Interessante Pilzfunde 55 – Netzflockiger Rosatäubling

Begonnen von Bernd Miggel, November 10, 2022, 15:51:24 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Kurzbeschreibung
Ein mittelgroßer, mit Laubbäumen vergesellschafteter, milder, geruchloser Täubling mit roten Hut, weißen Lamellen, weißem, oben netzig gepudertem Stiel, zu einem Drittel abziehbarer Huthaut, roter Sulfovanillin-Reaktion, weißem Sporenstaub und in der Huthaut inkrustierten Primordialhyphen.

Lebensweise
Der Netzflockige Rosatäubling Russula aurora ist ein Pilz unserer Laubwälder. Er geht eine Mykorrhiza mit Rot- und Hainbuchen, Eichen, aber auch Fichten ein. An die Bodenbeschaffenheit stellt er keine besonderen Ansprüche, man findet ihn sowohl über Buntsandstein als auch über Muschelkalk.

Bernd Miggel

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#1
Eckdaten des Fundes
•   Pilzart: Netzflockiger Rosatäubling (Russula aurora (Krombh.).
•   Funddatum: 6.11.2022.
•   Fundort: Kalklaubwald ,,Unterer Wald", auf 260 m ü.NN, östl. Keltern-Niebelsbach, Baden-Württemberg.
•   Boden, Geologie (LGRB-Kartenviewer): Pelosol-Braunerde aus Fließerden auf Unterem und Mittlerem Muschelkalk sowie Pararendzina, häufig rigolt, aus Hangschutt über Muschelkalk.
•   Begleitbäume: Rotbuchen, Traubeneichen, Birke, Fichten.
•   Belegnummer: Miggel div22146,gsmuw.


Makroskopische Merkmale des Fundes
Rothütige Täublinge gibt es viele, ca. dreißig Arten in Mitteleuropa. Beim Netzflockigen Rosatäubling handelt es sich um eine mittelgroße Art mit einem etwa bis 10 cm breiten Hut (Bild 1). Man findet Exemplare in Himbeerrot, Rosa, Orange, auch intensiv Rosenrot, wobei die Hutmitte gerne in Richtung Orange, Gelb oder Creme ausblasst (Bild 2). Nuancen in Richtung Violett gibt es nicht. Die Huthaut ist, je nach Witterung zu einem Drittel bis zur Hälfte des Radius abziehbar.

Bernd Miggel

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#2
Die Lamellen sind anfangs weißlich, nehmen während des Wachstums aber rasch einen Cremeton an, der gegen das reinweiße Fleisch stark kontrastiert. Sie sind dichtstehend, in Stielnähe vielfach gegabelt, jedoch kaum mit verkürzten Lamellen untermischt (Bild 3).

Bernd Miggel

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#3
Der Stiel ist zylindrisch bis keulig und weitet sich typischerweise oben wieder auf. Er ist weiß, bereift und im oberen Drittel netzflockig. Dieses Merkmal ist nicht immer stark ausgeprägt, hat ihm aber seinen deutschen Namen verliehen (Bild 4). Es kommt ab und zu vor, dass am Stiel ein schwach rosa Reflex wahrnehmbar ist.

Bernd Miggel

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#4
Das Fleisch ist reinweiß und anfangs fest. Später wird es im Stielinneren schwammig. Ein Geruch ist nicht feststellbar; der Geschmack ist zuerst mild, wird nach längerem Kauen jedoch ganz schwach bitter.

Makrochemische Farbreaktionen
. Eisensulfat färbt das Fleisch unmittelbar schwach rosa. Wichtiger ist die typisch rote Farbreaktion mit Sulfovanillin: Für diesen Test sollte der Fruchtkörper mindestens zwei Stunden lang auf dem ,,Dörrex" vorgegetrocknet werden. Bild 5 zeigt die Farbreaktionen nach einer Minute Einwirkzeit. Links, am frischen Fruchtkörper, erkennt man allenfalls einen Hauch von Rot. Rechts, am vorgetrockneten Fruchtkörper, erfolgt die Verfärbung unmittelbar. Sie ist anfangs intensiv kirschrot und ändert sich langsam in Richtung Rotviolett.

Der Sporenstaub ist direkt nach dem Ausfallen weißlich, verfärbt sich aber bereits nach ein bis zwei Tagen in Richtung Creme.

Bernd Miggel

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#5
Mikroskopische Merkmale
Seit den Sechziger Jahren ist bei Täublingen die Huthaut als wichtiges Merkmal nicht mehr wegzudenken. Um es auf den Punkt zu bringen: Bei scharf schmeckenden Täublingen untersucht man die Huthaut auf das Vorhandensein von Pileozystiden, bei mild schmeckenden auf das von inkrustierten Primordialhyphen. Unsere mild schmeckende Art wird also auf Primordialhyphen hin untersucht. Die Abfolge:

•   Ein winziges Huthautfragment für 2 Min. in Karbolfuchsin einfärben.
•   Karbolfuchsin abziehen, Präparat in Wasser kurz auswaschen.
•   Für 10 Sek. in 2-3-prozentiger Salzsäure entfärben.
•   Salzsäure abziehen, Präparat in Wasser waschen und in Wasser mikroskopieren.

Das Ergebnis (Bild 6) zeigt deutlich, dass inkrustrierte Primordialhyphen vorhanden sind. Sie sind schlank, etwa 2-4 µm dick und mit einer rot gefärbten, säureresistenten Inkrustierung umgeben, die sich teils mantelartig, teils tröpfchenartig zeigt.

Bernd Miggel

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#6
Sporen von Täublingen und Milchlingen untersucht man in Melzers Reagenz.  Diese Flüssigkeit ist jodhaltig und färbt die stärkehaltigen Sporenornamente blauschwarz. Die Sporen unserer Art sind ellipsoid, teils isoliert warzig, teils gratig, teils sind die Warzen duch Grate oder schmale Linien verbunden. Auch findet man Bereiche mit zebrierter Ornamentation. Ornamente und Hilarfleck sind stark amyloid.
Gemessen werden die Sporen ohne ihre Ornamente.
Es ergaben sich mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit für 22 zufällig ausgewählte, repräsentative Sporen folgende Hochrechnungen:

L x B = 6,9-8,5 x 5,2-6,5 µm          Lav x Bav = 7,5-7,8 x 5,7-6,0 µm
Qav = 1,28-1,35                            Vav = 128-146 µm3

Darin sind L Länge, B Breite, Q = L/B Schlankheitsgrad, V Volumen, av average value (Mittelwert).

Bernd Miggel

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#7
Verwechslungsmöglichkeiten
In Mitteleuropa, wahrscheinlich auch in Deutschland, gibt es etwa dreißig rothütige Täublingsarten.
Sehr ähnlich, man könnte sagen ,,eine Zwergausgabe" der hier beschriebenen Art, ist der Kleine Rosatäubling (Russula minutula).

Literatur
•   Ein Feldschlüssel für Täublinge
•   BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (2000): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 208.
•   EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea 43: Nr. 124.
•   MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones Bd. II: 392-395.
•   MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V Blätterpilze – Milchlinge und Täublinge: Nr. 102.
•   https://de.wikipedia.org/wiki/Netzflockiger_Rosa-T%C3%A4ubling
•   LGRB-Kartenviewer: https://maps.lgrb-bw.de/
•   https://fundkorb.de/pilze/russula-aurora-netzflockiger-rosat%C3%A4ubling


Viel Vergnügen beim Anschauen!

Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

jcs

Zitat von: Bernd Miggel in November 10, 2022, 16:08:11 NACHMITTAGS
Mikroskopische Merkmale
Seit den Sechziger Jahren ist bei Täublingen die Huthaut als wichtiges Merkmal nicht mehr wegzudenken. Um es auf den Punkt zu bringen: Bei scharf schmeckenden Täublingen untersucht man die Huthaut auf das Vorhandensein von Pileozystiden, bei mild schmeckenden auf das von inkrustierten Primordialhyphen. Unsere mild schmeckende Art wird also auf Primordialhyphen hin untersucht.

Hallo Bernd,

wieder einmal ein sehr interessanter und sehr schön aufbereiteter Beitrag! Schon erstaunlich, wie komplex die Pilze aufgebaut sein können, obwohl sie auf prinzipiell sehr einfachen Grundstrukturen basieren. Mit Deinen Erklärungen in Kombination mit den Hinweisen zur Präparation findet man in Deinen Threads Informationen, die sonst nicht so leicht zu finden sind.

Jürgen

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

danke für die Anmerkungen! Täublinge sind von jeher mein Steckenpferd.

Herzlichen Gruß
Bernd