Botanik: Der Kaukasische Efeu - Hedera colchica im Vergleich *

Begonnen von Fahrenheit, Januar 27, 2023, 15:03:20 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

in seinem Thread Kolchischer Efeu (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=45379.0) hat uns Hans-Jürgen den Kolchischen oder Kaukasischen Efeu bereits vorgestellt. Anhand der Aufnahmen von den Blättern kamen jedoch Zweifel zur Bestimmung der Pflanze auf und ich habe im Botanischen Garten Bonn Fotos einer dort gehaltenen Pflanze gemacht, um einen sicher bestimmten Vergleich auf makroskopischer Ebene zu haben. Ein wegen der bekannten Heterophyllie der Gattung Hedera nicht ganz einfaches unterfangen, was insbesondere der Vergleich der fertilen Sprosse zeigte (mehr im oben genannten Thread).

Was hier noch aussteht, ist ein Vergleich der Anatomie beider Arten auf mikroskopischer Ebene, den ich hier nun nachreichen möchte.


Auch hier noch einmal kurz etwas zur Pflanze selbst

Hedera colchica ist eine Efeuart (Gattung Hedera, Familie Araliaceae in der Ordnung Arales), die im Nahen und Mittleren Osten heimisch ist. Sie wird auch Kaukasischer Efeu, Persischer Efeu oder Kolchis-Efeu genannt. Sie ist eine immergrüne Kletterpflanze, die an geeigneten Stellen (Bäume, Felsen, Mauern) bis zu 30 m hoch wächst, aber auch als Bodendecker gedeiht, wenn es keine vertikalen Flächen gibt. Sie klettert mit Hilfe von Luftwurzeln, die sich am Substrat festhalten und in warmen Klimazonen wächst sie schneller und etabliert sich damit schneller als andere Hedera-Arten.

Bild 1: Blätter vom sterilen Spross des Kaukasischen Efeus


Die Blätter sind wechselständig, es gibt zwei Typen (Heterophyllie): herzförmige bis fünflappige Jugendblätter an kriechenden und kletternden Stängeln (sterile Sprosse) sowie ungelappte, rautenförmige, lauroide Blätter an fruchtbaren, blühenden Stängeln (fertile Sprosse). Mit einer Breite von 15 cm und einer Länge von 25 cm hat H. colchica die größten Blätter aller Efeuarten.
Zerreibt man die Blätter, lässt sich ein leichter, sellerieartiger Geruch wahrnehmen. Die jungen Sprosse sind dicht behaart. Die Schuppenhaare tragen zwischen 7 bis 30 in sich verdrehte Strahlen (H. helix hat eher flache Sternhaare).

Bild 2: Blätter und Blüten vom fertilen Spross des Kaukasischen Efeus


Die Blüten erscheinen vom Spätsommer bis zum Spätherbst. Die kleinen, grünlichen Einzelblüten stehen in ballförmigen Dolden und sind sehr nektarreich. Sie sind somit eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. Die kugelförmigen, schwarzen Beerenfrüchte bilden sich in den Wintermonaten oder im zeitigen Frühjahr. Sie wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Vögel. Jede Beere enthält zwischen einem und fünf Samen, die von Vögeln, die die Beeren verschlucken, verbreitet werden.

Bild 3: mehrlappige Blätter eines sterilen Sprosses am Rande eine H. colchica var. Aborescens


Auch hier noch mal: ohne die Namensschilder an den Pflanzen im Botanischen Garten wäre mir H. colchica gar nicht aufgefallen, bzw. ich hätte die großen, herzförmigen Blätter der juvenilen Sprosse gar nicht der Gattung Hedera zugeordnet.

Quellen: Wikipedia zu Hedera colchica (https://en.wikipedia.org/wiki/Hedera_colchica) sowie Metcalfe and Chalk: Anatomy of the Dicotyledons 1950, Vol. II, 157 Araliaceae.


Bevor wir uns dem Vergleich zuwenden, wie immer ein paar Worte zur Präparation und zur verwendeten Technik. Beide Arten sind mit W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller gefärbt.


Kurz zur Präparation:

Geschnitten habe ich den Blattstiel und den Spross freistehend und das Blatt in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt je ca. 50µm.

Anschließend habe ich wie immer einige Aufnahmen von den frischen, unfixierten Schnitten gemacht.

Fixiert wurden diese für ca. 24 Stunden in AFE.

Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.

Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.


Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.08 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Nun aber zum Vergleich!

Hier stelle ich jeweils passende Bilder von H. colchica und H. helix gegenüber. Immer zuerst das Bild vom Kaukasischen Efeu und darunter das vom Gewöhnlichen Efeu.

Beginnen wir mit dem Spross:

Bilder 4a,b: Spross von H. colchica (oben) und H. helix (unten) in der Übersicht



Bilder 5a,b: Spross von H. colchica (oben) und H. helix (unten), Detail mit Beschriftung



Bei beiden Arten ist der Spross identisch aufgebaut: von innen nach außen finden das Markparenchym (bei H. helix mit vereinzelten Sekretgängen), das primäre Xylem und Xylem mit Tracheen gefolgt vom Cambium und dem Phloem. Darauf folgen Sklerenchyminseln (bei H. helix oft nur einzelne Zellen) und ein recht dickes Rindenparenchym, in dem bei beiden Arten Sekretgänge liegen. Nach außen hin wird der Spross durch ein Kollenchym und das Abschlussgewebe begrenzt. Beim jüngeren Spross von H. helix sehen wir hier Epidermis und Cuticula, beim H. colchica finden wir ein im Aufbau befindliches Periderm.
In den Parenchymen liegen viele Drusen.

Zusammengefasst:
Hedera colchica              Hedera helix
- keine Sekretgänge                 - Einzelne Sekretgänge
  im Markparenchym                   im Markparenchym
- kleine Sklerenchymkappen      - nur einzelne Sklerenchymzellen
  über dem Phloem                     über dem Phloem


Als nächstes schauen wir uns den Blattstiel an:

Bilder 6a,b: Blattstiel von H. colchica (oben) und H. helix (unten), mit Beschriftung



Bilder 7a,b: Leitbündel im Blattstiel von H. colchica (oben) und H. helix (unten), mit Beschriftung



Auch hier kaum Unterschiede, abgesehen vom deutlich größeren Durchmesser des Blattstiels von H. colchica, was aber ein makroskopisches Merkmal ist.
In beiden Fällen haben wir ein Markparenchym, um das teils muschelförmige, oft verbundene Leitbündel liegen (Xylem, Cambium und Phloem, oft disfunktionale Phloemzellen am äußeren Rand). Hier finden wir bei H. colchica kaum Sklerenchymkappen, während diese bei H. helix deutlicher ausgeprägt sind - auch ist das Xylem dort vergleichsweise stärker vertreten.
Nach außen hin folgen Rindenparenchym mit Sekretgängen, ein Kollenchym sowie Epidermis und Cuticula.
In den Parenchymen liegen viele Drusen.

Zusammengefasst:
Hedera colchica                  Hedera helix
- schwach verholztes Xylem            - massives, stark verholztes Xylem
- nur einzelne Sklerenchymzellen   - kleine Sklerenchymkappen
  über dem Phloem                         über dem Phloem


Zum Schluss schauen wir uns die Blattspreite an:

Bilder 8a,b: Blattspreit von H. colchica (oben) und H. helix (unten), mit Beschriftung



Bilder 9a,b: Detail der Blattunterseite von H. colchica (oben) und H. helix (unten), mit Beschriftung



Hier haben wir von oben nach unten in beiden Fällen Cuticula und Epidermis, darunter ein zwei- bis dreireihiges Assimilationsparenchym gefolgt von einem Schwammparenchym mit recht großen Aereolen. Zwischen den beiden Parenchymen liegen die Leitbündel. Auf der Blattunterseite haben wir wieder Epidermis und Cuticula mit eingelagerten Stomata. Und auch in der Spreite finden wir bei beiden Arten Calciumoxalatdrusen.

Bei den Blättern ist es mit den Unterschieden so eine Sache, da diese sich auch bei einer Art, ja bei einer Pflanze teils deutlich unterscheiden (z.B. Sonnenblatt und Schattenblatt, auch beim Efeu deutlich ausgeprägt). Hier würde ich also im Rahmen des Vergleichs von nur zwei Proben Möglichen keine Unterschiede ansprechen.

Fazit:
Bis auf wenige Kleinigkeiten zeigen alle betrachteten Pflanzenteile prinzipiell den gleichen Aufbau. Auch hier zeigt sich wieder, dass sich  die Arten einer Gattung in aller Regel mikroskopisch nicht unterscheiden lassen, da die anatomischen Unterschiede zu gering sind.

Einen Artikel mit weiteren Aufnahmen von den Präparaten vom Kaukasichen Efeu finden Sie auf der Webseite des MKB:
http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/botanik/384.html

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

danke, dass du dich so umfangreich mit den beiden Efeu – Arten (Hedera colchica  und  Hedera helix)  beschäftigt hast.
Die Pflanzenteile haben den gleichen Aufbau.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Bernd Miggel


Wutsdorff Peter

Grüß´ Dich  Jörg,
auch für mich als Laien eine interessante Gegenüberstellung!
Du hast Dir ja eine "Sau-Arbeit" gemacht. Gratulation !
Interessant finde ich die unterschiedlichen Farben, bei gleichem Färbemittel, besonders zu  erkennen am Blatt. Oder habe ich da was übersehen?
Von einem Kollegen erhielt ich W-ASim I, II, III. Bei II u. III ist zunächst alles rot. Ich färbe dann mit Astrablau nach, alles verdünnt 1:1 mit H2O nur 3 Min.
Dann ergeben sich im Präp. unterschiedliche  Farben.
Kann ich auch gleich alles mischen?
Gruß Peter

Fahrenheit

Liebe Freunde,

gerne geschehen und vielen Dank für Euer Lob!

@ Peter:

ja, alle Färbungen sind W3Asim I, der Ansatz ist immer der gleiche. Allerdings hat mein jetziges W3Asim I eine tief dunkelbraune Farbe, frühere Ansätze nach dem gleichen Rezept waren eher dunkelrot. Es scheint so, als ob sich die Farbstoffchargen auch ein wenig unterscheiden.
Andererseits hat die Probe den mit Abstand größten Einfluss auf die Färbung: Alter, Jahreszeit, Standort, unterschiedliche Arten ... alles wirkt sich auch auf die Färbung aus, was man immer im Hinterkopf haben muss.

Was Dein W3Asim II und III angeht: versuche nach der Färbung einmal sanft zu differenzieren (lass' die gefärbten Schnitte für ca. 24 Stunden in Aqua dest. liegen - bei gelegentlichem Wechsel). In aller Regel sind die Rottöne zunächst überfärbt, wass sich durch das Differenzieren beheben lässt.
Andererseits kann es auch sein, dass die Farbgemische einfach "umgekippt" sind. Aber dann hast Du mit der Nachfärbung eine gute Lösung gefunden.
Achte in dem Fall auf Farbflitter (kleine ausgefallene Kristalle) oder gar Pilze im fertigen Präparat. Da hilft dann nur noch Filtern oder Entsorgen.

Allen herzliche Grüße
Jörg 
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Fahrenheit

Liebe Pflenzenfreunde,

nochmal kurz nachgelegt: einen Artikel mit weiteren Bildern von den Präparaten gibt es nun auf der Webseite des MKB:
http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/botanik/384.html

Für Erstleser ist er auch am Fuß des Eingangspostings verlinkt.

Herzliche Grüße
Jörg
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jcs

Hallo Jörg,

sehr schöner und interessanter Artikel auf Eurer Homepage, mit gelungenen Bildern und einer detaillierten Recherche zum Efeu!

LG

Jürgen

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

vielen Dank für Dein Lob, ich freue mich, dass Dir der Artikel auf unserer Webseite gefällt.

Nur noch mal zur Aufklärung: es ist der gleiche Text wie hier im Forenthread, aber erweitert um weitere Aufnahmen, die es nicht in den Vergleich geschafft haben - also nichts gänzlich Neues.

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Hallo Jörg

Auch ich bin begeistert, beachtlich wie systematisch du da wieder vorgegangen bist👍👍👍
Ein Vorbild, ohne Frage

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Guten Morgen Gerhard,

vielen Dank für Dein großes Lob!   :)

Die Sache hat aber auch Spaß gemacht: ich war selber gespannt, ob sich meine Erfahrung "kaum bis keine Unterschiede in der mikroskopischen Anatomie innerhalb einer Gattung" hier bestätigt. Und der gewöhnliche Efeu Hedera helix ist ja quasi mein Haus- und Hofobjekt bei Demonstrationen, Schnippelabenden und MINT Aktionen, da er immer verfügbar ist und sich recht einfach schneiden lässt.

Herzliche Grüße
Jörg
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