Interessante Pilzfunde 98 – Langstieliger Schleimfuß

Begonnen von Bernd Miggel, November 15, 2023, 10:18:40 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Die Kartierungsexkursion, bei der der Riesenritterling Tricholoma colossus gefunden wurde, lieferte auch zwei Fruchtkörper des Langstieligen Schleimfuß Cortinarius livido-ochraceus in seiner typischen Ausbildung: flachkegelige, stark schleimige, olivbraune Hüte mit radialer Randriefung, lange, tief im Boden versenkte, spindelförmige, weiße, stark schleimige Stiele mit apikaler Längsriefung und starker Geruch nach Kunsthonig an der Stielbasis. Die Pilze wuchsen bei Waldkiefern, in 30 m Entfernung eine Traubeneiche.
Diese in unserer temperaten Klimazone relativ häufige Art liebt saure Böden und geht eine Mykorrhiza sowohl mit Laubbäumen (Eichen, Rotbuchen, Birken) als auch mit Nadelbäumen (Weißtannen, Fichten, Kiefern) ein.


Bild 1 – Fruchtkörper mit flachkegeligem olivbraunem Hut und rein weißem, oben längs gerunzeltem Stiel am Fundort. Foto: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

Makroskopische Merkmale

Die Hüte des Langstieligen Schleimfuß können bis 12 cm breit werden. Sie sind bei feuchter Witterung stark schleimig und glänzend und zeigen sich meist in gedeckten, braunen Farben wie graubraun, holzbraun, olivbraun, dunkelbraun, aber auch in freudigeren Farben, wie honigfarben oder ockergelb. Jung konisch, glockig, eichelförmig, entwickeln sich die Hüte in Richtung flach kegelig oder abgeflacht gebuckelt. Die Oberfläche ist anfangs glatt, wird bei älteren Exemplaren deutlich radial gerunzelt-gerieft. Die Lamellen stehen gedrängt, sind anfangs grauweiß, später graubraun und besitzen eine weiße Schneide. Der Stiel ist sehr lang spindelig (bis 15 x 2 cm), meist tief im Boden eingesenkt, feucht stark schleimig, reinweiß und oft vom Velum zart violettlichblau gefärbt. Das Fleisch graulich weiß oder blass ocker, riecht in der Stielbasis stark, ja fast unangenehm nach Kunsthonig und ist mild.


Bilder 2 und 3 – Fruchtkörper am Fundort, oben mit Blick auf den Hut mit angedeutet radialer Riefung, unten mit Blick auf Lamellen und oberen Stielbereich. Fotos: Liss Hoffmann.

Bernd Miggel

Mikroskopische Merkmale

Die Sporen der aufgesammelten Pilze waren bräunlich, mehrheitlich im Profil mandelförmig und stark warzig. 20 repräsentative Sporen lieferten folgendes Messergebnis (mit L Länge, B Breite, Q = L/B Schlankheitsgrad, V Volumen):

L X B = 11,3-13,3 x 7,3-8,7 µm     Q = 1,50-1,58     V = 390-430 µm3  


Bild 4
–  Stark warzige, im Profil mandelförmige, bräunliche Sporen, mikroskopiert in Wasser. Foto: Bernd Miggel.

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Die Huthaut besteht aus einer stark verschleimten Epikutis, mit 2-5 µm dicken, z.T. inkrustierten Hyphen (Bild 5), und einem darunterliegenden Hypoderm mit bis zu 30 µm dicken Hyphen und tönnchenförmigen Gliedern. Die Hyphen sind ohne Schnallen!

Bilder 5 und 6 – Huthaut. Oben: schlanke, teilweise inkrustierte Epikutishyphen, gefärbt in Kongorot; unten 20 µm dicker Radialschnitt (Schlittenmikrotom), Tannin-Eisen-Toluidinblau-Färbung. Fotos: Bernd Miggel.

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#4
Notizen
•    Innerhalb der Großgattung der Haarschleierlinge (Cortinarius) ist die Untergattung der Schleimfüße (Myxacium) duch schleimigen Hut und Stiel oder zumindest schleimigen Stiel gekennzeichnet. Die hier bewschriebene Art gehört also zur Untergattung Myxacium.
•    Bezügl. der Sporenform gibt es in der Literatur einen Widerspruch: Bei SOOP 2003 wird sie als mandelförmig, bei BRANDRUD 1989-2014 als zitronenförmig angegeben.

Verwechslungsmöglichkeiten mit ähnlichen Schleimfüßen
•    Der Honig-Schleimfuß (Cortinarius stillatitius) ist zum Verwechseln ähnlich. Allerdings fehlt ihm die Radialrunzelung des Hutes und die Längsriefung der Stielspitze. Auch sind seine Sporen etwas länger.
•    Der Blaustiel-Schleimfuß (Cortinarius muscigenus) ist ebenfalls sehr ähnlich. Sein Hut ist allerdings mehr rotbraun, und auch ihm fehlen Hut-Runzelung und Stielspitzen-Längsriefung. Weiterhin besitzt er keinen Honiggeruch, und seine Velumhyphen besitzen Schnallen an den Septen.

Literatur
BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (2000): Pilze der Schweiz Bd. 5, Blätterpilze 3. Teil, Cortinariaceae: Nr. 281.
•    BRANDRUD, T.E. et al. (1989-2014): Cortinarius, Flora Photographica: Nr. A41.
•    CALLEDDA, F. et al. (2021): Guida introduttiva al genere Cortinarius in Europa: 262-263.
•    DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 789.
•    KIBBY, G. (2021): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 3 : 114-115.
•    KIBBY, G. & TORTELLI, M. (2021): The genus Cortinarius in Britain: 26.
•    KNUDSEN, H. & VESTERHOLT, J. (2008): Funga Nordica: 675.
•    KRIEGLSTEINER, G. & GMINDER, A. (2010): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 5. Blätterpilze III: 61-62.
•    MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1981): Handbuch für Pilzfreunde Band IV: Nr. 148.
•    SOOP, K. (2003): Cortinarius in Sweden, ninth revised edition: 69.
•    https://www.123pilzsuche-2.de/daten/details/LangstieligeSchleimfuss.htm
•    http://tintling.com/pilzbuch/arten/c/Cortinarius_livido-ochraceus.html
(beides abgerufen am 13.11.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/cortinarius-livido-ochraceus-langstieliger-schleimfu%C3%9F


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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