Frage an die Pilzler: Unterscheidung und Wiesen-Champignons, Karbol-Champion etc

Begonnen von Dünnschliffbohrer, August 07, 2023, 22:31:27 NACHMITTAGS

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Dünnschliffbohrer

Grüezi mitnand,
ich hatte heute nach dem großen Regen auf einer Wiese im Stadtgebiet aus einem großen Hexenring der unter Bäumen wuchs einen ganzen Rucksack voll mit Champignons gesammelt. Ich war mir zunächst sicher, dass sich um Wiesen-Champions handelt. Trotzdem würde ich gerne die Möglichkeit ausschließen, einen anderen eher unangenehmen Vertreter der Gattung erwischt zu haben. Das Problem ist das ich nicht so viel Erfahrung mit Pilzen habe. Unten am Stiel wird die Schnittfläche allenfalls ganz schwach gelb oder verfärbt sich gar nicht. Sie wird aber auch nicht rötlich. Wenn ich am Schirm mit dem Messer kratze, verfärbt sich die angeschabte Stelle ganz schwach gelblich. Nach Anis richten die Pilze nicht. Karbol habe ich zuletzt vor vielleicht 30 Jahren oder noch länger gerochen als ich mir Glyceringelatine nach Kaiser gekocht hatte. Wie Phenol riecht weiß ich daher nicht mehr. Ich finde den Geruch der Pilze irgendwie unspezifisch. Ich hatte gerade eben auch einmal ein kleines Stück gekostet, aber er schmeckte eigentlich nur etwas fade wie normaler roher Pilz. Vom Aussehen her denke ich nach wie vor, dass es fast nur um Wiesen-Champions handeln könnte. Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, die Bestimmung zu sichern? Inwieweit könnten da die Sporen weiterhelfen? Ich muss dazu sagen dass ihm der Pilzmikroskopie keinerlei Erfahrung habe, und bin auch eventuell notwendige Chemikalien fehlen. Vielleicht hat einer daher hier in der Runde ein paar sachdienliche Hinweise, die mir weiterhelfen könnten. Es wäre schade, die ganzen gesammelten Pilze nur auf einen wagen Verdacht hin wegzuschmeißen. Vielen Dank schon mal für die Antworten und noch einen schönen Abend.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Peter Reil

Hallo "Dünnschliffbohrer",

der einzig vernünftige und verantwortungsvolle Rat ist, sich an einen Pilzsachverständigen zu wenden, dem du deinen Fund präsentierst: https://www.dgfm-ev.de/service/pilzsachverstaendige

Speisepilzbestimmungen übers Telefon oder via Internet sind diesen - aus gutem Grund - nicht gestattet.

Gruß
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, BHT, CH2, CHK, Olympus SZ 30, antikes Rotationsmikrotom

Florian D.

Hallo,

die Bestimmung von Champignons ist leider sehr problematisch, selbst wenn man die fundamentale Hürde genommen hat und sie von Knollenblätterpilzen unterscheiden kann. Zum Einen sind im Prinzip essbare Arten teilweise sehr hoch mit Schwermetallen, insbesondere Cadmium, belastet. Zum Anderen sind in den letzten Jahren giftige Doppelgänger der Wiesenchampignons aus Südeuropa eingewandert, deren Erkennung selbst Pilzberater vor Schwierigkeiten stellt: https://www.pilzforum.eu/board/thread/41691-achtung-pilzberater-und-sammler-stielbasisregel-bei-egerlingen-gilt-bei-uns-nich/

Viele Grüsse
Florian

Dünnschliffbohrer

Hallo Peter, Florian, und alle mitlesen,

vielen Dank für eure Antworten mit den interessanten Links. Ich habe natürlich alles durchgelesen, lange darüber gegrübelt, und konnte mich zunächst doch nicht dazu durchringen, die Pilze zu entsorgen. Sie sahen eigentlich zu schön aus – so etwas findet man in dieser Menge nicht alle Jahre. Aber über das Gegrübel sind sie dann doch zu alt geworden, sodass sie auf die nächste geeignete Wiese gebracht habe, wo sie ihre Sporen ausstreuen können.
Die größten Bedenken hatte ich noch wegen dem Schwermetallgehalt, was aber eigentlich ja schon seit langem bekannt ist. Aber in so einem innerstädtischen Bereich ist wahrscheinlich das Schwermetallangebot zum Einlagern noch einmal deutlich höher als draußen in der Flur. Allerdings sammeln auch andere, wie ich schon beobachten konnte, auf innerstädtischen Wiesen (in der Nähe zu viel befahrenen Straßen) körbeweise Schopftintlinge.
Vor vielen Jahren habe ich einmal in einer Zeitung gelesen, dass der Schwermetallgehalt zwar zutreffend wäre, aber kein großer Bedeutung hätte weil aufgrund der chitinigen Zellwand die akkumulierten Schwermetalle nicht austreten könnten und so auch nicht vom Körper aufgenommen werden würden. Das kann ich mir aber überhaupt nicht vorstellen, denn beim Braten platzten die bestimmt und der ganze Zellsaft tritt aus.
Also eine Verwechslungsgefahr mit einem Knollenblätterpilz bestand definitiv nicht, die kann ich mit Sicherheit. Außerdem waren ja keiner Eichen (und seltener Buchen) in der Nähe, die ja die Mycorhiza-Symbiose Partner sind.
Noch eine kleine Anekdote zum Schluss: ich hatte mich mal auf einer Tagung mit einem ehemaligen Fachkollegen, einem Italiener, unterhalten, und dabei hat er mir erzählt das er ganz großer Pilzfreund wäre. Ich fragte ihn daraufhin ob er denn keine Bedenken hätte wegen der Radioaktivität nach Tschernobyl. Daraufhin lachte er nur und sagte, ,,ja er hätte einen Freund, der wäre Physiker, und sie hätten mal das Gammastrahlen-Spektrum der Pilze gemessen. Es wären alles Nuklide gewesen, die noch von den Atombombenversuchen der Amis und Russen aus den fünfziger Jahren her stammten".

Allen noch einen schönen Abend und ein schönes Wochenende.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

ChristianS

Das mit dem Cadmium anreichern macht sich erst beim Verzehr größerer Mengen bemerkbar. Trotzdem denke ich auch, dass Champignons nicht gerade leicht zu bestimmen sind. Es sind mit ca. 70 Arten einfach zu viele. Die Sporen würden sicher weiterhelfen, besser und einfacher wäre der Gang zu einem Pilszsachverständigen in der Nähe...
Verwendete Geräte:

Leitz Orthoplan

Kameras:

Canon Eos 650d
Nikon Z5