Mykologie: Die Weißliche Trüffel (Tuber borchii) - Abenteuer in Lebesmittelkunde

Begonnen von Fahrenheit, September 17, 2023, 07:57:43 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Pilzfreunde,

wie es schon in Wolfgangs Thread una informatione angeklungen ist, haben Michael Kallmeyer und ich uns am vergangenen Wochenende in Kassel über ein Gläschen mit gehobelten Trüffeln her gemacht, um diese nach Möglichkeit zu bestimmen. Dazu hatten wir den schönen kleinen Band "Trüffeln - Leitfaden zur Analyse der im Handel vorkommenden Arten" von R. & T Flammer und Peter Reil zur Hand.

Im Gegensatz zu vielen anderen getrüffelten Produkten zeigte das Etikett des Gläschens diverse Hinweise zum Inhalt:

Bilder 1a,b: Das Objekt unserer Untersuchungen



Wir fanden darauf die folgenden Hinweise: auf der Vorderseite Taruffo Biancetto und Spring White Truffle sowie auf der Rückseite bei den Inhaltsstoffen wieder Tartuffo bianchetto und T.albium Pico). Was uns zunächst aus sprachlichen und systematischen Gründen in die Irre geführt hat, ist völlig korrekt:
Tartufo biancetto lässt sich als Weißer oder sogar Weißlicher Trüffel übersetzen. Spring white Truffle ist der Weiße Frühlingstrüffel und Tuber albium Pico ist der in 1788 von Picco (taucht damals als Pico auf) und Meleth vergebene Name des heute Tuber borchii (Vittadini 1831) genannten Weisslichen Trüfel.

Sauber und korrekt etikettiert, zumal der (oder die) Weißliche Trüffel noch weitere Namen aufzuweisen hat: Bianchetti-Trüffel oder in Schlau Rhizopogon borchii (Rabenha. 1844) oder Tartufa albida (Picco, Kunze 1898). Eine bewegte Namensgeschichte. :)
Siehe auch: https://www.speciesfungorum.org/Names/SynSpecies.asp?RecordID=118774

Wir haben uns also auf die Suche gemacht und zunächst ein kleines Stück von einer der in Öl eingelegten Trüffelscheibe in Butanol entfettet. Ungeschickterweise habe ich dann das Quetschpräparat in Wasser erstellt, was zu unzähligen Butanolkügelchen geführt hat:

Bilder 2a-c: Erste Bilder unserer Probe, 2a Einzelbild, 2b&c Stapel




Gar nicht schön, aber die Form der Sporen lässt sich schon gut erkennen. Allerdings fehlt der Maßstab: die Bilder sind mit dem Handy an meinem kleinen Leitz SM aufgenommen und daran habe ich leider keine Möglichkeit, zu messen.

Die Form der Sporen ist aber so charakteristisch, dass wir schnell bei der Weißlichen Trüffel (Tuber borchii) waren "Trüffeln" Seite 44. Als Beleg mussten natürlich die Maße der Sporen her, also habe ich einige Stückchen Trüffel aus dem Glas in Isopropanol mit genommen, um zuhause noch einmal ein entsprechendes Präparat anzufertigen und das Fehlende nachzuholen.

Isopropanol löst das Öl gut, härtet aber die Probe, also habe ich zur weiteren Präparation mehrmals mit Isopropanol gespült und dann über eine Ethanolreihe langsam in Aqua dest. überführt. Anschließend konnte mit einem kleinen Stück (nicht Zuviel Pilzmasse nehmen, weniger ist mehr!) und leichtem Druck ein passendes Quetschpräparat erstellt werden.

Und hier die Ergebnisse im Bild:

Bilder 3a-g: Der zweite Versuch. Bilder 3a&b mit dem 40er Objektiv, Bild 3c ein Crop von 3b. Bilder 3d&e mit dem 100x (Öl) und 3f&g wieder Crops aus den vorangegangenen Bildern




       



Die Form wäre also geklärt. Die Aufnahmen kommen auch sehr nah an die Sporenbilder in "Trüffeln" S. 45 heran. Aber nun muss gemessen werden!

Bilder 4a-e: Die Messbilder






Nach ein wenig Fleißarbeit ergibt sich das folgende Ergebnis als Mittelwerte aus den Messreihen, wobei ich zur Messgenauigkeit leider keine Angaben machen kann:
- Sporenlänge           41,6 µm  ((18)25 - 35(55) µm)
- Sporenbreite          34,8 µm  ((17)19 - 27(42) µm)
- Seitenverhältnis Q    1,20     (1,1 - 1,3)
- Höhe Reticulum        3,9 mm   (4 - 10 µm)

In Klammern die jeweiligen Bereiche aus "Trüffeln" und von http://www.3000pilze.de/pilz/WeisslicheTrueffel.htm. Dazu muss gesagt werden, dass die Größe der Sporen stark mit der Anzahl der Sporen pro Ascus variiert: 1 bis 4 Sporen sind möglich, meist enthält ein Ascus bei dieser Art 2 oder 3 Sporen. Daher ist das Seitenverhältnis im Mittel über eine größere Zahl von Messungen (10 bis 30 sollten es schon sein ...) aussagekräftiger. Hier ist die Spannweite in der Literatur mit 1,1 bis 1,3 auch deutliche geringer und unsere Probe "trifft" mit 1,2 genau die Mitte.

Passt! Damit ist die Trüffel in unserem Gläschen - wie auf diesem beschrieben - als Weißliche Trüfel oder Tuber borchii bestimmt.

Was fehlt? Klar, ein paar Worte zum Tuber borchii selbst. Kommt!

Die Bianchetti-Trüffel stammt aus der Familie der Trüffelartigen (Tuberaceae) in der Ordnung der Becherlingsartigen (Pezizales). Synonyme sind Frühlingstrüffel oder Weiße Pico-Trüffel.
Tuber albidus Picco 1788 ist irgendwann mit Tuber borchii Vittadini 1831 synonymisiert worden. Letzteres ist der derzeit gültige Name. Der Pilz wurde auch Rhizopogon borchii (Rabenha. 1844) oder Tartufa albida (Picco, Kunze 1898) genannt.

Tuber borchii kommt in ganz Europa vor. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Finnland bis Italien, Spanien und Portugal sowie von Irland bis Polen und Ungarn. Das Haupterntegebiet ist Italien. Man findet sie meist unter Eichen, Buchen und Kiefern bevorzugt in südlichen Lagen auf nicht zu kalkhaltigen, alkalischen bis schwach sauren Böden.
1990 ist es in Italien erstmals gelungen, die Weißliche Trüffel über beimpfte Bäume anzubauen. Mittlerweile liegen die größten Plantagen aber in Neuseeland. In Deutschland steht Tuber Borchii auf der Roten Liste als ,,verschollen", da er in den vergangenen Jahren nicht mehr nachgewiesen werden konnte.

Äußerlich sieht die Weißliche Trüffel der Alba-Trüffel zum Verwechseln ähnlich. Die Außenhaut (Peridie) des reifen Fruchtkörpers ist glatt. Mit der Reifung verliert sie ihre weiße Farbe und wird beige bis braun, oft rötlich gefleckt. Das Fruchtfleisch (Gleba) im Inneren ist im reifen Zustand rot-bräunlich und mit wenigen weißlichen, eher breiten Adern durchzogen. Die Trüffel erreicht eine durchschnittliche Größe von etwa 3-4 cm, teilweise wird sie aber auch tennisballgroß.

Fruchtkörper: Rund, fest, 1-4cm (8cm) groß.

Peridie: Bleich weiß mit braunen, auch rötlichen Flecken, in Vertiefungen dunkler. Samt matt. Ca.150-200 µm dick, hyalin, septiert. Bei jungen Exemplaren dicht behaart: Haare ca. 40-70 x 4-5 µm.

Gleba: Braun-weißlich marmoriert, auch dunkler.

Geruch: Angenehm mit auffälliger Knoblauchkomponente.

Asci: 70-100 x 50-80 µm, halbkugelig bis eiförmig oder ellipsoid, +/- kurzstielig, 1-4-sporig, meist 3-sporig).

Sporen: Hellgelb, bei Reife braun (18-55 x 17-42 µm, ellipsoid bis breit ellipsoid, ohne Ornament, Größe variabel je nach Anzahl der Sporen im Ascus, Q = 1-1,5, Retikulum mit Maschen 4-10 µm hoch, 4-11 µm lang, 4-8 µm quer zur Sporenbreite

Geschmacklich liegt sie in Gourmetkreisen hinter der Périgord- und Burgundertrüffel, dennoch besticht sie Trüffelliebhaber mit ihrem angenehm würzigen Aroma und einer kräftigen Note Knoblauch.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Eine Bitte an Peter: leider habe ich keine Bilder zum Habitus von Tuber borchii gefunden, die erkennbar z.B. unter einer der CC BY-SA Lizenzen stehen oder gemeinfrei genutzt werden können. Vielleicht kannst Du etwas beisteuern?
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Peter Reil

Hallo Jörg,

gerne ergänze ich deinen ausführlichen Beitrag mit einem Makrobild von Tuber borchii.


Tuber borchii - Frühlingstrüffel / Bianchetti-Trüffel / Weißliche Trüffel

Es freut mich sehr, dass unser Buch euch für die Bestimmung hilfreich war. Und genauso wie du es beschreibst, habe ich vor Jahren begonnen, mich mit Trüffeln zu beschäftigen. Trüffelcremes, Trüffelnudeln, Trüffelöl, Trüffelwürste, Trüffelkäse und mehr untersuchte ich mikroskopisch auf den Inhalt nach Trüffeln.
Die häufig überraschenden Ergebnisse von falscher Deklaration führten dann später zu unserer Veröffentlichung.

Ein paar Bemerkungen seien mir erlaubt:
- Die Sporengröße der Trüffeln variiert sehr stark, abhängig davon, wie viele sich im Ascus befinden. Deshalb haben wir immer nur an 4-sporigen Asci die Maße genommen. Dadurch ist die Vergleichbarkeit dann besser gegeben.
- Sporenmaße werden immer nur an flach liegenden Sporen abgenommen und ohne die aufliegenden Ornamente (Waben) mit zu messen.
- Ich hatte mehrfach davon gelesen, dass in den 90er Jahren jemand  Weiße Trüffeln zur Mykorrhizierung mit Bäumen gebracht hat. Sogar der Spiegel berichtete über den Agrarwissenschaftler Khanaqa (heißt wirklich so) und seine 100%igen Erfolgsversprechen.  Den Beweis blieb er aber immer schuldig. Meines Wissens nach widersetzen sich die weißen Trüffeln bis heute jeglicher Kultivierung.
2021 gab es eine neue Sensationsmeldung aus Frankreich über eine gelungene Mykorrhizierung von Weißen Trüffeln (Tuber magnatum): https://www.welt.de/food/entdecken/article230098541/Erfolgreiche-Zucht-Weisser-Trueffel-aus-dem-Reagenzglas.html Aber ob da mal Fruchtkörper (also Trüffel) erscheinen, darüber kann noch keine Aussage getroffen werden.
Bei schwarzen Trüffeln ist das anders. Bekannt ist die erfolgreiche Kultur der Perigordtrüffel vor allem in Frankreich. Von der Erntemenge führend momentan in Europa sind inzwischen die Spanier, weltweit gesehen, dürfte das Australien sein.
- In Deutschland gibt es Tuber borchii sehr wohl. (siehe z. B. https://www.pilze-deutschland.de/organismen/tuber-borchii-vittad-1831-1). Tuber borchii ist bei uns auch keineswegs selten. Das Problem der mangelnden Kartierung ist vielschichtig. "Trüffel"-Hundehalter melden ihre Funde gar nicht und kartierungswillige Pilzler ohne Hund, die unterirdische Pilze suchen, gibt es nur wenige. Und leider werden teils Daten zurück gehalten, solange man mit ihnen Geld machen kann. Deshalb ist die Kartierung nicht immer sehr aktuell.

Dein Betrag mit den aussagekräftigen Bildern zeigt sehr gut die "Arbeit" eines ernsthaften Pilzlers, der seine Funde mikroskopiert und dokumentiert.
Vielleicht animiert er auch andere, sich selbst einmal den Pilzen mikroskopisch zu nähern.
Danke dafür!

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Fahrenheit

Lieber Peter,

vielen Dank für das Bild, Deinen ausführlichen Kommentar und Dein Lob!
Ich bin angefixed: heute haben wir auf der Landpartie wieder Trüffelbutter gekauft (meine Frau mag sie, ich empfinde - ohne viel Erfahrung - den Geschmack als zu intensiv). Der Hersteller sagt nur "15% frische Trüffel" nennt aber nicht die Art. Der Verkäufer meinte, es seien drei verschiedene Arten drin, um den gewünschten Geschmack zu erreichen. Ich bin mal gespannt, was ich finde. Auf der Zutatenliste taucht auf jeden Fall auch Aroma auf.
Auf jeden Fall ist die Produktbeschreibung des italienischen Herstellers der Probe oben deutlich genauer und aussagekräftiger.

Spannend. Der Hinweis auf die Kultivierung der T. borchii stammt von einer der Webseiten, die ich durchforstet habe. Muss mal schauen, welche das war. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass nicht jeder seine Funde meldet und dokumentiert :)

Ich habe tatsächlich versucht, die Sporengröße ohne die Ornamente zu messen, was bei den gestapelten Bildern ein wenig auf die Genauigkeit geht. Sicher wäre es hier optimal, auf die Mitte des Pollens zu fokussieren. Und Du hast recht: einige der Pollen liegen nicht richtig. Aber hier greift glaube ich die größere Anzahl der Messungen, wo solche Beispiele rausniveliert werden.

Nochmals danke und herzliche Grüße
Jörg
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Peter Reil

Hallo Jörg,

aufgrund deiner Beschreibung der Trüffelbutter dachte ich sofort an die Firma "Göschle". Deren Butter ist recht penetrant, das ist mir auch deutlich zu viel. Und die Antwort, dass "verschiedene Arten für einen gewünschten Geschmack" sorgen, kommt mir sehr bekannt vor. Das darf man gerne als alternative Wahrheit bezeichnen.  ;)
Der Geschmack kommt schlicht von den zugesetzten Aromastoffen - egal ob natürlich, naturidentisch oder synthetisch.
Enthalten waren in dieser Butter stets verschiedene Chinatrüffel-Arten.

Leider ist es immer noch möglich in Deutschland als Inhaltsstoff einfach "Trüffel" anzugeben ohne die genaue Art zu benennen. In Frankreich und Italien wäre das undenkbar.
Immerhin sind in der Neufassung der "Leitsätze für Speisepilze.. " seit 3 Jahren die Trüffelbezeichnungen "Schwarze Trüffel" und "Weiße Trüffel" nur noch für die edlen Perigord-Trüffel und die Weiße Trüffel aus Italien zulässig. Ich verbuche das mal als einen kleinen Erfolg (nicht nur) unserer Arbeit.  :)

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Fahrenheit

Lieber Peter,

(nein, Göschle ist es nicht) Bin mir nicht mehr sicher: Bei Amazon gibt es unsere Packung unter Trüffelmanufaktur Göschle. Auf der eigenen Webseite fehlt der Name ...
In unserer Butter soll eine weiße Trüffel enthalten sein, der Artname war dem Verkäufer jedoch nicht bekannt.
Heute habe ich ein Pesto mit 14% Trüffel probiert, das war sehr lecker. Für mich nicht "überparfümiert".
Andererseits: wenn ich so was zu Preisen verkaufe, sollte zumindest der Verkäufer wissen, was er da anbietet...

Ich bin ja Optimist und hoffe das Beste, muss aber auch meine Zunge schulen, bevor ich mir ein neutrales Geschmacksurteil zutraue. Aber ordentliche frische Trüffel sind hier schwer zu bekommen und auch wieder Vertrauenssache. Wobei Mikroskopiere da schon im Vorteil sind. ;)

Herzliche Grüße
Jörg
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