Botanik: Süße Überraschung - Musa x paradisiaca *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 09, 2023, 10:45:32 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

vor mehr als zehn Jahren hatte ich schon einmal den Fruchtstiel einer Banane geschnitten, die Bilder hier aber nie gezeigt. Die Anlage der Leitbündel im Fruchtstiel führt zu einem sehr ästhetischen Muster und ich wollte einmal probieren, wie der Schnitt mit Sven Kötters Hamburger Grün wirkt. Also habe ich im Obstkorb nach einer frischen Banane geschaut und mich ans Werk gemacht. Das Ergebnis möchte ich Euch diesmal nicht vorenthalten. Aber wie gewohnt zunächst einige Informationen zur Pflanze selbst.


Die Desertbanane (Musa x paradisiaca)

Die meisten Bananen, die wir im Supermarkt kaufen können, stammen von der Dessertbanane (Musa x paradisiaca), einer auf Ertrag gezüchteten Hybride mit verkümmerten Samenanalgen.
Die Gattung Musa (Bananen) zählt etwa 80 Arten, die mit einer Ausnahme (Tansania) alle aus dem tropischen bis subtropischen Asien und westlichen Pazifikraum stammen. Die einkeimblättrigen Pflanzen gehören mit der Familie Musaceae (Bananengewächse) in die Ordnung Zingiberales (Ingwerartige). Einige der Arten bilden essbare Früchte, die geschmacklich oft viel intensiver und weniger süß (Kochbananen) sind, als unsere gewohnte Kaufhausbanane, von der auch meine Probe stammt.

Bild 1: Illustration zu Musa x paradisiaca

Aus Flora de Filipinas, Gran edicion, Atlas I, 1880 von Francisco Manuel Blanco (O.S.A.), gemeinfrei

Wie alle Pflanzen der Gattung Musa sind auch die Dessertbananen immergrüne, krautige Pflanzen. Sie besitzen ein Ausläufer bildendes, unterirdisches Rhizom. Die eigentliche Sprossachse bleibt bis zur Blütezeit sehr kurz. Wir sehen einen Scheinstamm, der aus der Sprossachse im Zentrum besteht, der fest von den massiven Blattstielen bzw. Blattscheiden umschlossen ist. Die Höher variiert zwischen einem halben und drei Metern, dabei kann das untere Ende leicht verdickt sein.

Bild 2: Desertbananenpflanze mit Fruchtstand

Aus Wikipedia, von User Papouten, CC BY-SA 4.0

Die großen, einfachen, ganzrandigen Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die Blattspreite ist länglich oder länglich-elliptisch geformt, sie erreicht eine Länge von zwei bis drei Meter bei einer Breite von 30 bis 60 Zentimeter. Ältere Blätter sind oft vielfach bis zur Mittelrippe eingerissen.

Bild 3: Desertbanane mit Blüte / Fruchtstand

Aus Wikipedia, von Canthia Doresi, CC BY-SA 4.0

Der endständige Blütenstand hängt meist über, manchmal steht er jedoch auch aufrecht. Er ist mit zahlreichen grünen, braunen oder rot-violetten Hochblättern besetzt, die nach und nach abfallen. An der Unterseite eines jeden Hochblatts befinden sich mehrere Blüten in einer oder zwei Reihen. Die zwittrigen oder eingeschlechtigen Blüten sind zygomorph und dreizählig. An der Basis des Blütenstands sind die Blüten weiblich (mit verkümmerten Staubblättern) oder zwittrig, zum Ende des Blütenstands hin befinden sich männliche Blüten mit fünf Staubblättern. Fünf der sechs Blütenhüllblätter sind zu einer Röhre verwachsen, die an einer Seite bis zum Grund aufreißt.

Bild 4: Bananenblüten

Aus Wikipedia, von Kamru Islam Shahin, CC BY-SA 4.0

Die Früchte, die botanisch zu den Beeren gehören, werden meist 20 bis 35 Zentimeter lang. Sie sind länglich geformt, meist gekrümmt, im Querschnitt leicht kantig. Sie enthalten zahlreiche rundliche bis linsenförmige Samen. Die Früchte der kultivierten Sorten wie Musa x paradisiaca enthalten meist keine oder verkümmerte Samen. Sie haben, verglichen mit anderen Obstsorten, einen mäßigen Vitamingehalt (Vitamin C (12 mg pro 100 g), Folsäure (20 µg pro 100 g)), und enthalten Mineralstoffe (insbes. Phosphor, Eisen, Kalium, Magnesium, Mangan, Kupfer), Zucker und Ballaststoffe.

Bild 5: Beerenfrucht einer Wildbanane mit Samen

Aus Wikipedia, von Warut Roonguthai, CC BY-SA 3.0

Literatur:
Die Dessertbanane ist ein wichtiges Exportprodukt und wird quasi in der ganzen Welt angeboten. Informationen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Bananen findet Ihr sehr umfangreich zusammengestellt im Wikipediaartikel zur Dessertbanane: http://de.wikipedia.org/wiki/Dessertbanane

Zur Anatomie der Musaceae bietet Anatomy of the Monocotyledons Vol. III, Commelinales - Zingiberales von T.B. Tomlinson ab Seite 303 viele nützliche Hinweise, unter Anderem auch auf Tannine und Milchröhren in allen Pflanzenteilen, was natürlich bei der Präparation beachtet werden muss.

Auch möchte ich hier noch auf einen Thread von Karl hinweisen, der uns den Fruchtstiel der Banane 2018 schon einmal gezeigt hat:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31310.0

Bild 6: Illustration einer Wildbanane: Musa troglodytarum

Aus Flora de Filipinas, Gran edicion, Atlas I, 1880 von Francisco Manuel Blanco (O.S.A.), gemeinfrei


Die Präparation

Geschnitten habe ich den frischen Fruchtstiel freistehend längs und quer auf dem Tempelchen mit Leica Klingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt etwa 50 µm.

Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 1 Stunde waren wegen der Tannine bzw. dem Milchsaft weitere Schritte notwendig:
- Stufenweises Überführen in Aqua dest.
- Spülen mit Eau de Javel für ca. 30 Sekunden
- Mehrfaches gründliches Spülen mit Aqua dest.
- Bleichen mit Chloralhydrat für ca. 2 Stunden
- Mehrfaches gründliches Spülen mit Aqua dest.

Die Färbung ist Hamburger Grün nach Sven Kötter:

- Neufuchsin Lösung 0,1% 5 - 8 Minuten, gelegentlich schwenken
- Spülen mit Aqua dest. bis keine Farbe mehr abgeht
- Chrysoidin Lösung 1% 2 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen bis vor den Siedepunkt
- Spülen mit Aqua dest. bis keine Farbe mehr abgeht
- Differenzierung gemäß Original-Anleitung
2 * Spülen mit Ethanol 30%
Differenzieren mit Ethanol 70% für ca. 60 Sekunden
2 * Spülen mit Ethanol 30 %
2 * Spülen mit Aqua dest.
- Aclianblau Lösung 0,2% 2 Minuten, verdrängt das Chrysoidin aus den Parenchymen
Mit einmaligem leichen Erwärmen bis vor den Siedepunkt
- Spülen mit Aqua dest. bis keine Farbe mehr abgeht
- Titangelb Lösung 0,5% 3 Minuten
- Spülen mit Aqua dest. bis keine Farbe mehr abgeht

Nach gründlicher Entwässerung in Isopropanol 99,9 % habe ich ganz klassisch in Euparal eingedeckt.


Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x, und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker Version 1.04 Build T2023-06-11-1120 (64Bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Nun aber zu den Mikroskopischen Aufnahmen!

Neben den Hinweisen auf Tannine und Milchsaft fanden sich im Artikel zu den Musaceae auch solche auf Raphidenbündel und einen "groben Calciumoxalatsand" in den Zellen aller Pflanzenteile. Daher habe ich bei den frischen, unfixierten Schnitten einmal ganz genau hin geschaut:

Bilder 7a-d: Aufnahmen vom frischen, unfixierten Querschnitt des Fruchtstiels im Hellfeld





Abgesehen davon, dass man auch hier wieder alle relevanten Strukturen auch ohne Färbung erkennen kann: wer genau hin schaut, kann in den Aufnahmen 7c&d einige Raphidennadeln erkennen. Und in Bild 7b finden wir rechteckige Strukturen in einigen der Parenchymzellen. Wenn das der Calciumoxalat-"Sand" ist, müsste er sich im Polarisationskontrast entsprechend darstellen lassen.

Bilder 8a-f: Aufnahmen vom frischen, unfixierten Querschnitt des Fruchtstiels im Polarisationskontrast







Während man einzelne Rhapiden im Bild 8a nur erahnen kann, sind sie im Bild 8b schon klar zu erkennen. Etwas näher ran in den Bildern (c&d findet sich ein angeschnittenes Raphidenbündel, dessen einzelne Nadeln sich auf der Oberfläche des Schnitts verteilt haben.
Und die Bilder 8e&f zeigen auch den bei Tomlinson beschriebenen Calciumoxalatsand, der mir ohne die Beschreibung in der Literatur sicher entgangen wäre.

Und nun kommt Farbe ins Spiel! Eines gleich vorweg: durch die aufwändige Präparation mit vielen Spül- und Bleichschritten und dem mehrfachen Erwärmen ist vom Calciumoxalat nichts mehr zu sehen: sowohl Sand als auch Nadeln sind verschwunden.
Der Fruchtstiel lässt sich anhand der Leitbündelanordnung in einen äußeren und einen inneren Bereich einteilen:

Bild 9: Makro eines Querschnittpräparates, Färbung ist hier W3Asim II



Dabei versorgt der äußere Leitbündelring die Fruchtschale der Beerenfrucht, während der innere Ring die Samenanlagen und das Parenchym drumherum bedient.

Bilder 10a-f: Der äussere Leitbündelring im Querschnitt, Färbung Hamburger Grün







Hier finden wir den klassischen Aufbau einer Einkeimblättrigen Pflanze: viele geschlossen kollaterale Leitbündel eingelagert in ein Parecnchym (RP). Dabei zeigen die Leitbündel einen etwas spezielleren Aufbau: hinter einer massiven Sklerenchymkappe (Skl) liegt ein vergleichsweise kleines Phloem (Pl), gefolgt vom Xylem (Xl), das von einer, in Ausnahmefällen von zwei, Spiraltracheiden mit entsprechend großem Durchmesser dominiert wird. Nach außen haben wir den klassischen Abschluss in Form einer Epidermis (Ep) mit Cuticula (Cu), die wir uns gleich noch einmal im Detail ansehen werden. Innen wäre ein eher leitbündelloses Markparenchym zu erwarten, das hier aber von der Leitbündelgruppe zur Versorgung des inneren der Beerenfrucht ersetzt wird.
Zwischendrin finden sich immer wieder "Zellen" mit eher Lila angefärbten Wänden. Hier handelt es sich um die Milchröhren. Artefakte in Form von gefüllten Zellen mit abweichender Farbe sind wahrscheinlich auf Reste der Tannine zurück zu führen.

Bilder 11a-c: Epidermis des Fruchtstiels. Hamburger Grün, letztes Bild W3Asim II




Hier ist schön zu sehen, woher die matte, seidige Oberfläche der Banane kommt: die Zellen der Epidermis (Ep) haben kleine, abgerundete Ausstülpungen. Darüber liegt die schützende Cuticula (Cu).

Bilder 12a-: Der innere Leitbündelring im Querschnitt, Färbung Hamburger Grün






Hier nun der innere Ring, in dem die Leitbündel dicht an dicht eine fast geschlossene Gruppe bilden. Die Benennung der Gewebe erfolgt nach dem gleichen Schlüssel wie unter den Bildern 10 beschrieben.

Werfen wir nun noch ein Blick auf die Längsschnitte:

Bilder 13a-d: Längsschnitte mit Spiraltracheiden





Umgeben vom Rindenparenchym (RP) finden wir zum einen die lang gestreckten roten Sklerenchymzellen und am Rand eine große Tracheide (T), deren spiralförmige Versteifungen im Längsschnitt besonders schön zu erkenne sind. Im Bild 13d sehen wir den Übergang zwischen zwei dieser Tracheiden.

Nun stellt sich die Frage, wie denn die Fruchthülle der Banane ausschaut, also die klassische Bananenschale. Den interessanten Teil mit den Leitgeweben kann ich Euch anhand von Bildern eines Präparates vom leider schon verstorbenen Bode Braunstorfinger zeigen. Die Färbung ist hier wahrscheinlich W3A.

Bilder 14a-d: Querschnitt durch die "Bananenschale"





Alles sehr ähnlich, nur dass die Sklerenchymkappen (Skl) hier nicht verholzt sind, also Blau erscheinen. Die Artefakte in Form der mit einem roten "Lack" gefüllten Lumen weisen wieder auf die Milchröhren hin. Das Phloem (Pl) ist kaum zu erkennen, die Spiraltracheide (T) entsprechend kleiner.

Zum Schluss noch etwas fürs Auge und zum Vergleich: meine ersten Bilder vom Fruchtstiel der Banane, gefärbt mit W3Asim II.

Bilder 15a-d: Fruchtstiel der Banane im Querschnitt, Färbung W3Asim II





Vielen Dank fürs Ansehen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Muschelbluemchen

Lieber Jörg,
herrlicher Beitrag und die Makroaufnahme ist wunder, wunderschön.

LG
Leo

jcs

Hallo Jörg,

sehr gelungene Dokumentation. Schön zu sehen, was die Schnippel-Profis mit Proben aus der Obstschale alles herzaubern können.
LG
Jürgen

Fahrenheit

Vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Leo,

ja, das waren noch Zeiten! Die Aufnahme habe ich mit einer Canon S3is gemacht. Der geringste Nahabstand des Zooms war 0 mm: direktes Auflegen auf die Frontlinse.

Ich habe also die Kamera auf den Rücken gelegt, das Präparat mittig auf dem Objektivring plaziert und einen halben Tischtennisball als Diffusor auf den objektträger gelegt. Von oben mit einer starken Hallogenlampe (Schreibtischlampe) beleuchtet und abgedrückt. Das wars.

Leider habe ich bisher kein Objektiv und keine Kamera mehr gefunden, die das kann.

Lieber Jürgen,

ich war selbst überrascht, als ich mir zum ersten Mal einen Bananenstiel näher angeschaut habe. Das lohnt sich auf jeden Fall.

Euch beiden herzliche Grüße und einen schönen 2. Advent
Jörg  
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Wutsdorff Peter

Schönen Sonntag  Jörg,
ich bin wieder einmal hingerissen von Deinen Beiträgen!
Das war ja eine umfangreiche Arbeit, die Du Dir mit der Banane gemacht hast. Ich schließe mich den bewundernden  Worten meiner Vorgänger an!!
Gratulation
Greuß Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

eine gelungene Dokumentation, besonders die Längsschnitte mit Spiraltracheiden.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Peter, lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für Euer Lob, das mich sehr freut.

Ja, beim Bananenstiel sind Längsschnitte einfach: der ist so dick, dass man ihn mit Zylindermikrotom problemlos auch liegend einspannen kann. :)

Herzliche Grüße
Jörg
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