Taster und kleine Löcher (Teil 2)

Begonnen von Michael Plewka, Juni 17, 2023, 20:08:18 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen.

Bei vielen Mikroorganismen ergibt sich aus ihrer äußeren (m.o.w. steifen) Form eine bestimmte Lage unter dem Deckglas, was beim Mikroskopieren auch zu einer gewissen Gewöhnung führt, wie dieses  Viech demzufolge auszusehen hat. (rhetorische Frage: Wie oft werden hier im Forum ,,Uhrglas-Amöben" von der ,,Seite" gezeigt ???), So ist es auch  bei den Rädertieren, bei denen es viele Arten gibt, bei denen der Querschnitt mehr ,,hoch" als ,,breit" ist; die Viecher sind also lateral abgeplattet. Folglich geraten sie beim vorsichtigen Pressen in der Regel in die Seitenlage; so wie es auch in dem folgenden Schema für den oberen Fall  zu sehen ist  (Als Beispiel gezeigt ist Cephalodella gibba (links oben im Bild):
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Cephalodella%20gibba1.html

das Gleiche gilt auch für viele Closterien-Arten).
Bei Organismen, die  mehr breit als hoch sind, gilt somit das Gegenteil (unteres Beipiel: Keratella
https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Keratella%20quadrata.html):



Somit ist im oberen Fall eine Beobachtung in Bauch-oder Rückenansicht eines lebendigen Rädertiers kaum möglich, während analog dazu im unteren Fall eine Seitenansicht seltenst scharf fotografiert werden kann.

Nun zu einem Rädertier, das ich im letzten Jahr aus der Wupper gefischt hatte: ein ,,Wimperohren-Rädertier": Notommata contorta.  Dieses gehört zu der ,,oberen ,, Gruppe, d.h. wird die Schichtdicke gering, dreht es sich auf die Seite und kann dann ,,gut" fotografiert werden.



Dieses Foto  entspricht somit auch den Informationen, d.h. Zeichnungen und Text aus der Literatur. Die erste Zeichnung (vom Erstbeschreiber Stokes 1897) zeigt die Seitenansicht sehr detailliert mit einem Dorsaltaster und einem Lateraltaster (letzterer ist wegen des optischen Längschnitts auf dem obigen  Foto nicht sichtbar)



Auch die Zeichnung aus KOSTE 1978 zeigt in der Dorsoventralansicht einen Dorsaltaster und zwei  Lateraltaster.



Fokussiert man das mikroskopische Bild aber bei stärkerer Vergößerung durch, so stellt man folgendes fest: da  ist zunächst ein Dorsaltaster:



Ein weiteres Foto desselben Viechs in einer anderen Fokusebene zeigt aber einen weiteren Dorsaltaster:




Zugegebenermaßen sind natürlich zwei Einzelbilder kein Beweis für die Behauptung, diese Art habe zwei Dorsaltaster; schließlich kann sich das Viech gedreht haben.  Da hilt dann nur ein Video zur Dokumentation, das in diesem Fall auch vorliegt (ist aber (noch) nicht bei YT.)


Diesen Befund habe ich in der Literatur bisher  nicht finden können;  er passt aber zu einer weiteren Beobachtung aus derselben Gattung:

Im ,,Wassertropfen" wird ein weiteres Wimperohren-Rädertier  aufgeführt:  Notommata tripus.  Bei dieser Art fallen in der Zeichnung dort  am Kopf zwei strahlenförmige Wimperbüschel auf, welche ähnlich aussehen wie diejenigen  in den anderen Notommata-Arten auch.  Die Gattung wird ja dort als ,,Wimperohren-Rädertiere" bezeichnet, so dass man diese Büschel generell als genau diese ,,Wimperohren" einordnen könnte. 




Die Wimperohren dieser Art sehen aber anders aus; nämlich so:




Dabei sollte vielleicht noch angemerkt werden, dass diese ,,Wimperohren" als Teil der Korona die Fortbewegung im Wasser (=Schwimmen) ermöglichen und dabei keinerlei sensorische Funktion haben. Bei keinem Rädertier entspringen solche Antriebs-Cilien einem Ring im Integument.

So wie in Teil 1 
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46680.0

bei  Cephalodella gezeigt wurde,  werden bei der Mazeration von  N. tripus zwei Öffnungen sichtbar, die dafür sprechen, dass es sich auch hier um zwei sensorische Gebilde handelt. (Pfeilköpfe):





Handelt es sich bei diesen Öfnungen vielleicht um die ansonsten sehr typischen Lateraltaster, die zum Kopf hin verschoben sind?. Sowas gibt es nämlich  auch, z.B. bei Testudinella , siehe hier:

https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Testudinella%20elliptica1.html

aber das obige Bild desselben Exemplars zeigt die Lateraltaster (Pfeilköpfe):

Von allen Zeichnungen verschiedener Autoren ist die Zeichnung von KOSTE 1969 die einzige, welche diese Strukturen überhaupt zeigt. Aber auch in seinem Bestimmungswerk es gibt keinen Text zu dieser Struktur, bzw. einen Hinweis auf die Möglichkeit von 2 Dorsaltastern.

Fazit: bei diesen zwei Notommata_Arten scheint es 2 Dorsaltaster zu geben (statt einem, wie in der Literatur angegeben)


Weiter mit Teil 3
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=46678.0

Beste Grüße
Michael Plewka