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Salpingoeca amphora

Begonnen von SNoK / Stephan Krall, November 14, 2023, 21:28:09 NACHMITTAGS

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SNoK / Stephan Krall

Liebes Forum,

Kragengeißeltiere (Choanoflagellaten) werden im Forum ab und zu gezeigt, da sie oft auf Algenfäden sitzen. Sie sind schwer zu dokumentieren, weil sie sich im Bereich von 10-20 µm Länge bewegen. Ole Riemann hat diese Gruppe farbloser Flagellaten vor 5 1/2 Jahren bereits hervorragend beschrieben und ihre besondere Stellung unter den Lebewesen dargestellt. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31631.msg234539#msg234539

Da ich in einer Teichprobe die Art Salpingoeca amphora gefunden habe, die meines Wissens (zumindest mit der Suchfunktion) noch nicht im Forum dargestellt wurde, zeige ich ein paar Bilder. Die Größe der Tiere variiert zwischen 12 und 18 µm. Und apropos Tiere. Als ich überlegte, und bei Kennern nachfragte, wie man die Chanoflagellaten bestimmen kann, wurde ich auf den Huber-Pestalozzi aufmerksam gemacht, den ich sogar besitze. Ich bin nur nicht auf die Idee gekommen, dort nachzuschauen ("Phytoplankton des Süßwassers"), denn sie sind weder "phyto" noch Plankton. Aber seis drum, der Huber-Pestalozzi ist jetzt meine einzige Referenz.

Die Kragengeißeltiere sitzen in einem Gehäuse und haben eine Geißel, die man auf zwei der Bilder auch sehen kann. Den Kragen, der aus dem Gehäuse ragt, konnte ich nicht dokumentieren, oder hat S. amphora gar keinen? Auf einem Bild ist nur das Gehäuse, aber man kann daran sehr schön erkennen, warum die Art den Namen "amphora" trägt. Fehlt nur noch der Wein.

Noch eine Bemerkung zu der Geißel. Ole hatte in seinem Beitrag beschrieben, dass die Geißel bei der von ihm beobachteten Art sehr lang ist und nur im oberen Bereich bewegt wird. Die von mir beobachtete Geißel war kürzer und auf ganzer Länge beweglich und offenbar in sich verdreht wie ein Tau, sofern das kein Artefakt ist, was ich aber nicht annehme.

Grüße
Stephan


Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK)
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

#1
Lieber Stephan,

schön, dass du wieder einen informativen Beitrag mit interessanten Bildern ins Forum stellst.
Vor allem die letzte Aufnahme zeigt eine gute Kombination aus Umfeld und Details.

Die Bestimmung der Salpingoeca-Arten ist eine etwas diffizile Angelegenheit.
Deine S. amphora könnte schon hinkommen. In der Literatur wird sie auch als S. amphoridium bezeichnet. Ich denke mal, dass es sich um die gleiche Art handelt. Gute Vergleichszeichnungen finden sich hier (Chart acht):

https://www.researchgate.net/publication/258635210_A_Short_Guide_to_Common_Heterotrophic_Flagellates_of_Freshwater_Habitats_Based_on_the_Morphology_of_Living_Organisms

Dort zeigt allerdings S. amphoridium einen rundlichen Fuß mit Platte.

Ich habe vor einiger Zeit auch eine vermeintliche S. amphoridium aufgenommen (DIK 100), auf der bei zwei (wohl losgelösten) Exemplaren eine Fußplatte erkennbar ist (weiße Pfeile). An einigen Individuen sind neben Kontraktiler Vakuole, Nukleus und Kragen auch ganz schwach die Mikrovilli erkennbar (roter Pfeil). Bei Ole ist das wesentlich klarer dokumentiert.



Nach den oben verlinkten Bestimmungscharts wäre bei einem spitz zulaufenden Fuß auch S. frequentissima nicht ganz ausgeschlossen.

Also, die Bestimmung der Choanoflagellaten ist ein oft unsicheres, dafür umso spannenderes Unterfangen.

Herzlichen Dank für deinen Beitrag.

LG Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

tlansing

Hallo Stephan

danke für deinen interessanten Beitrag und die hervorragenden Fotos.  Ich sehe diese Protisten oft in meinen Sammlungen und in großer Zahl.

Hallo Klaus,

danke für den Link zu dem nützlichen Artikel (dein Foto ist auch ausgezeichnet).  Ich habe den Artikel über den von dir angegebenen Link geöffnet und gesehen, dass es zusätzliches Material zu dem Artikel gibt.  Dazu gehören eine Reihe von Videos.  Dieses ergänzende Material kann unter folgendem Link abgerufen werden: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1434461013000795?via%3Dihub

Beste Grüße,
Tim

KayZed

Hallo Tim,

danke für dein Lob und den ergänzenden Link.
Ich habe mir einige Videos angeschaut. Sind sind wohl weitgehend im Phasenkontrast erstellt worden. Die Qualität ist leider ziemlich mäßig, oft überstrahlt, sodass bei den von mir betrachteten ca. 10 Filmen nur wenige Details erkennbar sind.
Das ist natürlich bei diesen Winzlingen immer ein Problem. Da braucht es schon relativ gut auflösende Optiken.

Liebe Grüße
Klaus

Zeiss Stemi 508
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SNoK / Stephan Krall

Lieber Klaus, lieber Tim,

danke für die nette Rückmeldung und Dir Klaus danke für den interessanten Artikel. Den habe ich mir inzwischen genau angeschaut. Es sind dort aber nur ein paar Arten exemplarisch dargestellt und S. amphora gar nicht. S. amphoridium kommt von der Form her nicht in Frage. S. frequentissima sieht in Deinem Artikel in der Tat so aus wie meine Art. Aber im Huber-Pestalozzi ist sie mit Stil beschrieben, den ich bei meinen Exemplaren nicht sehe. Andererseits ist S. amphora im Huber-Pestalozzi nur ganz kurz beschrieben und es gibt nur eine Abbildung. Dennoch spricht für mich im Moment vieles für diese Art.

Grüße
Stephan

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KayZed

#5
Lieber Stephan,

ich habe erst nachträglich in den Huber-Pestalozzi geschaut, weil ich heterotrophe Flagellaten nicht in einer Süßwasserflora vermutete. Dort werden S. amphora und S. amphoridium als zwei verschiedene Arten geführt. Nach diesem Bestimmungswerk scheint deine Salpingoeca eher amphora zu sein. Das leere Gehäuse hat eindeutig einen spitz zulaufenden Fuß.
S. frequentissima könnte auch noch in Frage kommen, weil im Huber-Pestalozzi diese Art nur in einer Variante einen recht kurzen Stiel besitzt und ansonsten auch spitz zulaufende Gehäuse zeigt.
Auch die Zuordnung meiner Salpingoeca ist nicht ganz sicher. Denn dort, wo die Theka sichtbar ist, läuft sie in einer stumpfen Spitze mit "Fuß" aus.

Das ist wieder mal ein Beispiel, wie unsicher und unscharf Artabgrenzungen (aufgrund morphologischer Merkmale) gerade bei kleinen Protisten sind. Möglicherweise sind manche Merkmalsvariationen weniger ein Kennzeichen verschiedener Arten als eine Folge unterschiedlicher Umwelteinflüsse.

Für mich ist das aber weiter kein Problem, ich begnüge mich meist mit einer vorläufigen Zuschreibung. Insgesamt animiert es mich eher, genauer zu beobachten und - wenn möglich - vergleichend zu recherchieren.

Herzliche Grüße
Klaus

PS. Mich wundert, dass bei Huber-Pestalozzi Salpingoeca vaginicola nicht vorkommt, eigentlich eine relativ verbreitete Art.
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
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SNoK / Stephan Krall

#6
Lieber Klaus,

im Huber-Pestslozzi steht zu der Gattung Salpingoeca, dass von den 30 Arten nur etwa 8 epiplanktische berücksichtigt wurden. Offenbar war Herrn Huber-Pestalozzi 1941 S. vaginicola, obwohl auch epiplanktisch, nicht so wichtig. Warum wird uns ein Rätsel bleiben.

Interessant ist, dass Herr Huber-Pestalozzi, ein Schweizer, zwar Botanik und Zoologie studierte, dann aber, als er keinen Posten an einer Uni fand, nochmal Medizin studierte und Urloge wurde. Nebenbei schrieb er dann sein mehrbändiges Werk (5 Bände, einer in zwei Halbbänden, sind von ihm, drei weitere Bänder der Reihe von anderen). Das erinnert ein wenig an Alfred Kahl mit seinen vier Bänden über Ciliaten, der auch an keiner Uni war oder Rupert Lenzenweger, der nicht einmal Naturwissenschaftler war, aber ein vierbändiges Werk über die Zieralgen schrieb.

Grüße
Stephan
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KayZed

Du hast recht Stephan,

es ist schon bewundernswert, mit welcher Akribie und Ausdauer Leute wie Huber-Pestalozzi oder Kahl die Mikrowelt taxonomisch erforscht haben. Und das mit damals sicher eher schlechteren optischen Mitteln. Im Grunde sind ihre Werke nach wie vor der Standart schlechthin.
Es gibt zwar heute viele, detailliertere Spezialuntersuchungen, aber nichts Vergleichbares in diesem Umfang.

Liebe Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
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tlansing

Hallo Stephan, hallo Klaus
ich möchte eine Beobachtung hinzufügen, die die Hartnäckigkeit der Besiedlung durch diesen Protisten zeigt.  Hier ist ein Foto des Stiels einer Vorticella, der von einer großen Anzahl von Salpingoeca besiedelt ist.  Ich war erstaunt, dass sie sich trotz der heftigen Kontraktionen des Stiels, die bei Vorticella häufig auftreten, am Stiel festhalten konnten.

Mit freundlichen Grüßen
Tim

KayZed

Hallo Tim,

schön, dass du auch eine Salpingoeca-Aufnahme einstellst. Um die Tümpler-Gemeinde ist es leider in letzter Zeit recht still geworden.

Diese kleinen Zoo-Flagellaten sind nicht sehr auffällig und werden deshalb wohl häufig übersehen. Wenn man genauer hinschaut sind, sind sie allerdings sehr zahlreich, teilweise sogar massenhaft in vielen Wasserproben vertreten.

Herzliche Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
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