Interessante Pilzfunde 88 - Orangeroter Graustieltäubling

Begonnen von Bernd Miggel, September 20, 2023, 09:51:19 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung


Mitte September fanden Liss Hoffmann und ich in einem moorig-feuchten Kiefernforst mehrere Exemplare des Orangeroten Graustieltäublings Russula decolorans, den ich hier beschreiben möchte. Es handelt sich um eine mittelgroße, geruchlose, mild schmeckende Art mit meist orangefarbenem Hut, reif ockerfarbenen Lamellen und weißem, grau werdendem Stiel. Man findet diesen Mykorrhizapilz bei Fichten, Kiefern oder Birken im Moor- oder Moorrandwald auf feuchtem, saurem, nährstoffarmem Boden. Die Rote Liste Deutschlands (2016) führt ihn in der Kategorie V (Vorwarnliste).



Bild 1 – Das Fundgebiet, ein moorig-feuchter Kiefernforst. Foto: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

Makroskopische Merkmale

Die Hüte dieser Art können bis 10 cm breit werden. Sie sind zuerst halbkugelig, verflachen aber bald und bekommen im reifen Zustand eine vertiefte Mitte. Die Hutoberfläche ist etwas höckerig, matt oder mattglänzend, bei feuchter Witterung klebrig. Der Rand ist glatt oder (bei sehr reifen Exemplaren) kurz gerieft. Die Huthaut lässt sich bis zur Hälfte des Radius abziehen. Farblich liegt die Palette von orangegelb über gelborange, orange, rotorange bis orangerot vor.


Bild 2 (oben) – Mehrere Exemplare aus einem Fichtenwald in allen Entwicklungsstadien. Foto: Udo Schäfer.

Bild 3 (darunter) – Orangerotes Exemplar bei Wald- und Weymouthkiefern. Foto: Liss Hoffmann.




Bernd Miggel

Die Lamellen stehen gedrängt, sind im reifen Zustand creme bis ocker und verfärben sich bei Verletzung deutlich grau. Lamelletten sind selten, Gabelungen direkt im Stielbereich jedoch zahlreich. Die Schneide ist glatt und gleichfarbig mit der Fläche. Der Stiel ist meist zylindrisch, längsadrig und weiss, im Alter oder bei Verletzung graut er stark.


Bild 4
– Blick auf Hutrand, Lamellen und Stiel. Foto Liss Hoffmann


Bernd Miggel

Das Fleisch in Hut und Stiel ist anfangs weiß und fest. Im Alter und bei Verletzungen oder Madenfraß verfärbt es sich deutlich grau. Es ist geruchlos und im Geschmack mild.


Bild 5 (oberes Bild) –  Zwei Exemplare, links in reifem, rechts in überreifem Zustand. Der überreife Fruchtkörper besitzt einen kurz gerieften Hutrand und graues, von Maden zerfressenes Fleisch. Foto: Liss Hoffmann.

Bild 6 (unteres Bild) – Draufsicht auf Hut- und auf Lamellenbereich. Foto: Bernd Miggel.




Bernd Miggel

Sporenstaubfarbe
Das frisch ausgefallene Sporenpulver ist creme bis blass ocker, d.h. IIc-IIIa nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).

Makrochemische Farbreaktionen
FeSO4 ergibt eine schwach rosa Reaktion.
Formaldehyd färbt den Fruchtkörper stark orange bis rot.


Bild 7
– Makrochemische Farbreaktionen am Stiel. Foto Bernd Miggel.


Bernd Miggel

Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind ellipsoid mit bis zu 0,8 µm, in Ausnahmefällen 1,0 µm hohen, derben Warzen, die fast isoliert stehen sind und höchstens zu zweit oder dritt durch feine Linien verbunden sind. Ornamentation und Hilarfleck schwärzen in Sulfovanillin stark, d.h. sie sind deutlich amyloid. Die gemessene Sporengröße auf Grund 38 repräsentativer Sporen (mit Länge L, Breite B, Schlankheitsgrad Q und Volumen V) beträgt:

L X B = 9,8-11,8 x 7,9-9,4 µm     Q = L/B = 1,23-1,28      V = 400-440 µm3


Bild 8 – Sporen in Melzers Reagenz. Foto: Bernd Miggel.


Bernd Miggel

#6
Die Epikutis besteht aus Epikutishaaren und Pileozystiden. Die Epikutishaare (,,eh" in Bild 9) bestehen aus mittellangen, gestreckten, aber auch gewellten, ab und zu verzweigten, apikal gerundeten, 2,5-3,0 µm breiten Gliedern. Die Pileozystiden (,,pz" in Bild 9 sowie die geschwärzten Elemente in Bild 10) sind zylindrisch oder schlankkeulig, 1-3-zellig, 3-6 µm breit und in Sulfovanillin stark schwärzend.


Bild 9
(oben) –  Huthaut in SDS-Kongorot. Foto Bernd Miggel.
Bild 10 (unten) – Huthaut in Sulfovanillin. Foto Bernd Miggel.




Bernd Miggel

#7
Notizen
•   Alle drei Graustiel-Täublingsarten färben sich mit Formaldehyd rot, was bei jungen Exemplaren, die sich nicht so recht grau verfärben wollen, gute Dienste zur Unterscheidung von anderen Arten leisten kann (z.B. der Orangerote Graustieltäubling gegenüber dem Apfeltäubling).

Ähnliche Täublinge
•   Der Apfeltäubling (Russula paludosa) besiedelt vergleibare Habitate und besitzt eine ähnliche Hutfarbe. Doch ist der Hut meist größer und glänzender, leuchtender, die Lamellenschneiden sind oft rötlich und der Stiel oft rosa überhaucht. Junge Fruchtkörper, vor allem die Lamellen, schmecken kurzzeitig schärflich. Die Formaldehyd-Reaktion ist negativ.
•   Der Weiche Dottertäubling (Russula intermedia) ist reiner Birkenbegleiter, er hat gelbe Lamellen und gelbes Sporenpulver, und sein Fleisch graut nicht. Die Formaldehyd-Reaktion ist negativ.

Literatur
•   BON, M. (1988): Pareys Buch der Pilze: 64-65.
•   DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 853.
•   EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 42.
•   KIBBY, G. (2017): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 1: 202-203.
•   KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2: 499-500.
•   KRÄNZLIN F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 118.
•   MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 597-598.
•   MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V: Nr. 105.
•   SCHÄFFER, J. (1952): Russula-Monographie: Nr. 27.
•   https://de.wikipedia.org/wiki/Orangeroter_Graustiel-T%C3%A4ubling
(abgerufen am 19.9.2023).
•   http://tintling.com/pilzbuch/arten/r/Russula_decolorans.html
(abgerufen am 19.9.2023).
•   https://fundkorb.de/pilze/russula-decolorans-orangeroter-graustielt%C3%A4ubling
(abgerufen am 19.9.2023).



Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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Wutsdorff Peter

 ;)Die tragische Geschichte der dreifachen Witwe:
Die ersten beiden Männer sind an Pilzvergiftung gestorben;
dem dritten ist die Bratpfanne auf den Kopf gefallen, der aß keine Pilze.
Trotzdem Gratulation zu den tollen Bildern. In diesem Jahr sehen wir im Wald kaum Fliegenpilze.
Gruß Peter

Bernd Miggel

Hallo Peter,

auch bei uns im Nordschwarzwald ist die Pilzausbeute gering. Das Gute daran: Es sterben weniger erste und zweite Ehemänner.

Herzlichen Gruß
Bernd