Interferenzkontrast mit einem Wollaston-Prisma

Begonnen von junio, November 04, 2020, 09:40:31 VORMITTAG

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junio

Liebe Foristen!
Ich habe schon in verschiedenen Beiträgen auf die Möglichkeit hingewiesen, dass man einen Interferenzkontrast mit einer beleuchtungsseitigen Spaltblende und einem abbildungsseitigen Wollastonprisma realisieren kann. Hier soll nun eine weitere Anregung für den experimentierfreudigen und Mikroskoptechnik-Interessierten dokumentiert sein.
Im letzten Jahr konnte ich im Forum für relativ kleines Geld drei Leitz-Prismen für den Auflichtbereich (ICR) erwerben. Der Preis war mir ein Test wert.
Es handelte sich um die Prismen ICR 10, 20, 50, die über RMS-Gewinde verfügen, 15mm Bauhöhe haben und radial orientier- und arretierbar sind. Geplant war ein Einsatz am Zeiss Standard WL-Stativ, umgerüstet auf den Einsatz von Unendlich-Optik und ausgerüstet mit Plan-Neofluaren 10x, 20x, 40x in Ph-Ausführung. Der Spaltblendenkondensor mit der n.A. 1,2 stammt von PZO. Für seinen Einsatz muss das Zeiss-Mikroskop mit einer 39,5 mm Kondensoraufnahme versehen werden.
Die 15mm Verlängerung der Tubuslänge durch die Zwischenschaltung der Prismen ist optisch unkritisch.
Nun einiges zur Technik:
Im konoskopischen Strahlengang wird das dreh-und arretierbare Prisma so orientiert, dass mit Hilfe von Polarisator und Analysator die schwarze Nulllinie erscheint. Der Polarisator steht mit seinem Durchlass 90 Grad zur Spaltblende. Die Spaltbreite am Kondensor sollte maximal ca. ¼ der numerischen Objektiv-Apertur in Spaltrichtung betragen. Mit dem Analysator (oder auch mit dem Polarisator) kann man eine für das Objekt optimale Kontrastsituation erzeugen. Beim Einsatz des Objektivs 10x und des Okulars 10x SFZ 25 wird das Sehfeld mit Hilfe einer Großfeldlinse voll ausgeleuchtet.
Es ist erstaunlich wie relativ lichtstark die Einrichtung beim Einsatz einer Spaltblende noch ist.
Eine Spaltblende bewirkt natürlich einen Azimuteffekt, d.h. die Auflösung eines Objektdetails hängt von Lage zur Spaltblende ab. Ein Mikroskopieren mit einem Drehtisch ist daher von Vorteil. Das Bild ist nicht absolut gradientenfrei, aber eben hinreichend gradientenfrei.
Nun dazu einige erklärende Bilder:


Leitz ICR Wollastonprima



Das auf den Einsatz von Unendlichoptik umgebaute Mikroskop ( https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33130.msg244028#msg244028 )



Spaltblendenkondensor



Einsatz der Großfeldlinse



Bild der hinteren Objektiv-Brennebene mit Abbildung des Spaltes und schwarzer Nulllinie



Staubfäden-Haarzellen der Tradescantia (Zeiss Plan-Neofluar 10x)



Diatomeen-Fundortplatte Oamaru, gelegt von Dr. Ralf Nötzel nach einem Entwurf von A.Elger 1939
(Zeiss Plan-Neofluar 10x)



Diatomeen-Testplatte (Zeiss Plan-Neofluar 20x)



Diatomeen-Testplatte (Zeiss Plan-Neofluar 40x)



Epithelzellen der Mundschleimhaut (Zeiss Plan-Neofluar 40x)


Beste Grüße von Jürgen aus Hagen, der allen Mikrofreunden das eine wünscht:"Bleibt negativ!"

ortholux

Lieber Jürgen,

so sehr ich mein (Leitz-)Gehirn auch winde, ich finde keine Idee, wie der Strahlengang aussieht und wie das Prisma (was wiedervereinigend?) wirkt.

Magst Du mich aufklären?

Danke und herzliche Grüße
Wolfgang

momotaro

#2
Hi Jürgen,

ich vermeine eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zeiss PlasDIC zu erkennen ;).

EP1359453 Anordnung und Verfahren zum polarisationsoptischen Interferenzkontrast:
https://data.epo.org/publication-server/rest/v1.0/publication-dates/20060809/patents/EP1359453NWB1/document.html

PlasDIC – a useful modification of the differential interference contrast according to Smith/Nomarski in transmitted light arrangement:
http://www.zebrasc.com/UpImages/200912/P20091224132510.pdf

LG Helmut
,,Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig." — Johann Wolfgang von Goethe Wilhelm Meister's Lehrjahre (1786–1830)

Jürgen Boschert

Hallo zusammen,

zur Theorie des DIC mittels Spaltblendenkondensor müsste ich jetzt erst nachlesen. Beschrieben ist die Methode aber schon lange vor dem Plas-DIC, z.B. von Pluta; der Kondensor, den Jürgen verwendet gehört auch zu der Interferenzeinrichtung nach Pluta von PZO. Auch Göcke hat die Technik in seinem Buch über die Methoden der Lichtmikroskopie beschrieben.
Beste Grüße !

JB

Peter V.

#4
Hallo Wolfgang,

ich denke, dass die Spaltblende letztlich einfach das Kondensorprisma ersetzt. Eine solche solche Spaltblende gibt es - neben dem passenden Prismenkondensor - auch bei den Pluta-DIC-Einrichtungen von PZO. Ähnliches hat auch BW-Optik als DIK für mittelmäßig Arme unter der Bezeichnung "DIK-BWO" angeboten, dabei wird auch nur ein einziges Objektivprisma verwendet (sogar das gleiche Prisma für diverse Objektive) und kondensorseitig ein variabler Spaltblendenschieber.

https://www.yumpu.com/de/document/read/4820862/jenamed-zeiss-jena-bw-optik-langner-voss

Das Bild des "BWO-DIK" sieht somit auch enstprechend aus, also mit recht starken azimutalen Artefakten.

Herzliche Grüße
Peter



Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

ortholux

Zitat von: Peter V. in November 04, 2020, 17:53:29 NACHMITTAGS
ich denke, dass die Spaltblende letztlich einfach das Kondensorprisma ersetzt.

Danke,

hab ich mittlerweile aus dem post von Helmut entnommen. Hatte die Beugung am Spalt nicht mehr präsent. Pffff....Dipl. Fotoing. (FH)...alles klar.

Neeneeneee das Alter...
Wolfgang

Florian D.

Das sollte dann ja auch mit einem Reflexionsobjektiv+Prisma funktionieren?

Viele Grüsse
Florian

wilfried48

#7
Zitat von: momotaro in November 04, 2020, 17:08:48 NACHMITTAGS
.....
ich vermeine eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zeiss PlasDIC zu erkennen ;).

EP1359453 Anordnung und Verfahren zum polarisationsoptischen Interferenzkontrast:
https://data.epo.org/publication-server/rest/v1.0/publication-dates/20060809/patents/EP1359453NWB1/document.html

PlasDIC – a useful modification of the differential interference contrast according to Smith/Nomarski in transmitted light arrangement:
http://www.zebrasc.com/UpImages/200912/P20091224132510.pdf
....

Hallo,
nein die Idee die hinter dem Zeiss PlasDIC steckt ist eine andere. Dort sind alle polarisierenden Elemente nach dem Durchgang des Lichts durch das Objekt angeordnet, sodass sich das Objekt auf einem nicht spannungsfreien Substrat, wie z.B. Plastik Petrischalen befinden kann. Er wird daher auch nur für Invers-Mikroskope angeboten. Da vor dem Objektträger das Licht also nicht polarisiert werden darf, kann man zur Aufspaltung auch kein Wollaston-Prisma nehmen sondern es muss eine Spaltblende verwendet werden.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Alfons Renz

Lieber Wilfried,

Beim Überfliegen der Beschreibung des PlasDICs von Zeiss frage ich mich, wie wohl das Bild aussehen würde, wenn man das Objekt (die Zellen) auf einem ganz normalen Glas-Träger und nicht auf einer Plastik-Petrischale betrachten würde: Fallen dann nicht alle 'Anisotropien des Plastiks' weg, und das Bild wäre so gut wie im 'normalen' DIK?

Ich besitze keinen PlasDIK-Schieber und kann dies leider nicht selbst überprüfen. (=> Falls Jemand einen Solchen anzubieten hätte, bitte ich um eine Nachricht!).

Der Eindruck der Bilder erinnert auch an die verschiedentlichen Eingriffe in die hintere Brennebene von Objektiven - das berühmte 'Rosshaar' hinten quer im Objektiv -, die dann plastische Objekte zeigen, wie es auch Herr Matthias mit seinem Beugungs-Interferenzkontrast erzielt hat (Mikrokosmos, 1988, 1 S. 1-5).

Herzliche Grüße,

Alfons

Jürgen Boschert

Hallo Alfons,

wenn ich den PlasDIC richtig verstanden habe, ist gerade sein Vorteil, dass anisotrope Materialien in der Objektumgebung keinen Einfluss auf das Bild haben. Der erste Polfilter sitzt doch objektivseits des Wollaston-Prismas in der hinteren Brennebene des Objektives.
Beste Grüße !

JB

Alfons Renz

Hallo Jürgen,

Das Prinzip des PlasDIK ist schon klar - nur die Bilder, die in der zitierten Arbeit der ZEISS-Mitarbeiter gezeigt werden, suggerieren, dass mit inversen Mikroskopen nur mittles PlasDIK brauchbare Interferenz-Bilder erzeugt werden können.

Das gilt ohne Zweifel bei der Verwendung von Plastik-Gefässen.

Meine Vermutung/Frage ist, dass/ob bei Verwendung von Glas (in Form von z.B. von Kammerböden aus Deckgläsern) der ganz normale DIK auch mit inversen Mikroskopen funktionieren müsste und z. B. die Verwendung des PlasDIK bei Planktonkammern mit solchen Glasböden keine Vorteile hätte.

Herzliche Grüße,

Alfons

Jürgen Boschert

Hallo Alfons,

mit Glas geht eindeutig auch normaler DIC, die Bildqualität dürfte auch besser sein. Bei den ganzen DIC-Verfahren mit Spaltblende wirkt auf mich der Hintergrund immer etwas "streifig-unruhig", so auch in den in diesem Faden eingestellten Bildern. Durch die Spaltblende wird halt auch ein gewisser Schliereneffekt hereingebracht.
Beste Grüße !

JB

junio

#12
Danke, liebe Foristen, für Eure Rückmeldungen und Kommentare.

Lieber Wolfgang, das Gebiet ist wirklich sehr komplex, und zwar so , dass ich auch nicht ungedingt alles richtig verstehe.
In der Literatur gibt es einige Bücher, die zum Thema etwas sagen. Die Autoren sind Beyer, Beyer-Riesenberg, Krug Rienitz Schulz, Pluta, Göke.
Mein Mikrofreund Göke hat es einigermaßen griffig erklärt und hat sich dabei m.E. hauptsächlich auf die Pluta-Literatur bezogen. Bei Göke gibt dann auch ein kleines Kapitel, das darauf hinweist, dass ein Nomarski–Prisma in Verbindung mit einer Spaltblende einen brauchbaren Interferenzkontrast liefern kann, und das war mein Ansatz.
Mit der Beugung am Spalt allein ist es nicht erklärt.

Helmut danke ich für seinen Beitrag zum PlasDic. Das wäre für mich ein weiteres Bastelgebiet.

Jürgen Boschert weist auch auf Pluta und Göke hin. Die Pluta-Einrichtung arbeitet allerdings mit einer zwischenabbildenden Optik.

Lieber Peter, azimutale Effekte sind bei verschiedenen Kontrastierungsverfahren nicht zu vermeiden. Als Beispiel dient die schiefe Beleuchtung, der Hoffman-Kontrast. Aber auch der normale DIK kennt dieses Problem, wenn auch sehr, sehr reduziert.

Lieber Florian, Du hast das angesprochen, was ich anregen wollte: DIK-Effekte mit evtl. vorhandenen Prismen zu schaffen, wenn man Spaß am Basteln hat.

Wilfried bemerkt zu recht, das ein Wollaston-Prisma polarisiertes Licht braucht und der PlasDik-Schieber besteht aus einem in Polfiltern eingebetteten Wollaston-Prisma ( besser Nomarski-Prisma).

Alfons, wie Jürgen schon sagt funktioniert der normal DIK am inversen Mikroskopen unter Verwendung von Glasbehältnissen einwandfrei. Er ist allerdings sehr teuer und da am inversen Mikroskopen in der Regel schwache Vergrößerungen angesagt sind und genug Licht da ist, eignen sich billige Spaltblenden genau so gut wie teure DIK-Kondensoren.

Lieber Jürgen, ja die Streifigkeit ist etwas unschön. Man kann den Effekt etwas schwächen, indem man den Spalt vergrößert. Aber das bringt wieder eine Kontrastproblematik
Wie sagte mein alter Chef: ,,Man kann nicht alles haben! Gesunde Kinder und heile Möbel, das geht einfach nicht!

Beste Grüße und noch einmal danke für Euer Interesse
Jürgen

wilfried48

#13
Lieber Alfons,

natürlich funktioniert der Zeiss PlasDIC auch mit normalem isotropem Glas als Objekträger, aber da könnte man ja auch herkömmlichen DIC mit Polarisation und Aufspaltung durch ein Nomarski Prisma nehmen.
Ich habe leider keinen PlasDIK -Schieber mit aufgekittetem Polarisator sonst könnte ich mal den Vergleich zum konventionellen DIK machen. Und meine konventionellen DIC Schieber will ich nicht durch eine Bastelei ruinieren. Die Spaltblende könnte man sich ja leicht selber herstellen.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Holger Adelmann

#14
Liebe Kollegen,

ich weiß nicht ob mein "Senf" hierzu noch nötig ist - oder ob das Wunder des DIC mit nur einem Wollaston / Nomarski -Prisma auf der Abbildungsseite jedem klar ist.

Die Voraussetzung dafür, dass Lichtwellen stationär interferieren können und somit ein stabiles, beobachtbares Interferenzphänomen erzeugen können ist, dass sie räumlich kohärent sind, d.h. dass deren Phasen vom Ursprung her gekoppelt sind. Wichtig ist hier, dass man sich den Begriff der stationären Interferenz vorstellen kann, denn nur darauf basierende optische Phänomene sind für uns in diesem Zusammenhang beobachtbar!

Die üblichen am Mikroskop verwendeten Lichtquellen erzeugen kein räumlich kohärentes Licht, Phasenlagen und Polarisationsebenen der emittierten Lichtwellen sind "bunt gemischt" (statistisch verteilt).
Unendlich kleine Punktstrahler erzeugen zwar kohärentes Licht, sind aber natürlich nicht realistisch.
Die Spaltblende reduziert quasi die Dimensionalität des Strahlers und erhöht den Anteil kohärenter Wellen (auf Kosten der Lichtausbeute und natürlich mit dem Einkaufen anderen Probleme wie den azimutalen Artefakten).

Wenn nun also diese räumlich kohärenten Wellen hinter der Spaltblende das Präparat an verschiedenen Stellen durchsetzen werden sie verschieden beeinflusst, behalten aber aufgrund ihrer Kohärenz ihre Phasenkoppelung (NICHT gleichzusetzen mit identischer Phase) und können später durch die genannten Prismen / POL Filter zur Interferenz gebracht werden.
Da diese Wellen vom Ursprung her räumlich kohärent sind, muss nicht zunächst durch ein kondensorseitiges Prisma eine Aufspaltung in zueinander kohärente ordentliche und außerordentliche Wellen vorgenommen werden, damit diese Wellen interferieren können.
Das kondensorseitige Prisma ermöglicht "nur" eine höhere Beleuchtungsapertur und vermindert methodenbedingte Artefakte.

Im Amplival ("Interphako") z. B. ist ein Mach-Zehnder Interferometer rein im abbildenden Strahlengang verwirklicht.

Ich hoffe das hilft etwas - ich weiß, das ist derbe Kost.

Viele Grüße,
Holger