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Steinzeit

Begonnen von Florian D., November 04, 2022, 15:38:24 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Foristen,

nachdem der schöne Thread "Planktonzeit" existiert, in dem wir uns an immer neuen Aufnahmen von Diatomeen etc. erfreuen dürfen, bietet es sich wohl an, einen Faden "Steinzeit" zu eröffnen, wo jeder Bilder von interessanten Gesteinsschliffen zeigen mag.
Als erstes möchte ich diesen Reigen mit einem im wahrsten Sinne steinaltem Gestein beginnen. Es handelt sich um einen Isua Gneiss aus Grönland mit einem Alter von 3.7-3.8 Milliarden Jahren. Diese galten lange als die ältesten Gesteine, allerdings wurden inzwischen noch ältere gefunden. Allerdings handelt es sich wohl um die frühesten Gesteine, die ausserhalb des Meeres gebildet wurden.
Im Schliff zeigen sich Bänder von Quarz und Erz - wohl Magnetit, dazwischen Muskovit (?) und Chlorit.
Ich habe dieses Gestein in 2021 auf der Munich Show (Mineralienmesse) an einem eher esoterisch ausgerichtetem Stand erworben, bin aber erst jetzt zum Schneiden und Schleifen gekommen. So alt wie der ist, ist er sicher gut für's Raumklima, aber schlecht für den Geldbeutel!
Das erste Bild ist ein Übersichtsbild mit der Bertrandlinse ohne Objektiv aufgenommen. Daher stark vignettiert.
Die folgenden Bilder sind abwechselnd im linearpolarisierten Licht, bzw. zwischen gekreuzten Polarisatoren aufgenommen.

Viele Grüsse
Florian

witweb

Hallo Florian,

interessante Geschichte!
Leider bin ich auf dem Gebiet kein Fachmann, aber ich bin schon gespannt, was zum Thema "Steinzeit" noch kommt.

Viele Grüße

Michael

Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
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hugojun

Hallo Florian,

danke fürs Zeigen und den Mut, diesen wertvollen ,,Raum-Luft Entgifter" zu zersägen.

Ich erinnere mich an unseren gemeinsamen Tag in München und diesen Kauf kurz vor Ladenschluss

an diesem ominösen esoterisch ausgerichteten Stand.

,,...allerdings wurden inzwischen noch ältere gefunden..."

Den Altersrekord hält z.Z. dieses Gestein:

https://www.reuters.com/article/us-rocks-ancientscience-idUSTRE48O7JW20080925

LG
Jürgen

witweb

Hallo Florian,

wie bestimmt man denn das Alter dieses Gesteins? Die C-14-Methode ist da wohl eher nicht geeignet.
Und wie macht man das beim Kauf an einem "ominösen esoterisch ausgerichteten Stand"?

Viele Grüße

Michael
Leitz Orthoplan
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Peter V.

Hallo Michael,

Zitat von: witweb in November 04, 2022, 18:24:43 NACHMITTAGS
Hallo Florian,

wie bestimmt man denn das Alter dieses Gesteins? Die C-14-Methode ist da wohl eher nicht geeignet.
Und wie macht man das beim Kauf an einem "ominösen esoterisch ausgerichteten Stand"?

Viele Grüße

Michael

na, durch Auspendeln! Wie denn sonst?

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

hugojun

#5
Apropos (Stein)-Zeit ,

Scheinbar musste am Anfang der Schöpfung alles sehr sehr schnell gehen.

Galten doch die primitivsten Gesteine unseres Sonnensystems, die Chondrite , als das älteste Gestein  überhaupt.

Heute kennt man Gesteine von Proto-Planeten, die schon 25 Millionen Jahre vor den primitiven Chondriten existiert haben müssen.

Das z.Z. absolut älteste bekannte Material ist ein Achondrit , der schon ca. 2 Millionen Jahre nach der Sonnensystem- Zeitrechnung ( Zeit nach CAI-Bildung) existierte.

Sein Name ist Erg Chech 002.

https://www.researchgate.net/publication/361006582_Radiogenic_chromium_isotope_evidence_for_the_earliest_planetary_volcanism_and_crust_formation_in_the_solar_system

Durch diesen Bericht bekommt man einen Einblick in die verschiedenen Isotopen-Gruppen und für welche Zeit Dimensionen sie zur Messung des Gestein-Alters geeignet sind.

Die Gerätschaften für solche Untersuchungen sind nicht geeignet, sie von Messestand zu Messestand zu schleppen. Da mache ich das wie die meisten hier im Forum und

vertraue auf Literaturangaben zu den verschiedenen Themen und darauf, dass ich am Stand nicht beschi.. werde.

Hier findet ihr alle Analysen zum Gestein:

https://www.lpi.usra.edu/meteor/metbull.php?sea=Erg+Chech+002&sfor=names&ants=&nwas=&falls=&valids=&stype=contains&lrec=50&map=ge&browse=&country=All&srt=name&categ=All&mblist=All&rect=&phot=&strewn=&snew=0&pnt=Normal%20table&code=72475

In den Bildern sieht man die Pyroxene und Feldspäte , die die modale Hautmasse bilden.

LG
Jürgen








Florian D.

Zitat von: witweb in November 04, 2022, 18:24:43 NACHMITTAGS
Hallo Florian,

wie bestimmt man denn das Alter dieses Gesteins? Die C-14-Methode ist da wohl eher nicht geeignet.
Und wie macht man das beim Kauf an einem "ominösen esoterisch ausgerichteten Stand"?

Viele Grüße

Michael

Hallo Michael,

Du hast natürlich recht damit, dass ich da keine Garantie habe, dass es sich tatsächlich um ein so altes Gestein handelt. Andererseits ist der Isua Komplex 30 km gross, da ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie das richtige Gestein erwischt haben, schon nicht so klein.
Der Isua Gneis wird als banded iron Gneis beschrieben und das passt ja sehr gut zu den Bildern, die ich gezeigt habe.

Viele Grüsse
Florian

witweb

Hallo Florian und Jürgen,

vielen Dank für eure Erläuterungen, auch für die Links. Alles nachvollziehbar.
Zwei Frage noch, wie groß ist denn das Stück, das du gerade zerschneidest? Ist das ein Einzelstück, oder werden für den Verkauf größere Brocken geteilt?

Viele Grüße

Michael

Leitz Orthoplan
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Florian D.

#8
Dazu habe ich jetzt einen interessanten Artikel gefunden:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1674987117300464
Demnach hat sich der Gneis aus sedimentären Eisentonen (Greenalit) gebildet. Man kann daraus auf die Zusammensetzung der frühen Atmosphäre schliessen.
Er sollte zur Amphibolitfacies gehören und weshalb ich mit Olaf diskutiert hatte, ob sich einige der Minerale als
Amphibol identifizieren lassen. Olaf meinte, dass es sich bei den grünlichen Mineralen um Amphibol handeln könnte. Ich hatte diese eher als Chlorit angesprochen.
Daher zeige ich noch einige Bilder.
Auffallend ist der starke Pleochroismus.
Viele Kristalle zeigen eine stark fleckige Färbung. Die eher farblosen Bereiche zeigen höhere Interferenzfarben, während die grünlichen Bereiche anomal lederbraune Farben zeigen. Evtl. handelt es sich also um teilweise chloritisierten Amphibol?

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Zitat von: witweb in November 04, 2022, 18:24:43 NACHMITTAGS
wie bestimmt man denn das Alter dieses Gesteins? Die C-14-Methode ist da wohl eher nicht geeignet.

Nein, aber es gibt genug andere Methoden, die den Zerfall langlebigerer Isotope ausnutzen, z. B. Uran-Blei Methode
https://de.wikipedia.org/wiki/Uran-Blei-Datierung
https://de.wikipedia.org/wiki/Radiometrische_Datierung
, oder man zählt die Spuren, die von der spontanten Kernspaltung von Uran in Zirkonen herrühren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spaltspurdatierung

Viele Grüsse
Florian

olaf.med

Lieber Florian,

nun, nachdem ich Dein letztes Bild gesehen habe, lege ich mich fest: Amphibol, nicht Chlorit.

Ach übrigens, Amphibol ist der Mineralname, Amphibolit ist ein Gestein!

Herzliche Grüße,  Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

hugojun

#11
Der Beitrag beschreibt dein Gestein ganz vorzüglich und bescheinigt die Provenienz.

Die Amphibolit Vorkommen haben eine Diskussion über das Alter der Ozeane entfacht. Womöglich  muss auch dort das Alter korrigiert werden ,

womit sich die Zeitspanne bis zur Entstehung des Lebens vergrößern würde.

LG
Jürgen

witweb

Zitat von: Florian D. in November 05, 2022, 12:27:19 NACHMITTAGS

Nein, aber es gibt genug andere Methoden, die den Zerfall langlebigerer Isotope ausnutzen, z. B. Uran-Blei Methode
https://de.wikipedia.org/wiki/Uran-Blei-Datierung
https://de.wikipedia.org/wiki/Radiometrische_Datierung
, oder man zählt die Spuren, die von der spontanten Kernspaltung von Uran in Zirkonen herrühren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spaltspurdatierung

Danke Florian,

again what learned!  ;)
Viele Grüße

Michael
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
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Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

Florian D.

Zitat
Ach übrigens, Amphibol ist der Mineralname, Amphibolit ist ein Gestein!

Danke Olaf,

ich hab's korrigiert!

Immer diese Hesse, die wissen Alles besse! ;D

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

#14
Das schöne an solchen Schliffen ist, dass sich einem gleich ganz prinzipielle Fragen stellen, auf die man manchmal nicht gleich eine vernünftige Antwort findet:
Wie kann es sein, dass die Uratmosphäre zunächst sauerstofffrei und stark reduzierend war, so dass im Wasser Eisen nur als Fe II vorlag, während wir heute eine oxidierende Atmosphäre haben und Eisen normalerweise als Fe III vorliegt?
Eine Erklärung, die oft verbreitet wird, ist die, dass dies an Photosynthese betreibenden Organismen liegen würde, die immer mehr Sauerstoff erzeugt haben, nach der sehr vereinfachten Gleichung
CO2 + hf -> C + O2

"C" steht hier insbesondere für die Kohlenhydrate, die, wie ihr Name schon sagt, sich formal als Hydrate des Kohlenstoffs auffassen lassen: C6H12O6 = 6 C.H2O.
Spätestens bei der Kohlebildung unter hohem Druck wird das Wasser wieder rausgepresst.

Der Sauerstoff kann dann mit Fe II zu Fe III reagieren, wenn nicht ohnehin Fe II in den ersten Photosyntheseorganismen direkt als Reduktionsmittel benutzt wurde (das gibt es heute noch):
2 FeO + CO2 + hf -> Fe2O3 + C

Der Haken an der Sache ist meiner Meinung nach aber der, dass die Reaktion natürlich irgendwann wieder rückwärts verläuft, spätestens, wenn organisches Material zusammen mit Fe2O3 wieder subduziert wird.

Ich sehe zwei Möglichkeiten, die sich auch nicht gegenseitig ausschliessen:

1. Eisenatome haben eine viel höhere Dichte als Sauerstoffatome. Das Eisen ist daher im Laufe der Erdgeschichte zunehmend gravitativ vom Sauerstoff fraktioniert worden. Während letzterer auf der Erdoberfläche zurückgeblieben ist, ist das Eisen in den Kern abgesunken.
2. Durch UV Licht und evtl. auch durch biologische Prozesse, wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoffgas zerlegt. Wasserstoffgas entweicht dabei in den Weltraum, während der Sauerstoff in der Atmosphäre verbleibt, bzw. mit Eisen II zu Eisen III reagiert etc.

Eine weitere interessante Frage ist die, was mit dem Methan passiert ist:
Selbst unter anoxischen Bedingungen disproportionieren viele Organismen Kohlehydrate unter Energiegewinnung zu Kohlendioxid und letztendlich Methan (AKA Gärung):
2C +2H2O -> CO2 + CH4

Tatsächlich ist sogar eine Ära des Präkambriums wegen des hohen Methangehalts der Atmosphäre danach benannt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Methanium
Die Frage ist, wie es wieder aus der Atmosphäre herausgekommen ist. Es gibt heute nur sehr wenige Organismen, die Methan verstoffwechseln können und die brauchen dazu Sauerstoff.

Viele Grüsse
Florian