Colorierung von REM-Aufnahmen

Begonnen von jcs, November 19, 2022, 21:10:16 NACHMITTAGS

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jcs

Liebes Forum,

nach einer längeren Pause habe ich beruflich wieder begonnen, öfters Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop (REM) zu machen. Dabei habe ich auch ein paar Hobby-Aufnahmen mit Proben aus unserem Garten machen können, die ich teilweise hier gezeigt habe:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44551.msg333051#msg333051

REM-Aufnahmen sind aufgrund der verwendeten Sensoren typischerweise Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Dank der hohen Auflösung bei gleichzeitig sehr großer Tiefenschärfe sind selbst diese SW-Aufnahmen sehr eindrucksvoll und kontrastreich. Wenn man zusätzlich Farbe ins Spiel bringt, gelingen vielfach fantastische Aufnahmen, siehe z.B.

https://www.micronaut.ch/project/new-images/
https://www.eyeofscience.de/

Mit welchen Methoden der Bildbearbeitung die Profis solche großartigen Bilder erzielen verraten sie verständlicherweise nicht im Detail. Es gibt im Internet natürlich eine große Anzahl von Videos und pdf's zum Thema, die zwar einen guten Einstieg liefern, aber meiner Meinung nach nicht an die Ergebnisse der oben verlinkten Bilder herankommen. Dennoch bekommt man zahlreiche nützliche Hinweise und Methodenbeschreibungen, z.B. unter den folgenden Links:

Das Handbuch "Basic Photoshop for electron microscopy" enthält sehr nützliche Beschreibungen zur Bearbeitung von REM-Aufnahmen mit Photoshop, unter anderem auch zahlreiche Methoden zur Colorierung:
http://www.nuance.northwestern.edu/docs/epic-pdf/Basic_Photoshop_for_Electron_Microscopy_06-2015.pdf

Auf Youtube findet man ebenfalls einiges zum Thema dieses Threads, z.B.:

https://www.youtube.com/watch?v=7vA8sAvPIaA

Und natürlich gibt es viele Youtube-Tutorials zum Colorierung von Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Allgemeinen, z.B.

https://www.youtube.com/watch?v=7vA8sAvPIaA

In diesem Thread werde ich meine Versuche beschreiben, und über den Threadverlauf hoffentlich immer bessere Ergebnisse zeigen können. Ich versuche meine Vorgangsweise so zu beschreiben, dass die einzelnen Schritte gut nachvollziehbar sind. Ich werde auf Photoshop und Lightroom zurückgreifen, da diese beiden Programme wohl von den meisten in der Branche verwendet werden. Wie immer, gibt es in Photoshop viele Wege die ins Ziel führen, und noch mehr, die in einer Sackgasse landen.

Wer also gute Tipps hat, wie es besser gehen kann, nur her damit!

LG

Jürgen

jcs

#1
Beginnen möchte ich mit REM-Aufnahmen des Brombeerrostes.

Die meisten REMs bieten zwei Möglichkeiten an, um Topographie-Aufnahmen zu machen: Entweder über den Sekundärelektronen-Detektor (SED, Abb. 1), oder über den Rückstreuelektronen-Detektor (backscatter electron detector -  BSD, Abb. 2 und 3). Der SED liegt seitlich im Probenraum, während der BSD direkt an der Säule hängt und damit senkrecht auf die Probe schaut. Aufgrund der quasi "schrägen Beleuchtung" sind die SED-Bilder meist etwas kontrastreicher, mit einer Tendenz zu ausgebrannten Lichtern und sehr dunklen Schatten. Der BSD besteht typischerweise aus mehreren Segmenten, die man einzeln schalten und damit das Erscheinungsbild der erhaltenen Aufnahmen variieren kann.

BSD-Bilder sind meist etwas "milchiger", und haben je nach Probenmaterial einen speziellen Reiz. Die Physik der Bildgebung zwischen SED und BSD ist natürlich auch unterschiedlich (z.B. Materialkontrast bei BSD-Bildern). In diesem Fall habe ich mich entschieden, auf SE-Bilder (Abb. 1) zu setzen.

jcs

#2
Die einfachste Art der Colorierung, die auch in den oben verlinkten Tutorials als Startpunkt empfohlen wird, ist die Maskierung der einzelnen Objekte und ein darauffolgendes Übermalen mit dem Pinsel in der gewünschten Farbe. Ich habe die Sporenköpfe des Brombeerrostes entsprechend maskiert und mit einem braunen Pinsel übermalt, siehe Abb. 4.

So kann man zwar sehr schön wichtige Bildelemente hervorheben, wirklich knackige Farbkontraste bekommt man so leider nicht.

Manfred Melcher

Hallo Jürgen,

die Colorierung von REM-Fotos ist ein interessantes Thema und ich werde gerne Deine Vorgehensweise verfolgen. Man muss sich ja nicht nur technischen Herausforderungen stellen, sondern es bedarf auch einer Menge künstlerischer Begabung.

Bernd (bernd552) hat uns in der Vergangenheit schon viele seiner colorierten Kunstwerke gezeigt. Vielleicht kannst Du Dich mit ihm austauschen.

Ich freue mich auf Deine Ergebnisse!

Liebe Grüße

Manfred

anne

Hallo Jürgen,
ich kann Dir zwar nicht helfen, aber da ich mit ,,Micronaut" persönlich bekannt bin, kann ich Dir sagen, dass der Aufwand der Colorierung für seine Aufnahmen immens ist. Das ist in Stunden nicht mehr zu zählen.  Daher gibt es hier sicherlich außer den Geheimnissen auch den Unterschied im Aufwand, den man betreibt.
Ich bin sehr gespannt auf Deine Schritte und Fortschritte und freue mich schon auf Deine Bilder!
lg
Anne

jcs

#5
Photoshop bietet zum Glück mit den "Adjustment-Layers" zahlreiche Möglichkeiten, Farbe ins Spiel zu bekommen. Mein Ziel war es, die Haare des Brombeerblattes in einem matten grün zu colorieren, die Stiele der Sporen in grau und die Sporen selbst in einer kontrastreichen Farbe mit ausreichend Sättigung.

Dazu habe ich zuerst das ganze Bild, mit Ausnahme des Infofeldes, mittels "Color Balance" global coloriert (Abb. 5). Der darauffolgende (und mühsamste) Schritt war die Maskierung der Sporen mit ihren feinen Warzen an der Oberfläche (Abb. 6). Mit dieser Maske habe ich dann einen Lookup-Table (LUT) auf das Bild angewandt, in diesem Fall "Edgy Amber". Wie Abb. 7 zeigt, kommt jetzt schon einiges an kräftiger Farbe ins Spiel. Die LUTs sind für die Colorierung in meinen Augen ein sehr mächtiges Werkzeug. Einige LUTs sind standardmäßig in Photoshop dabei, mit einer Suche im Netz findet man aber sicher viele weitere.

Einen ebenfalls sehr nützliches Werkzeug ist der "Channel Mixer", siehe Abb. 8. Damit lassen sich zu den Sporen weitere Farbtöne zumischen, und das Bild bekommt in meinen Augen einen deutlich natürlicheren Look.

Aljoscha

Hallo,

Ich frage mich ja, ob diese aufwendigen und arbeitsintensiven Colorierungen wirklich einen Erkenntnisgewinn bringen. Was sieht man auf den bunt gemachten Bildern, das man in schwarz/weiß nicht sieht? Die Colorierungen sind doch letztlich willkürlich und zeigen nicht die Wirklichkeit.

Viele Grüße

Alexander

jcs

Im letzten Schritt habe ich die Stiele maskiert und mit dem LUT "Fall Colors" eingefärbt und anschließend im Channel Mixer den Farbstich entfernt, siehe Abb. 9. Damit war ich in dem Fall am Ziel, das resulterende Bild ist in Abb. 10 gezeigt und sieht in meinen Augen schon recht herzeigbar aus.

jcs

Zitat von: Manfred Melcher in November 19, 2022, 21:32:21 NACHMITTAGS
die Colorierung von REM-Fotos ist ein interessantes Thema und ich werde gerne Deine Vorgehensweise verfolgen. Man muss sich ja nicht nur technischen Herausforderungen stellen, sondern es bedarf auch einer Menge künstlerischer Begabung.

Bernd (bernd552) hat uns in der Vergangenheit schon viele seiner colorierten Kunstwerke gezeigt. Vielleicht kannst Du Dich mit ihm austauschen.
Hallo Manfred,

danke für die schnelle Rückmeldung! Die großartigen Bilder von bernd552 kenne ich natürlich. Wenn er einige seiner Tricks verraten will, bin ich sofort dabei.

Allerdings verstehe ich auch, wenn die "REM-Künstler" ihre mühsam erarbeiteten Techniken für sich behalten wollen.

Jürgen

jcs

Zitat von: anne in November 19, 2022, 21:42:34 NACHMITTAGS
ich kann Dir zwar nicht helfen, aber da ich mit ,,Micronaut" persönlich bekannt bin, kann ich Dir sagen, dass der Aufwand der Colorierung für seine Aufnahmen immens ist. Das ist in Stunden nicht mehr zu zählen.  Daher gibt es hier sicherlich außer den Geheimnissen auch den Unterschied im Aufwand, den man betreibt.
Hallo Anne,

Du hast sicher recht damit, dass man hier sehr viel Aufwand treiben kann. Wenn man aus der Masse herausstechen will, führt vermutlich auch kein Weg daran vorbei.

Tage- oder wochenlange Arbeit werde ich nicht hineinstecken. Für das gezeigte Beispiel hat die Colorierung ca. 1,5h gebraucht. Das ist ungefähr dieselbe Zeit, die ich für die eigentliche Aufnahme des Bildes aufgewendet habe.

LG
Jürgen

Werner

Wenn man 12 Bilder zusammenhat, kann man die als Kalender verkaufen.
Nach dem "Verbrauch" als Bildergalerie den Gang entlang oder die Treppe hoch.

Ich habe noch die alten legendären Perkin-Elmer-Kalender - mit Kristallaufnahmen von einem gewissen Olaf Medenbach...

Gruß - Werner

jcs

#11
Zitat von: Aljoscha in November 19, 2022, 21:46:59 NACHMITTAGS
Ich frage mich ja, ob diese aufwendigen und arbeitsintensiven Colorierungen wirklich einen Erkenntnisgewinn bringen. Was sieht man auf den bunt gemachten Bildern, das man in schwarz/weiß nicht sieht? Die Colorierungen sind doch letztlich willkürlich und zeigen nicht die Wirklichkeit.
Hallo Alexander,

in dem konkreten Fall wollte ich schon, dass die Aufnahme einen gewissen Bezug zur lichmtikroskopischen Aufnahme (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=44551.msg328761#msg328761) hat, nur eben mit der höheren Tiefenschärfe und Auflösung, die das REM ermöglicht. Farbe gibt einerseits die Möglichkeit, gewisse Bildelemente hervorzuheben, aber auch analytische Informationen (z.B. Materialkontrast mit dem BSD) zu visualisieren. Ohne "Falschfarbendarstellung" sind auch die analytischen Detektoren am REM (z.B. EBSD, EDX) nicht sinnvoll zu verwenden.

In der Fluoreszenzmikroskopie (Konfokalmikroskop) geht ohne "Colorierung" auch nicht mehr viel. Der Übergang zwischen rein ästhetischer Colorierung und der Verwendung von Farbe zur Darstellung spezifischer Informationen, die man über die unterschiedlichen Bildgebungsverfahren erhält, ist also ein sehr fließender.

Im Zweifelsfall hat man ja noch immer das SW-Bild, wenn einem das am besten gefällt.

Jürgen

Aljoscha

Zitat von: jcs in November 19, 2022, 22:14:09 NACHMITTAGS

Im Zweifelsfall hat man ja noch immer das SW-Bild, wenn einem das am besten gefällt.


Hallo Jürgen,

"wenn einem das am besten gefällt." ist doch ein rein ästhetisches Kriterium. Mir ist wirklich unklar, wie man mit Colorierung einen wirklichen Erkenntnisgewinn produzieren kann. Da wird doch letztlich nur die "Sehgewohnheit" des Betrachters bedient. Einen Kontrast, der im schwarz/weißen Bild nicht vorhanden ist, kann man doch nicht durch Colorierung hervorzaubern.

Viele Grüße

Alexander

jcs

#13
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jcs

#14
Zitat von: Werner in November 19, 2022, 22:07:07 NACHMITTAGS
Wenn man 12 Bilder zusammenhat, kann man die als Kalender verkaufen.
Nach dem "Verbrauch" als Bildergalerie den Gang entlang oder die Treppe hoch.

Ich habe noch die alten legendären Perkin-Elmer-Kalender - mit Kristallaufnahmen von einem gewissen Olaf Medenbach...

Hallo Werner,

Kalender wird noch etwas dauern, Vollzeit-Mikroskopiker bin ich leider keiner. Aber das eine oder andere Foto hätte ich schon, siehe z.B. die "Goldtruhe" in Abb. 11.

Wer übrigens mit den Originalaufnahmen spielen möchte, hier ist ein Link zu den ursprünglichen Dateien, die Ausgangspunkt für das obige Beispiel waren:

https://photos.app.goo.gl/UYkLCSQ39SimKMBU6

https://photos.app.goo.gl/eh2RFFNr4Ekur5nL9

https://photos.app.goo.gl/eBLMCDWw8ziDmd3a8

LG

Jürgen