Anmerkungen zu (zwei) >>> drei Zieralgen

Begonnen von Michael Plewka, März 19, 2023, 08:11:51 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

Zusammenhang mit dem Beitrag von Klaus zu den Pyrenoiden
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46020.0


hatte ich ja ebenfalls mich mit einer Closterium beschäftigt. Zu dem Zeitpunkt meines Beitrags dort war mir allerdings noch nicht klar, um welche Art es sich dabei handelt. (Ich bin  kein Algen-Experte). Mittlerweile habe ich weitere Exemplare gefunden und bin der Meinung, dass es sich bei meiner Art dabei um Closterium lunula handelt. Neben den üblichen Merkmalen wie zum Beispiel Gürtelbänder ja oder nein (hier: nein) oder die Anordnung der Pyrenoide (zerstreut)   gibt es da  noch ein weiteres, alleinstellendes Merkmal, von welchem ich allerdings bisher  nur im Wassertropfen gelesen habe: dort ist von einem "vakuoligen Mittelkörper" die Rede, der sich somit im Zentrum der Zelle befindet. Hier ein Bild davon:




Normalerweise wäre an dieser Stelle bei den meisten Closterien der Zellkern   zu finden. In allen von mir bisher daraufhin untersuchten Closterien dieser Art habe ich lediglich diese Struktur, aber keinen Zellkern gefunden.

In Klaus´Beitrag ging es ja um die Pyrenoide. Aus den Beiträgen von Martin Kreutz bin ich zu der Einsicht gelangt,  dass es  nicht verkehrt ist, zur Beschreibung der Morphologie  einen Organismus neben anderen Beobachtungsmethoden diesen auch zu komprimieren, wenn nötig, auch letal  (dass dabei Artefakte zu berücksichtigen sind, ist auch klar). Bei meinen Closterien ergibt sich dabei immer das Bild von unregelmäßig geformten Platten aus Stärke (>>> Jod). Spindelförmige Stärkekörnchen konnte ich nicht beobachten. Mehr zu dieser Art hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Conjugaphycea/e-source/Closterium%20lunula.html






Für diese morpholgischen Unterschiede  der Pyrenoide bzw. Pyrenoid-Stärkekörner  gibt es m.E. zwei mögliche Erklärungen:

1. wie ich schon in dem Beitrag von Klaus angedeutet hatte, verändern sich die Stärkekörner während  des Lebenszyklus der Zelle; d.h. ein Foto (bzw. ein Video) stellen nur eine Momentaufnahme dar. Es muss aber klar sein, dass diese Körner ja irgendwann mal gebildet werden müssen; und sie werden auch wieder abgebaut. Wahrscheinlich  ändert sich dabei ihre Form

2. Vielleicht ist die Form der Pyrenoid-Stärke art-typisch.  Da müssten dann verschiedene Arten dahingehend  untersucht werden. Und das ist mal wieder die Cloud-Intelligenz des Forums gefragt......



Bei der Beschreibung von Closterium lunula ist (im Wassertropfen)  ebenfalls zu lesen, dass diese Art sehr häufig mit Micrasterias rotata   vergesellschaftet ist. Tatsächlich habe ich auch diese Art relativ häufig in der selben Probe gefunden.  Nun sind Micrasterias-Arten in diesem Forum schon ziemlich häufig gezeigt worden. Mir ist aber nicht bewusst, dass dabei  jemals die folgenden Strukturen in einer Micrasterias gezeigt bzw. thematisiert worden sind. Diese erinnern auf den ersten Blick an die Zellkerne von anderen Protisten;





erst  nach einer etwas längeren Recherche bin ich bei einem Beitrag von Wolfgang Bettighofer fündig geworden
https://www.protisten.de/german/docs/Beobachtungen%20an%20kleinen%20Sternen%20V5_3%20Teil%202.pdf:
demzufolge  handelt es sich dabei um Dictysomen also Zellorganelle, die im Zusammenhang mit dem Golgi-Apparat stehen.

Bei der Micrasterias rotata  sind mir noch zwei weitere Dinge aufgefallen: Erstens: auch hier konnte ich keinen Zellkern finden, sondern nur würstchenartige Strukturen (Chromosomen?). Zweitens: beim Verdunsten des Wassers sorgt der Deckglas- Druck dafür, dass bestimmte  Anteile aus der Zelle austreten, wie man im nächsten Bild sehen kann. Interessanterweise haben diese Körperchen, die aus der Zelle ausgetreten sind, eine sehr regelmäßige Struktur, die an Fullerene erinnert:




Auch hier habe ich überhaupt keine Ahnung, um was es sich dabei handeln könnte. Möglicherweise stehen diese Gebilde im Zusammenhang mit Strukturen, die auch in den Chlorplasten zu finden sind. Mehr dazu hier:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Conjugaphycea/e-source/Micrasterias-rotata.html

Vielleicht kann ja ein Algenexperte dazu mal was sagen.

Beste Grüße
Michael Plewka

KayZed

Lieber Michael,

ein toller, informativer Beitrag, der erneut bestätigt, dass es auch in der Lichtmikroskopie noch viel zu entdecken gibt.

Ich habe mir deine instruktive Beschreibung von C. lunula gleich mal für diese Saison vorgemerkt. Du entwickelst ja mit deinen wunderbar fein aufgelösten Bildern eine ähnliche Ästhetik wie Ole und Martin.

Ich denke, dass "deine" Stärkekörner um die Pyrenoide gar nicht so verschieden von "meinen" eher spindelförmigen in C. moniliferum sind. Zum einen ändern sich wohl - wie du schreibst - die Formen im Laufe der Entwicklung, zum anderen hast du sie in deiner zweiten Aufnahme zur besseren Darstellung vermutlich ziemlich flach gedrückt.

Deinen interessanten Hinweis auf die Dictyosomen in M. rotata nehme ich gerne auf und werde heuer, sobald sich die Gelegenheit bietet, die Organellen mal mit höherer Vergrößerung suchen.

Grüße KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

SNoK

#2
Lieber Michael,

danke für den schönen Beitrag. Als ich vorgestern mal wieder in meine Pillerseeprobe schaute, entdeckte ich immer noch sehr vitale Micrasterias rotata und habe ein paar Bilder in verschiedenen Schärfeebenen gemacht. Eines passt im Prinzip zu Deinen Aufnahmen von Dictyosomen, nur kann ich die nicht wirklich ausmachen, höchstens erahnen. Vielleicht sind die auch nicht immer in der Zahl wie bei Dir zu ersehen. Ich frage mich, ob die brauen Flecken welche darstellen könnten, die vielleicht im "Nidergang" sind?

Dann habe ich mir aufgrund des Beitrags von Klaus auch noch mal die Pyrenoide angeschaut. Ebenalls von M. rotata. Die Plattenstrukur, wie Du sie von Closterium beschreibst, sehe ich häufig, auch wieder hier auf einem Foto. Ich habe da nicht extra einen Pfeil dran gemacht, weil man das auf dem Foto gut erkennen kann.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

Lieber Stephan,

Könnten die von dir angesprochenen Dictyosomen nicht die grünen, runden "Knöpfe" im ersten Bild sein?
Sind denen von Michael schon ähnlich, nur dass der "Hof" um das Zentrum fehlt.

LG KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

SNoK

Lieber Klaus,

ich dachte, dass das eher Reservetröpfchen sind. Aber mal sehen, was Michael sagt.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
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Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Bernd

Hallo Michael,

ich bin überzeugt, daß sich sowohl bei C. lunula als auch bei M. rotata der Zellkern in der Zellmitte befindet. Er wird aber teilweise vom Chloroplasten überdeckt und zeichnet sich deshalb nicht so deutlich ab wie bei anderen, besonders dünneren Closterien. Bei einer kurzen Suche im Netz habe ich überraschenderweise aber kein Bild gefunden, das ein Closterium oder eine Micrasterias mit angfärbtem Zellkern zeigt. Das wäre doch ein schönes Projekt für unsere Fluoreszenzmikroskopiker: eine Micrasterias mit DAPI-blauem Zellkern und roter Chlorophyll-Autofluoreszenz.

Zu deinen herausgepressten Körperchen fällt mir nichts ein. Ich hatte zuerst an den Porenapparat gedacht, aber der müßte anders aussehen, nicht so strukturiert.

Viele Grüße
Bernd

Michael Plewka

Hallo zusammen,
vielen Dank für die Rückmeldungen!

@ Stephan: was die Dictyosomen angeht, so ist es wohl wirklich was besonderes bei Micrasterias, dass dort diese Orgenelle überhaupt sichtbar sind.  Bei vielen anderen Gattungen sind diese viel zu klein, als dass sie im LM als solche erkannt werden können. Es empfiehlt sich aber auf jeden Fall, sich die beiden pdfs auf Wolfgang Bettighofers website:

https://www.protisten.de/german/micrasterias/micrasterias.html

anzuschauen. Vielleicht klärt sich ja dadurch die eine oder andere Frage.

Wolfgang teilte mir auch mit, dass er die "Buckyballs" ebenfalls für Dictyosomen hält.


@ Bernd: 
Zitatich bin überzeugt, daß sich sowohl bei C. lunula als auch bei M. rotata der Zellkern in der Zellmitte befindet.

Das sehe ich genauso; bloß: wie sieht dieser aus?
Ich könnte natürlich auch die zig Fotos zeigen, die µm für µm die z-Achse rauf und runter fotografiert wurden, aber da ist nichts außer den hier gezeigten Strukturen im 3. Bild:
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Conjugaphycea/e-source/Micrasterias-rotata.html

Dazu hat mir ebenfalls Wolfgang  mitgeteilt, dass  zumindest bei der M. rotata diese Strukturen die (kondensierte) RNA des  Nucleolus darstellen.  Der optisch leere Raum drum herum ist die DNA, die bei den Desmidiaceen offenbar  in nicht-kondensierter Form vorliegt, so dass sie nicht sichtbar ist. Wusste ich auch noch nicht.  Vielleicht erklärt sich somit auch, warum meine steinzeitlichen Anfärbeversuche mit Karmin-Essigsäre nichts gebracht haben....Somit stellt also auch der optische leere Bereich zwischen den beiden Chloroplasten den Zellkern dar; und ja: das sollte mal mit moderneren (Fluoreszenz-)Methoden untersucht werden....

Noch was zu den Pyrenoiden: in unserem Gartenteich fand ich noch eine andere Closterium-Art: C. moniliferum, eine "Feld/Wald/Wiesen"-Art, also sehr häufig zu finden. In den von mir beobachteten Formen sahen die Stärkehüllen der Pyrenoide deutlich anders aus als bei C. lunula. Siehe hier:

https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Conjugaphycea/e-source/Closterium%20moniliferum.html


Das würde somit die anfangs aufgestellte  Vermutung zumindest vorläufig bestätigen, dass  es morphologische Unterschiede auch bei diesen Organellen auf Artebene geben kann.

Beste Grüße
Michael Plewka

KayZed

Hallo zusammen!

@Stephan
In Wolfgangs Beitrag zu den Dictyosomen ist auf Seite 2 oben ein Bild, das deiner Aufnahme recht nahe kommt. Und Wolfgang hat offenkundig auch bestätigt, dass es sich eher nicht um Öltröpfchen (die stärker glänzen sollten) handelt, sondern im speziellen Fall von M. rotata eher um Dictyosomen.

@Michael
Danke für deine neuen C. moniliferum-Aufnahmen. Sie bestätigen gut meine Beobachtungen der eher spindelförmigen Stärkekörner bei dieser Art.

Herzliche Grüße
KlausZ
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

SNoK

Lieber Klaus,

nix Genaues weiß man nicht. Vielleicht sind es Dictyosomen. Was C. monoliferum angeht, hänge ich auch noch ein Bild an mit den Pyrenoiden.

Grüße
Stephan



Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
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