Vogelflöhe fangen und präparieren

Begonnen von plaenerdd, November 24, 2022, 22:44:26 NACHMITTAGS

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plaenerdd

#15
Hallo,
es ist vollbracht: Nach einer Mazeration in kochender Natronlauge (die im SCHLÜTER empfohlene Kalilauge hatte ich nicht da), einer Entwässerung in der Alkoholreihe (ISO) und einer kurzen Lagerung im Intermedium Xylol habe ich heute 6 der 7 Gefangenen in MALINOL eingedeckt. Das musste, wie weiter oben begründet, für jeden Floh einzeln geschehen, aber der hohe Aufwand hat sich gelohnt. Bei einer recht guten Trefferquote von 50% habe ich 3 gute Präparate erhalten.
Aus meiner Praxiserfahrung möchte ich noch eine Verbesserung der von SCHLÜTER angegebenen Methode bringen: SCHLÜTER empfiehlt ein Streichholz ohne Kuppe mit zu kochen, weil Natron- und Kalilauge sehr zum Stoßen neigen. Streichhölzer sind allerdings gewachst, damit sie besser anbrennen. Das führt zu einer relativ "trüben Brühe". Ein Stück Zahnstocher ist deshalb vorzuziehen.
Aber hier nun zwei Fotos.
1 Übersicht Vogelfloh Ceratophyllus sp. (Einzelaufnahme mit dem 2er Objektiv
2 Detail Kopf (gestakt) mit dem 10er.
Viel Freude beim Betrachten wünscht
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

liftboy

Hallo Gerd,

perfekt!!

viele Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

plaenerdd

#17
Hallo,
ich habe mir die Flöhe jetzt mal in Ruhe angesehen. Zu einigen Strukturen habe ich in älteren Forumsbeiträgen etwas gefunden, so zur Pygidialplatte, dem Sinnesfeld auf dem letzten Körperglied.

Hier ein paar Fotos von Strukturen , die ich zuordnen kann:
1 Kopf mit den eingeklappten keulenförmigen, auffällig gegliederten Antennen und dem schönen ,,Nacken-"Zahnkamm.
2. Drei der 6 Doppelklauen. Wenn man die hier sieht, versteht man, warum die Flöhe sich so schön verhakeln, wenn man sie im gleichen Probenglas transportiert. Damit kann man sich natürlich auch gut an Haaren und Federn festhalten.
3. Vier Stigmen (gelbe Pfeile), die Atemöffnungen des Tracheensystems an den Flanken des Flohes. Ganz zart sind auch Tracheen zu erkennen.
4. Pygidialplatte
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

plaenerdd

#18
Ich habe aber auch zwei Strukturen gefunden, von denen ich nicht weiß, wozu sie dienen. Beide liegen im Innern des Flohkörpers. Dazu muss ich noch erwähnen, dass ich die Flöhe ja mazeriert habe, also keine Weichteile mehr erhalten sind, sondern nur Teile auch Chitin. Wie die Tracheen müssen also auch diese Organe Einstülpungen der Epidermis sein.
1)Das erste Problematikum liegt im vorderen Drittel des Flohes (siehe Übersicht). Es erscheint mir als ein mit hunderten sehr feinen Stacheln besetzter Trichter. In der Nähe und in der gleichen Schärfenebene befinden sich zahlreiche verzweigte Tracheen (gelbe Pfeile). Ich habe die Struktur gelb eingekreist. Ich habe sehr stark kontrastieren müssen, um überhaupt etwas darstellen zu können, deshalb habe ich in Graustufen umgewandelt.
2) das zweite Problematikum befindet sich am Hinterende des Flohes, ebenfalls im Körperinnern. Es erscheint als eine recht dicke, wurstförmige Struktur, die außen glatt und innen mit feinen Rippen ausgesteift ist. Beide Strukturen sind nicht paarig, sondern nur einmal vorhanden.
Weiß jemand, was das ist?
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Jürgen H.

Tolle Photos, Gerd!

Ich tippe auf den behaarten Proventriculus und die Spermathek des Weibchens.

Viele Grüße

Jürgen

plaenerdd

#20
Hallo Jürgen,
an die Spermavorratstasche hatte ich auch schon gedacht, aber das Insekten einen Vormagen haben, wusste ich noch nicht. Danke für Deine Hinweise!

Übrigens sind alle 7 Exemplare, die ich gefangen habe, Weibchen. Ist ein solcher Frauenüberhang normal?

Ich würde ja auch gerne unmazerierte Flöhe untersuchen. Gibt es eine Möglichkeit, den dunklen Chitinpanzer anders aufzuhellen? Nelkenöl? WintergreenOil? Xylol allein, dass bei vielen Milben schon Wunder wirkt, hilft jedenfalls kaum. Das sieht dann so aus:

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

dicentra

#21
Hallo Gerd,


das ist mal ein interessanter Befund! Das Geschlechterverhältnis in Flohpopulationen kann aufgrund ganz verschiedener Ursachen verschoben sein (Temperatur, Feuchte, Alter des Wirtes....). Bei manchen Arten können Weibchen z.B. länger hungern als Männchen, ob das bei Vogelflöhen die Regel ist kann ich nicht sagen. Es könnte z.B. sein, dass die Befruchtung der Weibchen im Herbst stattfindet, die Männchen dann sterben, die Weibchen aber im kommenden Frühjahr erst die Eier legen? Du hast die Flöhe ja mittels Wärme angelockt, vielleicht brauchen die Männchen aber einen anderen Reiz (CO2, Abschattung,...).

In folgendem Artikel [size=78%]https://www.researchgate.net/publication/5294592_Sex_ratio_in_flea_infrapopulations_Number_of_fleas_host_gender_and_host_age_do_not_have_an_effect#pf3[/size] ist auch etwas über das Geschlechterverhältnis einiger Floharten zu finden, aber nicht zu ergiebig.

Das durchsichtig machen von Chitin bei Erhalt der Weichteile ist nicht so einfach. Die mir bekannten Methoden schädigen alle auch die Weichteile bevor das Chitin ausreichend durchsichtig wird. 2018 wurde eine neue Methode in Nature publiziert, die allerdings Chemikalien enthält auf die ich keinen Zugriff habe. Daher kann ich keine praktische Erfahrung beitragen. Nachlesen kann man die hier https://www.researchgate.net/publication/362793685_FlyClear_A_Tissue-Clearing_Technique_for_High-Resolution_Microscopy_of_Drosophila/link/63081f065eed5e4bd11d1da8/download

Grüße vom flohig begeisterten Oli


P.S: Falls dir die Diatomeen ausgehen sollten kannst du das Pygidium (den "Popo") vom Floh als Testobjekt für die Prüfung der Leistungsfähigkeit von Mikroskopobjektiven nutzen. Das hat man zumindest früher so gemacht  ;)

Jürgen H.

Lieber Gerd,

anders herum gefragt: Warum sollte die Zahl der männlichen und weiblichen Flöhe gleich sein? Ich kenne mich mit Flöhen nun leider gar nicht aus. Aber eventuell genügt ja ein Geschlechtsakt um ein Flohweibchen lebenslang zu befruchten, so dass die männlichen Flöhe nicht so wichtig zur Erhaltung der Population sind?

Zur Untersuchung der inneren Organe: Bist Du sicher, dass das Xylol in Deine Flöhe vollständig eingedrungen ist? Sind sie untergetaucht? Kann man unter dem Stereo vielleicht Öffnungen schaffen, zum Beispiel Abtrennen der Beine, des Kopfes?
Nelkenöl wäre aus meiner Sicht auch einen Versuch wert.

Histologische Untersuchungen in Paraffin dürften angesichts des doch reichlich harten Chitinpanzers schwierig werden, das ginge wohl nur in Kunststoff.


Viele Grüße

Jürgen

Jürgen H.

Lieber Gerd,

wenn die Flöhe einfach zu stark pigmentiert sein sollten um ohne Mazeration hindurch schauen zu können, gibt es es hier unter 2.3 eine allerdings komplizierte Anleitung:

https://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/27890/Kleineidam_278906.pdf?sequence=2

Viele Grüße

Jürgen


dicentra

Hallo Jürgen,


dieses Protokoll kannte ich noch nicht. So kompliziert ist es ja nicht, und es wird Salicylsäuremethylester eingesetzt, also tatsächlich wie von Gerd schon vermutet Wintergrünöl! Wobei mich wundert, dass 10 Tage 35% H2O2 hier nicht die Weichteile auflöst. Aber möglicherweise liegt es an der vorangegangenen Fixierung mit Paraformaldehyd? Muss ich über Weihnachten doch auch mal ausprobieren.


Oli

plaenerdd

Hallo,
ich habe heute Zecken präpariert (ebenfalls in NaOH mazeriert). Da habe ich einen ganz ähnlichen haarigen "Magen" gefunden (siehe angehängtes Foto)
LG Gerd
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plaenerdd

#26
Hallo,
im Beitrag #20 hatte ich einen undurchsichtigen Floh gezeigt, den ich als Referenz zu den in NaOH gekochten in MALINOL eingeschlossen hatte. Den habe ich mir jetzt mal im Auflicht angesehen. Ist auch ganz nett. Das ganze Tier ist auffällig gedrungener als die 6 anderen Exemplare. Ich fürchte, ich habe das einzige Männchen nicht in NaOH gekocht, so dass ich es auch nicht sicher diagnostizieren kann. Immerhin würde sich das Geschlechterverhältnis von 7:0 nach 6:1 verschieben.
Das stark reflektierende Auge fällt schon bei der Betrachtung mit der Lupe als heller Punkt auf.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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plaenerdd

#27
Hallo,
jetzt habe ich endlich auch mal ein paar Männchen erwischt. Bei meinem letzten Fischzug Flohzug habe ich aus einem einzigen recht kleinen Nest nicht weniger als 92 Flöhe erbeutet, von denen nun die ersten 16 die Prozedur der Mazeration in NaOH - Ausspülen mit HCl-haltigem Wasser - Alkoholreihe bis 100% Iso - Xylol- bis ins MALINOL geschafft. Unter diesen 16 Exemplaren sind 2 Männchen. Das ist fast das gleiche Geschlechterverhältnis wie beim ersten Fang, wo unter 7 Flöhen wohl nur ein Männchen war, das ich aber nicht 100%ig identifizieren konnte, weil gerade das Exemplar nicht mazeriert wurde. Hier nun das Foto vom Männchen. (Stak aus 8 Einzelaufnahmen mit dem SPlanApo4 von Olympus)
Viel Freude beim Betrachten!
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
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A. Büschlen

Lieber Gerd,

sehr schöne und gelungene Arbeit!

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

SNoK

Lieber Gerd,

das weckt in mir Erinnerungen. Ich habe vor über 40 Jahren zu dem Thema meine Diplomarbeit gemacht: "Insekten in Nestern der Stadttaube". Vogelflöhe waren auch dabei. Manche fielen unten raus in das Glas, andere hüpften oben raus, glücklicherweise bevorzugt auf meinen Kommilitonen, der andere Nester untersuchte, in denen weniger los war. Ich habe Dir mal den Teil über die Methoden eingescannt, auch wenn Du jetzt alles schon fertig hast. Eine schöne Arbeit hast Du gemacht!

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026