Lieber Bernd,
dein empfohlener Sciencedirect-Artikel ist die Grundlage meiner Überlegungen, wobei ich zugestehen muss, dass ich ihn nur in Grundzügen verstanden habe, weil mir die biochemischen Grundlagen schlichtweg fehlen. Totzdem hochinteressant!
Etwas einfacher sind die jüngsten Forschungsergebnisse zur Morphologie und Funktion der Pyrenoide hier zusammengefasst:
https://www.bionity.com/de/news/165016/das-pyrenoid-ist-ein-kohlenstoff-bindender-fluessigkeitstropfen.htmlAm Ende findet sich ein link zur Originalveröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Biochemie.
Lieber Ole,
deine Resonanz auf mein biologisches Interesse freut mich.
Wie gesagt bestehen Pyrenoide u. a. aus einer konzentrierten Ansammlung des RuBisCo-Enzyms, welches für die Fixierung des Kohlenstoffs aus dem CO
2 zuständig ist, aus dem in weiteren Schritten die Assimilate synthetisiert werden. RuBisCo hat nun die Eigenschaft, nicht nur Kohlenstoff-Atome zu binden, sondern auch Sauerstoff. Letzteres wäre für Algen und Pflanzen nicht nur kontraproduktiv, sondern auf Grund der stark oxidierenden Wirkung unter Umstanden sogar schädlich. Die Sauerstoff-Affinität von RuBisCo kann blockiert werden, wenn immer ein hohes Angebot an Kohlenstoff-Atomen in der Umgebung des Enzyms vorhanden ist. Dazu ein Zitat aus dem obigen MPI-Artikel:
"Deshalb haben Algen einen trickreichen Weg gefunden, solche Reaktionen mit Sauerstoff zu verhindern und den Wirkungsgrad der Kohlenstoffbindung zu erhöhen. Sie konzentrieren den Großteil ihres Rubsicos in einem kugelförmigen Mikrokompartiment, dem sogenannten Pyrenoid, das sie mit einer hohen lokalen Kohlendioxidkonzentration fluten."
Die Konzentration von Kohlenstoff ist also offensichtlich eine wesentliche Aufgabe des Pyrenoids. Wie ich dem Sciencedirect-Artikel (S.5) entnommen habe, spielen zu deren Aufrechterhaltung scheinbar auch die Stärkescheiden eine Rolle, in dem sie die Rückdiffusion von CO
2 erschweren:
"The Chlamydomonas pyrenoid is surrounded by a sheath that is composed of several starch plates. The starch sheath develops rapidly under limiting CO2 concentrations and has been proposed to act as a diffusion barrier to reduce the loss of CO2 that diffuses readily between the stroma and matrix ."Bei den Landpflanzen besteht dieses Problem genauso, da tagsüber, wo das Licht für die Photosynthese vorhanden ist, auch in der Regel die Stomata (Spaltöffnungen) der Blätter geöffnet sind, was zu einem Verlust an CO
2 führen würde. Deshalb entwickelten sich bei Pflanzen in heißen Regionen evolutionäre Anpassung der Photosynthese, in der die Kohlenstofffixierung von der Lichtreaktion entweder örtlich getrennt wurde (C
4-Pflanzen) oder zeitlich (CAM-Pflanzen).
Bitte nicht falsch verstehen. Ich will jetzt keine großen biochemischen Diskussionen vom Zaun brechen. Dazu fehlen mir auch die fachlichen Grundlagen.
Trotzdem finde ich es ungeheuer spannend und anregend, das was ich im Mikroskop sehe, auch von der biologischen Seite her ein wenig zu verstehen, auch wenn es sich letztlich auf autodidaktisch angehäufte Bruchstücke beschränken muss.
Weil es gerade passt, ein paar grundsätzliche Überlegungen.
Die Motivationen am Okular können sehr verschieden sein:
- sich einfach an der Vielfalt der Mikrowelt erfreuen und zu staunen. Frank hat dazu gerade wieder eine wunderbare Anregung geliefert.
- die Organismen zu erkennen und zu benennen, also die Daueraufgabe der taxonomischen Einordnungen,
- die beobachteten Mikroorganismen in ihrer Morphologie, Physiologie und Ökologie ein wenig zu verstehen
- und natürlich auch die Beschäftigung mit der Technik und den Geräten, die in Astro-und Mikroforen gerne einen breiten Raum einnimmt.
All diese (und vielleicht auch noch andere) Zugänge sind absolut legitim. Ich will hier keinerlei Wertungen vornehmen und kann mich besonders in den ersten drei Punkten jederzeit wiederfinden. Die Mikroskoptechnik ist für mich eher Mittel zum Zweck, wobei ich es sehr schätze, wenn man von Technik-Experten hilfreiche Tipps bekommen kann.
Trotz allem will ich nicht verheimlichen, dass ich mir manchmal im Forum etwas mehr Resonanz auf taxonomische und biologische Fragestellungen wünschen würde. Wenn ich die Suchfunktion benütze, stelle ich fest, dass diese Themen früher oft intensiver und lebhafter diskutiert wurden. Ich will nicht darüber spekulieren, was die Gründe sein könnten.
Ich freue mich jedenfalls, wenn es im Forum Mikrofreunde gibt, für die das "Leben im Wassertropfen" eine zentrale Motivation unseres wunderbaren Hobbys darstellt.
Liebe Grüße
KlausZ
PS:
Worum ist sich bei den Chloroplastenstrukturen handelt, die sich gehäuft in der Umgebung der Pyrenoide befinden, wäre noch eine interessante Frage.