Interessante Pilzfunde 83 - Pappel-Raukopf

Begonnen von Bernd Miggel, August 09, 2023, 22:06:40 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Der feuchte Rand einer von mir oft besuchten, pilzlich interessanten Streuobstwiese bescherte mir Anfang des Monats eine schöne Überraschung: Dort wuchs in der Nähe einiger Espen eine Gruppe braunhütiger Raustielröhrlinge. Es handelte sich um Exemplare des Pappel-Raufußes Leccinum duriusculum, den man folgendermaßen beschreiben kann:
Ein dem Birkenpilz Leccinum scabrum ähnlicher Raustiel-Röhrling, der allerdings eine Mykorrhiza mit Pappeln eingeht und der bei Verletzung blaugrüne, rötliche und graue bis schwarze Verfärbungen aufweist.
In der Roten Liste Deutschlands (2016) ist der Art das Gefährdungskriterium 3 (Gefährdet) zugeordnet.

Bild 1
– Junges und reifes Exemplar am Fundort Man kann die blaugrüne Stielbasis schwach erkennen. Foto: Bernd Miggel.



Bernd Miggel

#1
Makroskopische Merkmale

Der Pappel-Raufuß kann recht stattlich werden und bleibt dabei noch festfleischig. Da er essbar ist, wird er von Sammlern gerne genommen. Er besitzt einen bis 15 cm (in Ausnahmefällen bis 20 cm) breiten, im reifen Zustand gewölbten Hut. Dabei liegt die  Farbe bei graubraun, umbra, schoko- oder haselnussbraun. Das entspricht in KORNERUP, A.& WANSCHER, J.H. (1961) dem Farbbereich E3-5, F3-5. Die Oberfläche erscheint bei trockener Witterung etwas ,,körnig", bei regnerischem Wetter ist sie glatt und klebrig-schleimig. Wie bei vielen anderen Raustiel-Röhrlingsarten hängt die Huthaut etwas über den Rand hinaus.

Bild 2 – Reifes Exemplar mit Blick auf die cremefarbigen, mit einer gelblichen Nuance versehenen Röhren. Der Stiel besitzt die für die Art typischen, blaugrünen Zonen. Foto: B. Miggel.



Bernd Miggel

#2
Die Röhren sind bis zu 25 mm lang und stehen sehr dicht. Röhren und Poren sind anfangs weißlich und färben sich zu creme, rosalich creme bis hellbräunlich um. Gemäß  LANNOY & ESTADES (1995) nehmen sie schließlich einen schokobraunen Ton an (,,brun chocolat"). Die Stiele sind robust, zylindrisch oder schlankkeulig, werden bis ca. 22 cm lang und bis zu ca. 5 cm dick. Nimmt man so einen Stiel in die Hand, erkennt man auf weißlichem Grund in Längsreihen angeordnete, braune Schuppen. Die Stielbasis weist gerne blaugrüne Flecken auf. Schneidet man ein Exemplar längs durch, so findet man weißes Fleisch und evtl. blaugrüne Zonen vor. Das weiße Fleisch verfärbt sich in kurzer Zeit rosa, nach Stunden grauschwarz. Im Stiel ist es sehr hart, im Hut bleibt es lange Zeit fest, bei sehr reifen Exemplaren ist es allerdings weich. Der Pappel-Raufuß ist nahezu geruchlos und schmeckt angenehm.

Bild 3
– Zwei Exemplare kurz nach dem Durchschneiden zeigen weißes Fleisch und einige blaugrüne Zonen. Beim reifen Exemplar beginnt das Fleisch im oberen Stielbereich bereits zu röten. Foto: B. Miggel.
Bild 4 – Zwei Exemplare, 15 Minuten nach dem Durchschneiden, weisen im Hut- und im oberen Stielbereich eine deuliche Rötung auf. Foto: B. Miggel.






Bernd Miggel

#3
Sporenstaubfarbe
Das frisch ausgefallene Sporenpulver ist braun, etwa 6E6.

Makrochemische Farbreaktionen
FeSO4 ergibt im Hutfleisch eine graugrüne Reaktion.


Bild 5 – Zwei Stunden nach dem Durchschneiden weist das Fleisch eine dunkel grüngraue bis rußgraue Färbung auf. Foto: B. Miggel.




Bernd Miggel

#4
Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind hell bräunlich, glatt, ziemlich dickwandig und spindelförmig. Sie weisen unterhalb des Appendix eine leichte Eindellung (Suprahilare Depression) auf.
Sporengröße nach eigenen Messungen:
L x B = 13,2-15,6 x 4,2-5,1 µm      Schlankheitsgrad Q = 3,0-3,2

Bild 6 – Sporen in Wasser mikroskopiert. Foto: B. Miggel.


Bernd Miggel

#5
Die schleimige Huthaut setzt sich im Wesentlichen aus schräg nach oben verlaufenden, 3-6 µm breiten Hyphen zusammen. Diese Struktur nennt man ein ,,Ixotrichoderm". Die Hyphen in Bild 7 ließen sich am Mikroskop nicht scharf einstellen, was auf eine schleimige Grundsubstanz hindeutet.


Bild 7 –  Huthaut, präpariert in NH3-Kongorot. Man erkennt schräg nach oben verlaufende, schlanke Hyphen. Foto: Bernd Miggel


Bernd Miggel

#6
Ähnliche Raustielröhrlinge mit braunem Hut
•    Der Birkenpilz Leccinum scabrum geht eine Mykorrhiza mit Birken ein. Sein Fleisch verfärbt sich weder an der Luft noch im Schnitt.
•    Der Hainbuchen-Raufuß Leccinum carpini bleibt meist kleiner und verfärbt sich nicht blaugrün. Er geht keine Mykorrhiza mit Pappeln ein.
•    Der Vielverfärbende Raufuß Leccinum variicolor bleibt meist kleiner und verfärbt sich nicht grau bis schwarz, er wächst bei Birken.



Literatur
•    BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3: Nr. 32.
•    DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 94.
•    KIBBY, G. (2017): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 1: 132-133.
•    KORNERUP, A.& WANSCHER, J.H. (1961): Taschenlexikon der Farben.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2: 277-278.
•    LANNOY & ESTADES (1995) - Monographie des Leccinum D'Europe: 114-117.
•    NOORDELOOS, M.E. (2018): Leccinum S.F. Gray. In: Flora Agaricina Neerlandica, Volume 7: Nr. 20.04.
•    PHILLIPS, R. (1982): Das Kosmosbuch der Pilze: 212.
•    http://tintling.com/pilzbuch/arten/l/Leccinum_duriusculum.html
(abgerufen am 9.8.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/leccinum-duriusculum-pappel-raufu%C3%9F


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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