überfliegen, daher meine späte Rückmeldung.

Zum Hintergrund: Es gibt einen kleinen Salmler aus den Schwarzwassergebieten am oberen Amazonas, der zwar regelmäßig importiert wird, aber bisher nicht im Aquarium etabliert werden konnte. Alle Beobachtungen deuten darauf hin, dass das Problem in der hohen Keimbelastung in Aquarien liegt: Für normale, gepflegte Aquarien wird sie im Freiwasser meist mit 104 bis 106 koloniebildenden Einheiten (KBE) pro mL angegeben, im natürlichen Schwarzwasser eher so bei 10 bis 102 KBE. Darunter befinden sich auch allerhand übiquitäre, fakultativ pathogene Keime, die in zu hoher Menge auch gesunden Fischen gefährlich werden können. Bei Fischen, die ausschließlich (nicht nur phasenweise) in extremen Schwarzwasser leben, hat sich deren Immunsystem evolutionär auf die geringen Keimzahlen im Schwarzwasser angepasst und wird mit den Massen an Keimen in normalen Aquarien nicht mehr fertig. Das gleiche Problem kennt man schon lange von Diskusfischen, weswegen dort der Fokus auf möglichst keimarmen Wasser liegt, die sich als Schlüssel zum Erfolg herausgestellt hat. Keimdichten von 10² KBE pro mL sind dort mit angepassten Filtermethoden (adaptiert aus der Trinkwasseraufbereitung) nachweislich erzielbar, und das sogar trotz verhältnismäßig hohem Besatz mit entsprechend viel Fütterung.

Mein Ziel ist es nun, eine Gruppe der Salmler unter optimalen, möglichst keimarmen Bedingungen zu halten und so hoffentlich endlich zu etablieren. Dazu strebe ich möglichst naturnahe Schwarzwasserbedingungen plus Filtermethoden aus der Diskushaltung zur zusätzlichen Keimreduktion an, bisher hat das mit soviel Aufwand meines Wissens noch niemand versucht. Den Verlauf der Keimbelastung während der Einfahrphase des Aquariums wie auch nach dem Einsetzen der Fische möchte ich dann kontrollieren und dokumentieren. Hier reicht mir schon die Größenordnung, exakte Zahlen oder Bestimmung einzelner Keime ist wie bei den Diskushaltern wohl nicht notwendig. Letztere nutzen zur Bestimmung der KBE sogenannte Dip-Slides - kleine Plättchen mit Agar-Nährmedium, die ins Aquarium getaucht und dann zwei Tage inkubiert werden. Leider kosten diese Tests mehrere Euro pro Stück, sind also bei täglicher Messung über viele Wochen keine Option.

Die Idee mit der Zählkammer kam aus der Erinnerung an mein Mikrobiologie-Praktikum, nachgeschlagen im Buch "Mikrobiologisches Praktikum" von Steinbüchel und Oppermann-Sanio, welches an der Uni wohl ein Standardwerk zu sein scheint. Hier wird die Zählkammer explizit als eine Methode zum Zählen von Bakterien angeführt und erschien mir als schnelle, einfache und halbwegs günstige Methode.
Allerdings war ich an der Stelle wohl recht naiv und habe jetzt mal nachgerechnet: Ich müsste bei den angestrebten Keimzahlen mehrere hundert Zählkammern durchschauen, um überhaupt mal eine Bakterie zu finden; Bernhard hatte dazu ja auch etwas geschrieben. Das erklärt auch, wieso Carsten in seinem Aquarienwasser keine Bakterien sieht, obwohl da mit Sicherheit etliche drin schwimmen. Sieht also nicht so gut aus mit meiner Idee.

Vielleicht muss ich doch Nährböden in Petrischalen selbst gießen und im Ofen sterilisieren, das dürfte Stand jetzt die sinnvollste Methode bei vertretbaren Kosten sein. Müsste man nur mit Hilfe einer Referenzprobe mit bekannter Keimzahl und Verdünnungsreihe kalibrieren, um Vergleichs-Kontaminationen zu haben. Einen Hinweis habe ich noch bekommen, wo man mir bezüglich der Keimzahlbestimmung eventuell weiterhelfen kann, dem werde ich jetzt auch noch nachgehen und lasse mich mal überraschen. Alle 'aktuellen' Labormethoden sind zuhause nicht durchführbar.

Wolfgang, vielen Dank für dein großzügiges Angebot, Kassel wäre tatsächlich halbwegs erreichbar für mich. Je nachdem, in welche Richtung das ganze hier geht, würde ich ggf. nochmal auf dein Angebot zurückkommen. :)

Viele Grüße
Tobias

3nzo

Hallo Tobias,
Wenn Sie diese Dinge studiert haben, werden Sie erfahrener sein als ich. Für das Wenige, das ich weiß und das ich nie in die Praxis umgesetzt habe, weil ich diesen Bedarf nicht hatte, wird der Blutzellenzähler wie der von Brücher für die physikalische oder Gesamtzählung verwendet. Dies wird typischerweise an verdünnten Proben durchgeführt, um das Zählen zu erleichtern, und es wird nicht zwischen lebensfähigen und nicht lebensfähigen Elementen unterschieden.
Um Daten über die UFC, also die Vitalelemente, zu erhalten, ist eine biologische Zählung mit Verdünnung, Aussaat auf Petrischalen, Koloniezählung (für Bakterien von 30 bis 300) und relative Berechnung anhand der Verdünnung usw. erforderlich.
Das Zählen durch Filtration ist meines Erachtens für die notwendige Ausrüstung außerhalb unserer Reichweite.
Für die physikalische Zählung glaube ich, dass das, was Wolfgang vorgeschlagen hat, eine ausgezeichnete Lösung ist.
Gute Arbeit und viele Grüße.

Enzo

Bernard-J

Ihr Projekt ist interessant.
Ein Blutzellenzähler funktioniert aufgrund der Größenunterschiede nicht, um Bakterien zu zählen.
In diesem Fall muss man die "MPN"-Methode verwenden https://microbeonline.com/probable-number-mpn-test-principle-procedure-results/
- Verdünnungen, die mithilfe von 2-3 Mikropipetten (1ml, 100µl und 20µl) in Eppendorf-Röhrchen (1ml) mit gefiltertem oder sterilisiertem Wasser durchgeführen.
- Bereiten Sie die Petrischalen mit dem Medium vor oder kaufen Sie sie fertig vorbereitet.
- Um das MPN zu bestimmen, spottet man 20 µl (3 oder 5 Spots) auf die Schale und bestimmt die Zählung mit der entsprechenden Tabelle. Mit dieser von mir selbst entwickelten Methode ist es möglich, mit minimalem Material- und Zeitaufwand mehrere Zählungen pro Schale zu bestimmen.
Bei Interesse kann ich Ihnen das Protokoll per PM zusenden.
Französischsprachig: Sei nachsichtig mit Fehlern!
Ich bevorzuge das Duzen.
www.microbiolvideos.ch

Peter Hölterhoff

Hallo Tobias,

die Frage ist doch, ob Dich die tatsächliche Keimdichte interessiert, oder ob Du nur für die Salmler eine keimarme Umgebung sicherstellen willst.
Für letzteres würde ich empfehlen einen UVC-Klärer zu verwenden. Dieser reduziert sicher die Keimbelastung im Aquarium. Die UVC-Brenner müssen allerdings regelmäßig gewechselt werden,
da ihre Leistung mit der Zeit nachlässt.

Ich wünsche Dir viel Erfolg.

Peter Hölterhoff
Mit freundlichen Grüßen
Peter