Nectria racovitzae Döbb. ein wenig beachteter Bryoparasit

Begonnen von A. Büschlen, Dezember 12, 2022, 13:27:18 NACHMITTAGS

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A. Büschlen

Hallo,

Ich beobachte seit Herbst 2021 und nun wiederum an unterschiedlichen Fundorten einen Ascomyceten der als Bryoparasit unterschiedliche pleurokarpe Laub- und tallöse Lebermoose befällt und sie so zerstört, dass sich die befallenen Stellen im dichten Epiphytenbewuchs als braune Flecken zeigen. Darauf sitzen die kleinen Fruchtkörper oft in grosser Zahl.
In der Folge nun meine Beobachtungen zu Nectria racovitzae Döbb. in Wort und Bild:

Perithecien sitzen einzeln oder bis zu kleinen Gruppen von  2-5 lose auf dem Substrat.
Perithecien feucht hell orange; trocken dunkel orange; rund bis 300µm.
Perithecien ohne Papille, hyaline Haare mehrmals septiert.
Sporen hyalin, 1x septiert, mit feinen, längs verlaufenden Linien; mehrheitlich mit 4 Oelkörper.
Sporen in Wasser gemessen n 37: l 28 – 38µm; b 5,5-10µm.
Asci 8-sporig.

Wirte:
Als Wirte beobachte ich verschiedene pleurocarpe Laub- und tallöse Lebermoose. Befallende Pflanzen sterben ab. In den Polstern kann ein silbrigglänzendes Mycel beobachtet werden; auf den Stängel und Blätter breitet sich das Mycel aus. Es bildet runde Appressorien die 2-3µm gross sind.

Nachtrag vom 16.12.2022 mit einem Bild das die Aussenwand von einem Fruchtkörper mit dem Mündungsporus zeigt und im Bild eingefügt ein Haar.
Auf der Suche nach den Haaren habe ich mehrere Perithecien mit der Rasierklinge halbiert, diese Perithecien-Hälften dann in Chloralhydrat eingedeckt. Zufällig lag eine Hälfte so, dass oben der sehr kleine Mündungsporus ( Ostiolum) sichtbar war. Hier auf dem Bild oben in der Stellung 12:00Uhr. Der Balken beträgt 20µm.
Wie schon oben erwähnt, sind die Perithecien rund. An ihrer Basis sind sie mit Hyphen bedeckt und immer wieder mit hyalinen Haaren besetzt. Diese Haare können bis 70µm lang sein, sie sind mehrfachseptiert und sehr unterschiedlich geformt. Das hier gezeigte Haar ist ein Beispiel. Der im Bild eingefügte Messbaalken gilt nicht für das Haar.

Zu den Bildern:

Bild 1 und 2:
Befallene Polster findet man vom Stammfuss bis in Höhen von >150cm ab Boden an Stämmen von Laubbäumen. Die Fruchtkörper können im Feld mit der 10fach Handlupe sehr gut erkannt werden. Balken auf dem Bild 2: 5mm.

Bild 3:
Mycel auf Blatt von Homalia trichomanoides (Hedw.)  in Baumwollblau gefärbt.

Bild 4:
1. Appressorien
2. Infektionshyphe ?
3. Haustorium?

Bild 5:
Asci und Sporen; links in DIC, rechts in Phasenkontrast. Die Balken betragen 20µm.

Bild 6:
Fruchtkörper-Aussenwand mit Mündungsporus und unten rechts ein Haar. Das Bild wurde im Phasenkontrast und mit eingelegtem Blaufilter aufgenommen.

Literatur:
Moosbewohnende Ascomyceten I. Die Pyrenocarpen, den Gametophyten besiedelnden Arten.
Autor: P. Döbbeler

https://fungi.myspecies.info/content/moosbewohnende-ascomyceten-i-die-pyrenocarpen-den-gametophyten-besiedelnden-arten

Arnold Büschlen

Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

reblaus

Hallo Arnold -

Bilder, die mich faszinieren!

Sind die Asci immer 8sporig oder beobachet man auch manchmal welche mit weniger Sporen (z.B. 4 kleinere und 2 normal große)?

Gruß

Rolf

Peter Reil

Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, BHT, CH2, CHK, Olympus SZ 30, antikes Rotationsmikrotom

A. Büschlen

#3
Danke Rolf!

Bis dahin habe ich die Asci immer als 8sporig erkannt.
In 2 von vielen Präparaten beobachtete ich in einzelnen Asci verformte Sporen.

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Jürgen Boschert

Lieber Arnold,

wieder ein typischer Büschlen: Unaufgeregt, klar strukturiert, lehrreich und untermauert mir qualitativ hervorragenden und auch ästhetisch ansprechenden Aufnahmen.
Danke !
Beste Grüße !

JB

mikrowastl

sehr schön lieber Arnold. Vielen Dank, auch für die Literatur.
Gruß Hans
Vorstelllung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33417.0
Axiostar plus /Wild M7s
,,Ich vermute inzwischen stark, dass ich doch nichts weiß!"

Heiko

Hallo Arnold,

darf mich den Lobeshymnen der Vorredner anschließen – Du findest tolle Sachen und dokumentierst vorbildlich.
Und Nectria racovitzae scheint das Internet noch nicht für sich entdeckt zu haben, es gibt nur sehr wenige Einträge. Auch ein Grund, die Stammbasen der Trägerbäume im Auge zu behalten ...
Das weite Wirtsspektrum erscheint mir staunenswert. Hier ...
http://www.ascofrance.com/uploads/forum_file/Dobbeler-Ascospore-diversity-of-bryophilous-hypocreales-0001.pdf
... wird von Nekrotrophie gesprochen. Ob dies einen Erklärungsansatz bietet?

Viele Grüße,
Heiko

Bernd Miggel

Hallo Arnold,

dein Beitrag macht Lust, einmal selber nach Bryoparasiten zu suchen. Wie gehst du vor, um soche Pilze zu finden?
Durchmusterst du die Moospolster schon vor Ort, oder machst du das erst zu Hause?

Viele Grüße
Bernd

A. Büschlen

Hallo,

@ all: danke herzlich für euer Interesse und die Wertschätzung! Das freut mich sehr.

Zu den Fragen von Heiko und Bernd werde ich später etwas ausführlicher schreiben.

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

A. Büschlen

Hallo Bernd,

Das gezielte suchen und das blinde sammeln sind zwei Möglichkeiten von vielen Methoden erfolgreich Bryoparasiten zu finden.

Ich suche gerne gezielt nach Bryoparasiten.

Als Hilfsmittel verwende ich eine Handlupe 10x vom Typ Lichen candelaris, ein Taschenmesser, Papiertüten um die gesammelten Moospolster geordnet ein zu packen. Auf diese Papiertüten gehören unbedingt Notizen zum Fundort und laufende Herbarnummer.

Zu Hause suche ich am Stereomikroskop die Aufsammlung gezielt ab.

Bevorzugt suche ich im Wald an den Baumstämmen mit Epiphytenbewuchs nach bräunlichen Stellen. Aber Achtung: es gibt auch viele Bryoparasiten die auf grünen unbeschädigten Wirten leben! Darin suche ich dann mit der Handlupe nach Fruchtkörper. Aus meiner Erfahrung zeigen Buchen, Hagebuchen, Weiden, Vogelbbeeren, Ahorne gegenüber Eschen, Eichen, Erlen, Birken und den Nadelbäumen eine grössere Artenvielfalt an Laub- und Lebermoosen als Epiphyten.

Es gibt natürlich viele weitere Lebensräume! Siehe dazu die Links unten.

Ganz wichtig: reichlich Material sammeln und wenn irgend wie möglich die Wirte bis zur Art bestimmen!

Fragt wenn ihr Fragen habt!

Gruss Arnold

http://ascofrance.com/uploads/forum_file/DoBbeler1997-Article-BiodiversityOfBryophilousAscom-0001.pdf

https://www.zobodat.at/pdf/Sydowia_38_0041-0064.pdf

http://octospora.de/





Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Bernd Miggel

Hallo Arnold,

das ist ja eine Welt für sich, faszinierend!
Gibt es eigentlich auch bryoparasitische Pilze an Sphagnen? Das wäre etwas für mich.

Herzliche Grüße
Bernd

beamish

Lieber Bernd,

da gäbe es z.B. Ascocoryne turficola, die ich bisher vergeblich gesucht habe.

Grüße
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

A. Büschlen

Hallo Bernd,

ja, P. Döbbeler erwähnt in seinen Publikationen einige Arten die auf Torfmoosen wachsen. Ich selber habe damit keine Erfahrung.

Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

Bernd Kaufmann

Hallo Arnold,

sehr schöne und informative Arbeit und ebensolche Bilder! Das ist schon eine faszinierende Welt. Vielen Dank fürs Zeigen!
Viele Grüße
Bernd ©¿©
www.aquamax.de
Lieber per Du.

Heiko

Ja wirklich, liebe Moos-Pilz-Begeisterte, eine faszinierende Welt.

Und sie hat ,,Verzweiflungspotential". Ein Beispiel. Wir fanden in diesem Herbst mehrfach einen ,,Hymenoscyphus", der mit Moos assoziiert scheint. Schon beim Moos versagte die Bestimmungskunst, Bryum rubens wurde uns dann mitgeteilt und per Fotobestimmung an den roten Kügelchen als wahrscheinlich festgemacht. Diese Kügelchen hatte ich bereits vorher unter ,,Nectria-Verdacht" mikroskopiert (und freigesprochen).
Und nun taucht in Arnolds Literaturangaben auch die Gattung Hymenoscyphus auf ... aber die Wirte passen nicht.  >:(

Viele Grüße,
Heiko