Ein Trödel-Fund - alte Histo-Präparate

Begonnen von Fahrenheit, Februar 08, 2010, 23:09:25 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Freunde Histologischer Schnitte,

bei einem Trödelhändler habe ich am Wochenende einen schönen alten Präparatekasten entdeckt, gefüllt mit 25 histologischen Schnitten von verschiedenen Tumorgeweben des Menschen.

Den Kasten habe ich für ein paar Euro mitgenommen, dabei hatte ich wenig Hoffnung, dass die stark verschmutzten Präparate noch zu retten sind - zumal die Lagerhalle des Händlers unbeheizt ist und das Kästchen größeren Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt war.

Ein Versuch war es natürlich wert und nach einer gründlichen Reinigung war ich recht erstaunt, wie gut erhalten mein Fund noch ist.

Das Kästchen stammt von der Bonner Firma Carl Hilgers Wwe. o. H. und ich würde die Herstellungszeit auf Mitte des letzten Jahrhunderts schätzen. Die Präparate selbst scheinen von einem Praktiker angefertigt worden zu sein (vielleicht ein Pathologe?), der keinen allzugroßen Wert auf das äußere Erscheinungsbild seiner Präparate gelegt hat. Zumindest lässt die Verteilung des Einschlussmittels und die Lage der Deckgläser darauf schließen.  ;D
Weiterhin liegen die Schnitte nicht ganz plan und sind auch oft gefaltet und gerissen.

Allerdings sind zumindest die ersten 17 der 25 Präparate ordentlich beschriftet.

Zunächst möchte ich einige Bilder des Kästchens selbst zeigen um dann die ersten vier Präparate vorzustellen.

Bild 1: ein schönes blaues Präparatekästchen mit Schuber


Bild 2/3: der Inhalt



Bild 4: Die Beschreibung der ersten 17 Präparate


Nun zu den Präparaten. Da ich medizinischer Laie bin, habe ich versucht, anhand der beiligenden Liste ein wenig über die einzelnen Gewebe herauszufinden.

Das erste Präparat des Kastens (Nr. 101) ist ein Schnitt durch ein Riesenzellenpulis, dies ist ein Tumor des Zahnfleisches. Auffällig sind die großen gelblichen Zellen, die sich klar vom gesunden Gewebe unterscheiden.
Die Färbung ist laut Liste mit v.G. bezeichnet.

Bild 5: Präparat 101


Bild 6: Präparat 101, Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern


Bild 7: Präparat 101, Ausschnittsvergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern


Das zweite Präparat (Nr. 102) zeigt ein Kolloidstruma, also ein krankhaft verändertes Schilddrüsengewebe. Zu sehen sind mit Kolloid prall gefüllte Schilddrüsenfollikel. Auch hier ist die Färbung wieder v.G..

Bild 8: Präparat 102


Bild 9: Präparat 102, Vergrößerung 100x, Stapel aus 14 Bildern


Bild 10: ein anderer Ausschnitt aus dem gleichen Präparat, mit sehr viel größeren Follikeln, Vergrößerung 100x, Stapel aus 12 Bildern


Das dritte Präparat (Nr. 103) zeigt wieder Schilddrüsengewebe, diesmal mit den für die Basedowsche Krankheit typischen Merkmalen.
Die Basedow-Autoimmunthyreoiditis ist eine chronische Entzündung der Schilddrüse, die mit der Bildung von Autoantikörpern einhergeht; diese Antikörper docken an den TSH-Rezeptor an und stimulieren dadurch die Schilddrüse, ihre Hormone freizusetzen. Somit wird viel Kolloid augeschleust, die Follikel sind entsprechend klein. Dabei ist die Schilddrüse vergrößert (= Struma, z. Deutsch Kropf). Die Follikelepithelzellen (Thyreozyten) müssen hierbei ganze Arbeit leisten, daher sind die Zellen vegrößert, die Zellleiber kubisch und nicht flach wie bei der Struma colloides nodosa oder diffusa. Bei dieser in Präparat 102 gezeigten Veränderung vergrößert sich die Schilddrüse, da sich das Kolloid ansammelt, weil aufgrund des Iodmangels nicht genug Hormon gebildet und mit dem Thyreoglobulin ausgeschleust werden kann.
Aufgrund der chronischen Entzündungsreaktion zeigen sich im Gewebe weiterhin viele Lymphozyten.
Die Färbung ist mit H.E. angegeben, das muss die Hämatoxylin-Eosin-Färbung sein.

Bild 11: Präparat 103


Bild 12: Präparat 103, Vergrößerung 100x, Stapel aus 4 Bildern


Bild 13: eine andere Stelle aus Präparat 103 mit Bindegewebe und zwei eingelagerten Gefäßen (?), Vergrößerung wieder 100x, Stapel aus 7 Bildern


Das für heute letzte Präparat (Nr. 104) ist ein Fibroadenom, ein sehr häufiger gutartiger Knoten aus wucherndem Drüsengewebe der Brustdrüse, das von Bindegewebe umgeben ist. Hier verengt das faserige Gewebe des Knotens die Milchkanäle. Färbung ist wieder v.G..

Bild 14: Präparat 104


Bild 15: Präparat 104, Vergrößerung 100x, Stapel aus 11 Bildern


Bild 16: eine andere Stelle des gleichen Präparates bei 400x Vergrößerung, Stapel aus 12 Bildern


Ich würde mich sehr freuen, wenn die Fachleute aus dem Forum etwas zu den gezeigten Tumorgeweben sagen könnten. Und vielleicht weiß auch jemand, was sich hinter dem Färbekürzel v.G. verbirgt.

Falls Interesse an dem einen oder anderen der noch nicht gezeigten Präparat besteht, bereite ich dieses gerne für das Forum auf und versuche bei entsprechenden Angaben auch, die jeweils interessanten Stellen abzulichten.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Falscher Maßstab in Bild 16 korrigiert (25 statt 100µm) - v.G. ist die van Gieson Färbung. Danke Harald.

Edit: Bezeichnung des Fibroadenoms korrigiert. Danke Ulf.

Edit: Nähere Erläuterungen zur Basedow-Autoimmunthyreoiditis von Florian. Wiederum herzlichen Dank!
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Daniel Steiner

Hallo Jörg,
da hast du aber ein Schnäppchen gemacht. Solche Sammlungen tauchen ja hin und wieder in der Bucht auf. Ich hab mich oft gefragt, ob es sich wohl lohnt - man kauft ja immer die "Katze im Sack". Hier hat es sich offensichtlich gelohnt, deine Sammlung ist gut sortiert und nicht schlecht erhalten, soweit ich das als histologisch unbeleckter Normalverbraucher beurteilen kann.
Noch viel Freude damit - vielleicht zeigst du uns gelegentlich noch mehr davon?

Gruss, Daniel

Fahrenheit

Lieber Daniel,

ja, da habe ich wohl wirklich Glück gehabt. Ich hätte nicht gedacht, dass die Präparate noch so gut erhalten sind - obwohl die Färbungen schon etwas verblasst sind.  ;D

Danke auch für Dein Interesse. Ehrlich gesagt bin ich aber nicht ganz sicher, ob ich noch mehr der Präparate hier reinstellen soll. Das Echo ist ja eher verhalten.  ;)

Da ich kein Mediziner bin, ist es für mich auch nicht so einfach, die 'interessanten Stellen' in den Schnitten zu finden. Ich muss mir zu jedem der Präparate erst einmal angooglen, um was es sich da handelt und wie es aussehen sollte, um dann zu versuchen, es im Präparat wieder zu erkennen. Da wird einem schnell klar, warum Arzt kein Lehrberuf ist.  ;D

Zur Zeit sitze ich an den beiden Präparaten 105 - papilläres Ovarialkystom (Dermoidzyste) und 106 - multilokuläres Ovarialkystom. Die beiden Kystome scheinen was die Entstehung angeht recht nahe Verwandte zu sein und ich glaube, ich weiß jetzt einigermaßen, worauf ich achten muss. Aber für heute ist es zu spät um noch Bilder zu machen.

Herzliche Grüße
Jörg
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liftboy

Hallo Jörg,
das hat jetzt nichts mit mangelndem Interesse zu tun!
Aber teilweise ist es nicht das Gebiet welches einen interessiert und andererseits müsste man für derlei Dinge entweder eine neue Schublade aufmachen (Antiquariat) oder Interessierte über PN abfüttern. Beides nicht ganz einfach.
Ich denke, das Mikrofoto-Forum wäre damit einfach zu überladen; interessant in jedem Fall (mit textlicher Erklärung vielleicht sogar echter Wissenszuwachs)
Gruß
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
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Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Fahrenheit

#4
Liebe Freunde,

wie gestern schon angekündigt, hier noch zwei weitere Präparate aus dem im Eingangsthread beschriebenen Kasten mit zwei unterschiedlichen Zystadenome (die alte Bezeichnung war Ovarialkystom) der Eierstöcke.

Die Informationen zu den beiden Präparaten habe ich dem Lehrbuch der Gynäkologie (Otto Küstner, 4.Auflage 1910) entnommen, diese Quelle war für mich am verständlichsten, ist aber sicher nicht mehr auf dem neuesten Stand.
Daher bitte ich um Korrektur, wenn sich durch meine Übertragung Fehler eingeschlichen haben oder die Informationen veraltet sind.

Die Zystadenome entstehen aus Drüsengewebe und bilden eine oder mehrere bis viele flüssigkeitsgefüllte Zysten aus, deren Innenwände von einem sekreterzeugenden und in der Regel einschichtigen Epithel überzogen sind. Durch das ausgeschiedenen Sekret steigt der Druck im inneren der Zysten an, was dazu führen kann, dass sich nahe beieinander liegende Zysten zu einer größeren vereinen.
Im Inneren der Zyste befindet sich beim "papillären Ovarialkystom" ein Zotenbaum aus eingestülpten Epithel- und Bindegewebe, der oft den gesamten Raum ausfüllt und die Zystenwand sogar durchbrechen kann.
Charakteristisch für das "multilokuläre Ovarialkystom" sind viele kleinere Zysten, die ebenfalls von einem in der Regel einzelligen Epithelgewebe ausgekleidet und flüssigkeitsgefüllt sind. Der Bindegewebeanteil ist hier deutlich höher, was auch die folgenden Bilder zeigen.

Zunächst Präparat 105, "papilläres Ovarialkystom"

Bild 17: Präparat 105

Auf dem Scan kann man schön den Zotenbaum im Inneren der hier nur teilweise präparierten Hauptzyste des Zystadenoms erkennen.

Bild 18: Papillen am Zotenbaum des "papillären Ovarialkystoms", Vergrößerung 100x, Stapel aus 14 Bildern

Dunkel gefärbt hier das Epithel am Innenrand der Zyste und auf den Papillen.

Bild 19: Ansatzpunkt des Zotenbaums, Vergrößerung 100x, Stapel aus 9 Bildern


Das Präparat 106: "multilokuläres Ovarialkystom"

Bild 20: Präparat 106

Der Scan zeigt schön die vielen kleineren Zysten innerhalb dieses Zystadenoms

Da bei diesem Präparat etwas vom Einschlussmittel auf das Deckglas gelangt ist (oder eine anderweitige Verschmutzung vorliegt, die ich mit Ethanol nicht entfernen konnte), sind die beiden nachfolgenden Bilder etwas unscharf.

Bild 21: einige Zysten mit Epithelwand, Vergrößerung 100x, Stapel aus 13 Bildern


Bild 22: Epithelwand einer Zyste, Vergrößerung 400x, Stapel aus 11 Bildern


Kommentare und Kritik sind wie immer willkommen.

Vielen Dank fürs Lesen und herzliche Grüße
Jörg

Lieber Wolfgang,

eben sehe ich Deine Antwort. Einen erläuternden Text habe ich diesmal in Angriff genommen - das ist für mich aber dünnes Eis, da ich nur Angelesenes wiedergeben kann. Ich bin halt kein Fachmann.

Vielleicht ist aber einer unserer Forums-Ärzte  ;) so nett und steuert noch ein paar Informationen bei. Gerne auch zu den vorangegangenen vier Präparaten.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit: Beschreibung der Zystadenome ("Kystome") korrigiert und die Originalbezeichnungen aus der Präparateliste in Anführungszeichen gesetzt, da sie heute nicht mehr üblich sind. Danke Florian.
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liftboy

Hallo Jörg,

eben sehe ich Deine Antwort. Einen erläuternden Text habe ich diesmal in Angriff genommen - das ist für mich aber dünnes Eis, da ich nur Angelesenes wiedergeben kann. Ich bin halt kein Fachmann.


aber das ist doch das schöne in diesem Forum, dass sich hier niemand blamieren kann!
"Hier werden Sie geholfen"

Schönen Dank für die viele Arbeit, die Du Dir gemacht hast

Gruß
Wolfgang
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Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Fahrenheit

#6
Lieber Wolfgang,

schön, dass Dir die Darstellung der alten Präparate gefällt.  :)

Nun, an eine Blamage dachte ich eigentlich nicht, ich wollte nur darauf hinweisen, dass hier der Krümel vom Kuchen erzählt ...  ;D ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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liftboy

Hallo Jörg,
vielleicht macht der Krümel ja Appetit auf den Kuchen.
Ich habe selbst schon etliche alte Präparate vom Flohmarkt restauriert (teilweise komplett abgelöst und neu eingebettet) Da waren manch schöne Dinge dabei.
Bei Gelegenheit stell ich mal was rein
Gruß
Wolfgang
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Fahrenheit

Lieber Wolfgang,

bisher hatte ich nie das Glück, alte Präparate auf dem Flohmarkt zu finden. Bei uns in Bonn sieht man auf dem - gemäß Eigenwerbung - größten Flohmarkt Deutschlands so gut wie nie Mikroskopie-Zubehör oberhalb der Spielzeugklasse.

Neu eindecken musste ich meine Präparate Gott sei dank nicht. Sie waren letztendlich nur eingestaubt und von einem recht hartnäckigen Schmierfilm überzogen. Einige Präparate haben etwas Luft gezogen. Da ich aber leider keine Ahnung habe, welches Einschlussmittel verwendet wurde, werde ich erst mal die Finger davon lassen.
Ansonsten hatte ich an ein Xylolbad gedacht, in der Hoffnung, dass nach genügend langer Einwirkzeit das Deckglas abschimmt, der Schnitt selbst aber mit intakter Klebung auf dem Objektträger bleibt. Danach würde ich wohl mit Malinol neu eindecken.
Wie hast Du denn Deine Präparate restauriert?

Ich würde mich übrigens freuen, wenn Du einige Deiner Funde im Forum vorstellen würdest.

Herzliche Grüße
Jörg
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Ulf Titze

#9
Lieber Jörg,

Du hast da - vermutlich ohne es zu wissen - ein ganz sensibles Thema in der Medizin angesprochen, nämlich Tumoren der Brustdrüse. Und hier bitte ich um Korrektur:

Fibroadenome sind  K E I N  Krebs! ! !

Bitte, Fibroadenome sind GUTARTIGE Tumoren, die häufig bei jungen Frauen diagnostiziert und - sofern sie Schmerzen bereiten - entfernt werden. Bitte an alle Beteiligten: Seid vorsichtig mit Diagnosen! Seid euch klar, dass betroffene Patienten googeln! Und wenn sie dann solche (Fehl-) Informationen finden, trägt das nicht unbedingt zur Beruhigung bei!

Wenn Du fragen hast, kannst Du mich gerne anmailen.

Grüße
Ulf
"Do not worry about your problems with mathematics, I assure you mine are far greater." (A. Einstein)

"Komm wir essen Opi!" - Satzzeichen können Leben retten!!!

Jürgen Boschert

Hallo Jörg,

ich kann mich da Ulf nur anschließen. Darüber hinaus würde ich Dich bitten, die entsprechende Stelle in Deinem Text zu überarbeiten, das böse Wort herauszunehmen. Nicht dass eine Frau in Google Fibroadenom eingibt, dann auf diesen Thread hier geleitet und verunsichert, verängstigt wird.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Fahrenheit

Lieber Ulf, lieber Jürgen,

danke für Eure Hinweise, ich habe die Beschreibung in meinem Eingangsposting korrigiert.

Herzliche Grüße
Jörg

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