Ockerbakterium Leptothrix ochracea

Begonnen von KayZed, März 07, 2023, 11:30:56 VORMITTAG

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KayZed

Liebe Mikrofreunde,

viele haben es wahrscheinlich schon gesehen, hätten es aber auf der Suche nach ansprechenderen Mikroorganismen lieber nicht unter dem Deckglas gehabt.

Das "Eisenbakterium" Leptothrix ochracea kann einem die Lust am Mikroskopieren manchmal ganz schön versauen. Aber wie so oft wird durch genaueres Beobachten und Recherchieren ein eher lästiger Organismus durchaus interessant. Das schwimmende Deckglas auf einer Moos-Kultur war bei mit wieder mal übersäht mit gelbbraunem Gewusel. Statt es zu entsorgen, wollte ich diesmal Näheres über diese Fäden in Erfahrung bringen.

Zunachst ein Überblicksbild mit DIK 25



Die gelbbraunen Stränge sind nicht die Bakterien, sondern deren Hülle, in der zweiwertiges Eisen in dreiwertiges Eisenoxidhydrat oxidiert wird. Diese Schleimscheiden werden durch die Eiseninkrustationen sehr spröde und brechen leicht ab, wie man an einigen Stellen in der obigen Aufnahme erkennen kann. Bei L. ochracea haben Hüllen immer in etwa die gleiche Breite im Unterschied zu anderen Leptothrix-Arten, die sich auch verjüngen können.

Die Ockerbakterien produzieren die Schleimhülle, indem sie Proteinfibrillen abscheiden, die im Laufe der Zeit zunehmend mit Eisenoxid inkrustiert werden. Leptothrix befindet sich in einer Art "Röhre" im Inneren der Schleimscheiden, in der sie sich frei bewegen können. Bei Fokussierung auf die Röhre ergibt sich manchmal ein perlschnurartiger Eindruck der Zellreihe. Sehr deutlich ist das bei den Aufnahmen von Michael Plewka zu sehen. https://plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Procaryota/e-procaryota/e-source/Leptothrix%20ochracea.html
Dies sind allerdings nicht die Zellumrisse von L. ochracea, sondern wie ich später festgestellt habe, eher stark entwickelte Speicher-Granulen, in denen Buttersäure-Abkömmlinge als Reservestoffe gespeichert werden (siehe dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Leptothrix) Folgende Aufnahmen im DIK 100.



Die Zellen des Ockerbakteriums bestehen aus kurzen zylinderartigen Stäbchen mit einer durchschnittlichen Größe von 1µm x 3µm. Sie liegen innerhalb der Scheiden in Ketten vor, können sich aber auch außerhalb einzeln mit einer monotrichen Geißel fortbewegen.Das nächste Bild zeigt eine Kette, die aus der Hülle austritt. Die Granulen sind mit Pfeilen gekennzeichnet.



Die Leptothrix-ochracea-Stränge sind immer unverzweigt, auch wenn bei Überlagerung manchmal der Eindruck einer dichotomen Verzweigung entsteht. Welche Rolle die Eisenoxidation für das Bakterium spielt ist immer noch nicht vollständig geklärt. Unter den bevorzugten Umweltbedingungen von L. ochracea (aerobes Milieu, neutraler PH-Wert) oxidiert Fe II von selbst relativ schnell zu Fe III. Es wurde allerdings festgestellt, dass enzymatische Ausscheidungen des Bakteriums die Oxidation beschleunigen. Es gibt schon lange die naheliegende Vermutung, dass Leptothrix-Arten die Eisenoxidation (ähnlich der echten chemolithotrophen Bakterien) als Energiequelle für den Stoffwechsel nutzen. Dies konnte allerdings bislang nicht bestätigt werden. Zudem nutzt L. ochracea u. a. verschiedene Zucker und Aminosäuren aus der Umgebung und ist deshalb als chemoorganoheterotroph einzustufen.

Die Eisenschleimhüllen sind mit Sicherheit ein guter Schutz vor Fressfeinden. Sie haben jedoch auch einen wesentlichen Nachteil:
Bei genauerer Betachtung fällt auf, dass ein Großteil der Eisenoxidhydrat-Hüllen leer sind. Dies liegt daran, das mit stärkerer Eiseninkrustierung der Stoffaustausch mit der Umgebung zunehmend behindert wird. Dies wird vom Organismus dadurch gelöst, dass die Bakterien regelmäßig einzeln oder in kurzen Ketten aus älteren Hüllen auswandern und anschließend neue Schleimscheiden produzieren.

In der letzten Aufnahme sind nochmals eine leere und besetzte Schleimscheide zu sehen.



Die massenhafte Ansammlung leerer Eisenoxid-Stränge ist einer der Ursachen für das immer wieder zu beobachtende makroskopische Phänomen ockerfarbener Beläge am Grund von eisenhaltigen Gewässern. Sogar in alten Wasserrohren kann L. ochracea durch zunehmende Ablagerungen ein Problem bereiten.

Herzliche Grüße
KlausZ

PS: Eine ausführliche Behandlung der Leptothrix-Arten findet sich in der "Süßwasserflora von Europa" Bd. 20, S. 256ff
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Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

SNoK

Lieber Klaus,

eine sehr schöne Dokumentation mit super Bildern. Ich hatte ja in Deinem anderen Strang auch ein Bild gezeigt, und die Vermutung geäußert, dass es Leptothrix ochracea sein könnte:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=45970.msg339261#msg339261

Allerdings war das Teil grau und nicht farbig. Wenn ich mir aber Dein viertes Bild oben anschaue (leere Schleimhülle), und mir die Farbe wegdenke, dann könnte meine Vermutung stimmen. Und im Huber-Pestalozzi steht, dass L. ochraceae manchmal farblos sein kann.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

#2
Lieber Stephan,

deine schnelles, positives Feedback freut mich.
Das stimmt schon, dass L. ochracea farblos sein kann, wenn es gerade ein frische Schleimhülle produziert.
Die jungen Hüllen sind aber noch ziemlich dünn, soweit ich mich an Bilder aus dem Netz erinnern kann.

Grüße
KlausZ

PS: Habs in der Schnelle übersehen, Stephan und nachgetragen.
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SNoK

Zitat"Die jungen Hüllen sind aber noch ziemlich, soweit ich mich an Bilder aus dem Netz erinnern kann."

Ziemlich was?

Stephan
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