Frühling im Moosaquarium - Coleochate-Algen

Begonnen von KayZed, Februar 12, 2023, 11:40:01 VORMITTAG

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KayZed

Hallo zusammen,

im Spätherbst habe ich mir ein Moosaquarium eingerichtet. Wie von Martin und Ole beschrieben wurde ein Büschel verschiedener Waldmoose unter Volvic-Wasser gesetzt.
Seitdem steht es mit schwimmenden Deckgläsern am (abgeschatteten) Südfenster. Mit zunehmender Tageslänge zeigen sich die ersten Frühlingsboten, u. a. schöne Exemplare der Coleochate-Schildalgen. Eine sehr ästhetische Algengattung, die durch ihre relativ hochentwickelte Zellorganisation evolutionsgeschichtlich auch als Vorläuferin der Landpflanzen diskutiert wurde.

Die lockere Schildalge Coleochate soluta zeichnet sich durch einen von einem Zentrum ausgehenden verästelten Wuchs aus. Die im "Wassertropfen" gezeichneten Lücken waren bei meinen Exemplaren erst zum Rand hin sichtbar. Also gar nicht so "locker" aufgestellt die "Soluta"!
Ein Beispiel dazu im DIK 50 aufgenommen.



Von der dichten Schildalge Coleochaete scutata kannte ich bislang nur die folgende Variante, die auch manchmal als scutata Brebisson bezeichnet wird.
Sie zeigt ein klaren radialen Wuchs mit deutlicher Schleimhülle und je einem großen Pyrenoiden in den Zellen. Aufnahme im DIK 100.



Eine weitere Coleochaete-Form konnte ich nur schwer zuordnen. Die Einzel-Zellen sind nicht gelappt, kreisförmig angeordnet, in ihrer Form regelmäßiger, die Konglomeration besitzt eine feste Außenhülle (Pellicula?).
Im Netz fand ich eine Aufnahme, die auch unter "scutata" geführt wird:
https://www.bewie.de/mikroskopie/5188/

Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass die die gleiche Art derart unterschiedliche Erscheinungsformen zeigt.
Von den weiteren Coleochaete-Arten käme für mich ehesten noch C. orbicularis in Frage.
Vielleicht können Experten dazu Genaueres mitteilen.

Im folgenden Bild (DIK 100) habe ich zwei Ebenen zu einem Komposit zusammengefügt.



Viele Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Aljoscha

Hallo,

Da sage ich nur: Einsame Klasse!

Viele Grüße

Alexander

KayZed

Danke Alexander

für die Lorbeeren.

Du bekommst auch von mir ein dickes Lob:
Das war die bisher schnellste Reaktion auf einen Post von mir.

Manchmal bin ich schon froh, wenn sich nach Tagen jemand meldet.
Ich bin halt kein Spezialist für Technik-Diskussionen, da befindet man sich im Forum meist in großer Gesellschaft.

Einen schönen Sonntag wünscht Dir
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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SNoK

Hallo Klaus,

schöne Aufnahmen. Das zweite Bild sieht ja schon fast aus, wie eine Micrasterias. Im "Simmelried-Buch" ist eine Coleochaete scutata, die sieht aber anders aus.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Ursulalala

Die sehen ja toll aus! Danke auch für die Erläuterungen, spannend, was du zu ihrer möglichen Roöle in der Evolution der Pflanzen schreibst.
Hast du auch ein Bild von deinem Moosaquarium? Das würde mich interessieren.

KayZed

Lieber Stephan,

ja, diese Exemplare von C. scutata sind schon sehr rund und symmetrisch. Ich dachte anfangs sogar mal an eine Pediastrum-Art.
Also, das Bild von scutata im Simmelried-Buch von Martin (S. 74 Nr 1) sieht nach meinem Dafürhalten schon relativ ähnlich aus (Das Bild 3 ist natürlich eine ganz andere Art.). Die borstenartigen Fortsätze waren allerdings bei keinem meiner Exemplare zu sehen. So weit ich gelesen habe, müssen sie aber nicht zwingend vorhanden sein.
Wenn man noch andere Aufnahmen von C. scutata im Netz vergleicht, fällt jedoch die extreme Variationsbreite auf, die unter diesem Namen geführt wird. Deshalb habe ich oben vermutet, dass es sich möglicherweise nicht immer um diesselbe Art handelt.
Genauere Literatur (Huber-Pestalozzi bzw. Süßwasserflora) steht mit zu dieser Gattung leider nicht zur Verfügung.

@Ursula
ich stelle morgen ein Bild meines Mini-Aquariums ein.

Liebe Grüße
KlausZ
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KayZed

#6
Hallo Ursula,

hier sind zwei Bilder meines Mini-Moosaquariums. Ich habe es vor ein paar Monaten mit kleinen Büscheln verschiedener Waldmoose und wenig Bodenmaterial angelegt. Aufgefüllt habe ich mit Volvic, weil unser Wasser am Alpenrand sehr hart ist. Das Gefäß ist etwa kubisch 10x10x10 cm. Oben liegt ein Deckglas auf. Die Moos-Kultur habe ich nur zum Fotografieren auf die Balkonbrüstung gestellt.

Die Idee stammt eigentlich von Martin und Ole (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=40382.msg297841#msg297841), wobei Ole die Moosproben nur anfeuchtet, während Martin sie auch wässert. Bringt vermutlich etwas verschiedene Organismen zur Entwicklung. Zum Durchmustern mit dem Stereomikroskop gebe ich manchmal kleine Proben in Petrischalen.

Was sich da jeweils entwickelt ist wohl sehr verschieden. Aber das macht es ja gerade spannend.






@Stephan

Je mehr ich über Coleocaete recherchiere umso verwirrender werden die Zuordnungen.

Manchmal schauen im Netz auch die C. soluta-Aufnahmen ähnlich aus wie mein erstes Bild von C. costata.
Mein kreisförmiges letztes Exemplar könnte tatsächlich C. orbicularis sein. Es gab mal dazu mal Aufnahmen von Ralf im Forum.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6500.0

Die Einzelzellen sind zwar kleiner, aber in derselben radialen Organisationsform, während andere Arten von Coleochaete von einem Zentrum aus verästelt wachsen.
(Zuweilen bin ich mir gar nicht sicher, ob es sich beim letzten Bild tatsächlich um die Coleochaete-Gattung handelt.)

Die radiale, gewebethallus-ähnliche Form bildet neue Zellen immer nur im äußeren Ring. Die Zellen stehen auch untereinander über tüpfelähnliche (lichtmikroskopisch nicht sichtbare) Kanäle in Verbindung. Dies ist wohl einer (wenn auch nicht der wichtigste) der Gründe, warum sie als Vorläufer der Landpflanzen diskutiert werden.

Hier noch ein Auszug aus Botanik-online (https://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d44/44c.htm):

Charophyceae
Charyophyceae im traditionellen Sinne sind die Armleuchteralgen mit Chara und Nitella als repräsentativen Vertretern. Die Zell- und Kernteilung ähnelt der der höheren Pflanzen; die äußere Gestalt dieser Algen weist auch in diese Richtung. Dennoch weiß man schon seit langem, daß die Armleuchteralgen nicht als Vorfahren der Landpflanzen in Betracht kommen, weil sie in zu vielen anderen Merkmalen als zu spezialisiert betrachtet werden können.
Am interessantesten ist jedoch die Gattung Coleochaete (Ordnung: Coleochaetales), die früher stets zu den Ulotrichales gestellt wurde, sich aber durch einen Kern- und Zellteilungsmechanismus auszeichnet, der dem der Landpflanzen gleicht. Hinzu kommt, daß in den Peroxysomen von Coleochaete das Enzym Glycolatoxydase nachgewiesen wurde, das ebenfalls für höhere Pflanzen typisch ist. Schließlich sind auch noch in geologischen Formationen, in denen die ersten Landpflanzen gefunden wurden, Coleochaete-ähnliche Fossilien nachgewiesen worden (L. E. GRAHAM, 1984). Die nächsten Jahre werden sicher weitere Belege zutage fördern, die darüber entscheiden, ob Coleochaete-ähnliche Formen den Vorstufen von Landpflanzen nahekommen oder ob andere Kandidaten hierfür gesucht werden müssen. Nach anderen Ansichten sollte man Coleochaete einer eigenen Ordnung zuweisen und sie dann gemeinsam mit den Klebsormidiales zu den "Klebsormidiophyceae" stellen.

Liebe Grüße
KlausZ


Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
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SNoK

Lieber Klaus,

leider habe ich auch nicht viel Literatur über Grünalgen. Der Huber-Pestalozzi 7. Teil, 1. Hälfte: Chlorophyceae (Grünalgen), Ordnung Chlorococcales, (J. Komábek, B. Fott, 1983) fehlt mir leider, aber ich habe ihn jetzt einfach mal bestellt, obwohl er teuer ist (man gönnt sich ja sonst nichts). Er ist noch beim Verlag lieferbar. Wenn der in ein paar Tagen kommt, kann ich mal nachschauen. Vielleicht werden wir dann beide schlauer.

Grüße
Stephan
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KayZed

Lieber Stephan,

mit dem Band habe ich auch schon spekuliert. Anhand des Inhaltsverzeichnis habe ich dort die Gattung Coleochaete aber nicht gefunden.
In der Süßwasserflora behandelt der Band 18 die Carophyceen. Dort wird aber in der Inhaltsangabe bei Coleochaete auf Band 13 verwiesen, weil diese gattung früher ofensichtlich den Ulvophyceen zugeordnet wurde. Sinnigerweise fand ich allerdings im Namensverzeichnis von Band 13 wiederum keine Coleochaete. Etwas verwirrend und seltsam.
Nur auf Verdacht will ich nun auch nicht diese relativ teuren Bände bestellen.

Vielleicht weiß jemand, wo in Huber-Pestalozzi oder der Süßwasserflora diese Gattung näher behandelt wird.

Herzliche Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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SNoK

Lieber Klaus,

ich habe vor einiger Zeit mal versucht, die Bände vom Huber-Pestalozzi zu "rekonstruieren". Bei zwei Halbbänden habe ich keine Ahnung, ob die überhaupt erschienen sind. Von den anderen fehlt mir jetzt nur noch der 4. Teil, aber den scheint man nicht mehr zu finden (wenn jemand ihn hat, her damit!):

1. Teil: Allgemeiner Teil, Blaualgen, Bakterien, Pilze (1938, Nachdruck 1962)
2. Teil, 1. Hälfte: Chrysophyceen, Farblose Flagellaten, Heterokonten (1941, Nachdruck 1962)
2. Teil, 2. Hälfte: Diatomeen (1945, Nachdruck 1975)
3. Teil: Cryptophyceen, Chloromonadinen, Peridineen (1950)
4. Teil: Euglenophyceen (1955)
5. Teil: Chlorophyceen (Grünalgen), Ordnung Volvocales (1961)
6. Teil: Chlorophyceen (Grünalgen), Ordnung Tetrasporales (B. Fott, 1972)
7. Teil, 1. Hälfte: Chlorophyceae (Grünalgen), Ordnung Chlorococcales, (J. Komábek, B. Fott, 1983)
7. Teil, 2. Hälfte: ?
8. Teil, 1. Hälfte: Conjugatophyceae (Desmidiales und Zygnematales), 1982
8. Teil, 2. Hälfte: ?

In welchem Teil Deine Coleochaete sein könnte, weiß ich nicht. Aber irgendwo muss das Ding doch sein.

Grüße
Stephan
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SNoK

Lieber Klaus,

ich habe heute das über eintausendseitige Werk von Huber-Pestalozzi bekommen, das aber nur eine Ordnung der Grünalgen behandelt, die Chlorococcales. Deine Alge gehört aber zur Ordnung der Coleochaetales. Vermutlich wären die in der 2. Hälfte des 7. Bandes, von dem ich nie etwas gesehen habe. Vielleicht ist der nicht erschienen. Schade. Aber das Buch ist trotzdem für meine Literatur eine schöne Ergänzung.

Grüße
Stephan
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KayZed

Lieber Stephan,

danke für deine Info. Das habe ich schon vermutet, weil die Coleochaete-Gattung offensichtlich zu den Charophyceen (Armleuchter-Algen) gestellt ist.
Trotzdem ist jeder dieser Bände - sofern man sie überhaupt noch bekommt - ein Gewinn.

Ich kann mich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass die von Manchen gewünschten Experten im Forum leider Mangelware geworden sind oder einfach wenig Lust haben,
auf jede Anfrage zu reagieren (was ich auch verstehen kann). Dies betrifft nicht nur die Algen, sondern genauso die Protozoen.

Schade, denn ich lese manchmal alte Beiträge, wo diese Themenbereiche deutlich stärker repräsentiert waren und diskutiert wurden.

Herzliche Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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bewie

Hallo Klaus,

ich bin ganz sicher kein Spezialist Coleochaete, aber du das Bild auf meiner Website erwähnt hast, gebe ich doch mal meinen Senf dazu.

Ich verwende zur Bestimmung von Algen im allgemeinen John et al.: The Fresh Water Algal Flora of the British Isles, eigentlich ein ganz renommiertes Werk.

Bei den runden, zentrifugal wachsenden Kolonien der Coleochaeten kommen C. orbicularis, C. scutata und C. soluta in Frage. Bei C. soluta sind die Zellen lateral nicht verwachsen, bei den beiden anderen sind sie verwachsen. In Deinem unteren, zusammengesetzten Bild sind die Zellen eindeutig lateral verwachsen, so dass dafür nur C. orbicularis oder C. scutata in Frage kommen. Das Bild darüber, das du als C. scutata bezeichnest, zeigt deutliche laterale Lücken, so dass ich das eher für eine relativ kleine C. soluta halte. Deren Zellen sind 8 bis 25 µm groß und haben ein Seitenverhältnis zwischen 1 und 3, was ebenfalls passt. Das Verhältnis Länge zu Breite liegt zwischen 1 und 3, auch das kommt hin. Bleibt noch die Frage, ob im unteren Bild C. orbicularis oder C. scutata abgebildet ist. Die beiden sind vom Aspekt her leicht zu verwechseln, der entscheidende Unterschied liegt in der Zellgröße. Sie liegt bei C. orbicularis zwischen 7 und 12 µm, bei C. scutata zwischen 14 und 46 µm. Anhand deines Maßstabsbalkens dürfte es sich also eher um eine junge Kolonie von C. orbicularis handeln. Die Scheiben können bis zu 4 mm Durchmesser erreichen. Die Borsten dieser Algen sind übrigens nicht immer zu sehen, so dass sie nicht als Bestimmungskriterium herangezogen werden können.

Bleibt noch die Frage, was in dem oberen Bild zu sehen ist. Die Zellen sind, wenn ich deinen Maßstabsbalken anlege, etwa 3 µm breit und und überwiegend viel länger, teilweise 5- 6mal so lang. Das passt auf den ersten Blick nicht so ganz zu den Kriterien von C. soluta. In der Freshwater Algal Flora wird zu dieser Spezies aber eigens erwähnt, dass die Alge sehr variabel ist und sich die angegebenen Maße auf die Britischen Funde beziehen. Also wahrscheinlich doch C. soluta; und ich wüßte offen gestanden auch nicht, was es sonst sein sollte. Und wenn diese Spezies so variieren kann, würde das auch den Unterschied zwischen erstem und zweitem Bild erklären.

Zum Schluss nochmals die klare Aussage: Ich bin kein Spezialist für Coleochaete! Aber die Variabilität dieser Algen habe ich doch auch immer wieder gesehen.

LG
Bernhard

KayZed

Hallo Bernhard,

herzlichen Dank für deine interessanten Ausführungen.
Du hast mir sehr weitergeholfen und meine etwas vagen Überlegungen - bis auf die C scutata mit den lateralen Lücken - im Großen und Ganzen bestätigt.

Das Buch "Fresh Water Algal..." ist wohl eine gute Empfehlung. Bei Lehmann gäbe es die neueste Auflage für 179 €. Gebraucht habe ich auf die Schnelle nichts gefunden.
Ich habe gelesen, dass dem Buch eine CD mit Fotografien beiliegt. Ist das richtig?
Gäbe es auch irgendwo einen PDF-Download im Bezahlformat?

LG
KlausZ
Zeiss Stemi 508
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bewie

Hallo Klaus,

ja, das Buch ist leider teuer und gebraucht nur selten zu bekommen. Eine Bezugsquelle als PDF ist mir leider auch nicht bekannt. Habe Dir ansonsten eine PN geschickt.

LG
Bernhard