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Schmelzversuch p-Anisidin

Begonnen von Capovau, Februar 12, 2010, 13:46:45 NACHMITTAGS

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Capovau

Hier zur allgemeinen Ergötzung ein Filmchen von einem Temperatureichversuch an einem Heiztisch.

Die Substanz ist p-Anisidin. Schmelzpunkt lt. Literatur 57°C, vermutlich eine Phasenumwandlung? bei 53°C.
Heiztisch THMS600 von Linkam
Mikroskop AxioImager Z1m, +Polare, RotI

als Besonderheit:
Objektiv: Carl Zeiss Jena! 250cf S-Planachromat 20x/0,45 oo 1,2-A, Selbstadaption.........ja, die 250cf Objektive lassen sich ganz easy an die AxioImager und andere moderne Zeiss Mikroskope adaptieren, auch wenn man da zuweilen ganz anders lautende Aussagen von Zeiss bekommt ;D

http://mikroskopie-main-taunus.de/images/mikroskopie_forum/test8_p-anisidin_t01.AVI.MP4

(Dateigröße ist ca. 5MB! Vor dem Download beachten)

Herzliche Grüße
Thomas

treinisch

Hallo Thomas,

bin sehr begeistert! Schönes Video und ein sehr schönes Experiment!
Hat mich gleich zu einigen rechnerischen Experimenten veranlasst ;-)

Eine Frage stellt sich mir, der ich mich nicht mit Heiztischen auskenne,
ich habe mal für dein Video den mittleren Grünwert gegen die Temperatur aufgetragen:



Was ich mich frage ist, woher die Treppen kommen, wie wird denn so ein Heiztisch
eigentlich gesteuert?

Aus dem Fit bekomme ich mit dieser etwas dreisten Methode übrigens einen Tm-Wert von 58.4 °C.

Vlg

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Capovau

Hallo Timm,

ich antworte mal gleich hier im Forum und ich hoffe Deine PM ist damit gleichzeitig beantwortet.

1. Zur Frage der Heiztischsteuerung.

Die Heiztische der Firma Linkam besitzen ein Interface zu Windows PC, üblicherweise  eine serielle Schnittstelle RS232. Dazu gibt es eine Software, welche in der Lage ist den Tisch zu steuern. Allerdings muss man dazu sagen, das dieses Programm grauslig ist und den Nutzer neben der Geldausgabe noch mit unsäglichen Sicherheitsfeatures nervt. Zusätzlich dazu klappt die Installation nicht immer und schon gar nicht problemlos. Am Ender Prozedur muss man dann nochmal den Händler anrufen, welcher dann über einen Hexcode und der ProzessorID einen Key generiert, welcher die Software frei schaltet. Ein Wort: unsäglich!

Es gibt da einen sehr komfortablen Ausweg. Wer bereits sein Mikroskop mit der Axiovision steuert, kann bei Zeiss ein in Zusammenarbeit mit Linkam produziertes Software-Modul kaufen, mit dem man sehr leicht und komfortabel den Heiztisch steuern kann. Zusätzlich verbindet dieses Modul "Linkam" das Axio-Modul "mehrdimensionale Bildaufnahme" miteinander. Je nach Ausbau dieses Moduls kann man nun die Features gemeinsam nutzen. Z.B. einen Bilderstapel mit einem Mosaik zusammen produzieren, bei dem die Ofendehnung durch einen Autofocus kompensiert wird und dabei eine Zeitreihe abarbeiten. Es sind also vielfältige experimentelle Varianten möglich, welche grundsätzlich mit zeitlicher oder Temperaturpräferenz abgearbeitet werden. Am Ende annotiert die Software auf beliebige Weise, hier mit Temperatur und relativer Zeit. Das ganze ist ziemlich komplex und ergibt auch mal schnell ein Bilderfile von 1 GB.

2. Zu treppenförmiges Temperaturprofil

Das hast Du ganz richtig aus den Grünpunkten abgeleitet. Die Treppenform ergibt sich aus einer experimentellen Variante. Bei sensiblen Temperaturbereichen kann man der Software eine Option aktivieren die vor jeder Bildaufnahme den Aufheizvorgang stoppt und bei einer stationären Temperatur den status quo fest hält. Das kann ganz schön lange dauern bis z.B. der Autofocus durch ist, die diversen Bilderstapel an den festgelegten Mosaikpunkten abgearbeitet ist. Man stelle sich einen Bilderstapel vor der 40 Bilder aufnimmt und das Ganze in einem 8x8 Mosaik macht 2560 Bilder an jedem Temperaturpunkt. Nimmt man dann 25 Temperaturpunkte, sind es schon 64.000 Bilder a xMB wird es schon abenteuerlich. Mit 25 Temperaturpunkten kommt man aber nur bei niederen Temperaturen aus. Arbeitet man bis 1500°C kann man den Bedarf deutlich höher ansetzen.

Während dieser Zeit steuert der Rechner das Mikroskop, die Bildaufnahme, den Scanningtisch.......danach wird der ganze Kram fertig annotiert und zusammengerechnet. Am Ende steht dann ein ähnliches kleines "Filmchen" wie im Ursprungsposting.
Damit dürfte die Treppenfunktion erklärt sein. Die merkwürdige "Kurve" ist natürlich keine, hier trügt Dich die Ausgleichsrechnung. Der Temperaturverlauf wird in Segmente aufgeteilt. Das ähnelt einem Excelsheet und so wird auch programmiert.

Man nähert sich dem interessanten Bereich erst einmal ziemlich flott an ohne dabei Rücksicht auf Temperaturausgleich oder -Gradient zu nehmen. Das können schon mal 30K/min werden. Dann nähert man sich mit "vernünftigen Aufheizraten" dem Schmelzpunkt an üblicherweise zwischen 1-5 K/min. Im Schmelzbereich oder bei Phasenwechseln geht man zu kleinen Raten über 0,2-1 K/min. Aus diesen Elementen ergibt sich verschmiert Deine hübsche Kurve, die eigentlich ein Graph aus mehreren Geraden mit verminderter Steigung besteht.

Für die unterschiedlichen Steigungen legt man dann die Zeitsegmente für die Bildaufnahme fest. Hat man das alles zusammen und keine Fehler gemacht genügt ein Klick und das Experiment läuft ab. Der Mikroskopiker ist da völlig überflüssig, denn sinnvolle Eingriffe sind in der Datenflut eh unmöglich. Man gehe lieber Essen und betrachte das Ergebnis in Ruhe danach.

Limitierend ist hier nur noch die völlig unzureichende Performance der derzeitigen Rechner, die man schnell ans Ende bringen kann, da z.Z. die Axiovison nur mit Win XP arbeitet und auch nur in der 32 bit Variante. Der zur Verfügung stehende Adressraum und die Einschränkung des RAM <4GB ergeben das technische Limit, ausreichende Prozessorleistung und großer Datendurchsatz durch Gesamtsystem mal einfach voraus gesetzt. Eine Hilfe bieten die modernen Kameras in dem man bei Bedarf die Bildgröße (Anzahl der Pixel) radikal reduziert, so wie es eben die Anforderung ans fertige Bild gerade so zulässt. Also Beschränkung aufs Minimale. Ganz so schlecht wie in dem Filmchen ist es nicht zu sehen, denn die Komprimierung fürs net ist doch grausam. Wer sich von der normalen Qualität überzeugen will, dem kann ich bei Bedarf einen Download des unkomprimierten Films ermöglichen. Falls Du, Timm, die Rechnung noch einmal ohne die Verfälschung machen willst, sag Bescheid.

3. Umbau der 250cf Objektive für die modernen Zeiss Mikroskope.

Ist alles ganz einfach. Man drehe sich einfach Gewindehülsen innen M25x0,75 und außen M27x0,75 und 5mm hoch. Nur noch auf die 250 cf Objektive aufschrauben e voila....das wars. Man kann die nun, weil die Abgleichlängen perfekt stimmen, mit beliebigen Zeiss.neu Objektiven wie z.B. den Neofluaren in einem Revolver verpaaren und alles funktioniert einwandfrei.
Warum habe ich das gemacht? Es gibt noch nicht so viele LD (Kammer) Objektive mit ausreichendem Arbeitsabstand aus der neueren Produktion und wenn, sind sie recht teuer. Die möchte ich auch nur ungern mit der teilweise extremen IR-Stralung belasten, wenn z.B. der Heiztisch auf 1300°C läuft, kommt da einiges bei den ungekühlten Objektiven an.
Die Qualität ist durchgehen als gut zu bezeichnen, wenn sie natürlich auch nicht an die Neofluare heran kommen, besonders im Auflicht. Ich kann nur empfehlen gerade die Sonderobjektive nicht in die hinterste Schublade zu werfen, sondern sie für ein paar Cent mit der Hülse zu versehen und das ganze mal auszuprobieren. Ich hänge mal ein Bild der kleinen Änderung an, die Hülsen sind aufgezogen, man erkennt sie am "frischen" Messing.



Gruß
Thomas