Pfeilhaare bestimmen -> Anthrenus verbasci

Begonnen von Gerd Schmahl, Januar 05, 2024, 15:32:26 NACHMITTAGS

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Gerd Schmahl

Hallo,
in der Familie der Speckkäfer gibt es mehrere Gattungen, deren Larven sogenannte Pfeilhaare tragen. Ich habe jetzt auch so einen Befall in einer "Sammlung": Ich hatte Aprikosenkerne durchbohrt, um sie zusammen mit Muscheln, Schnecken und Hühnergöttern von Kindern zu "Steinzeitschmuck" verarbeiten zu lassen. Nun bin ich die letzten Jahre nicht dazu gekommen, dieses Bastelangebot zu machen und als ich nun nach den Aprikosenkernen sah, waren sie von Larven einer Speckkäfergattung geleert worden. In dem Mulm, den die Tiere hinterlassen haben, fanden sich viele Larvenhäute und Pfeilhaaren:
Pfeilhaar.jpg
Leider konnte ich keine Käfer finden, nur 4 einzelne Flügeldecken, die auch schon angefressen waren. Immerhin konnte ich die Größe der ausgewachsenen Käfer auf etwa 5mm abschätzen. Leider ist die Welt der Speckkäfer, zu denen auch die Polster und Teppichkäfer zählen, sehr vielgestaltig, so dass ich noch keine Zuordnung zu einer Gattung treffen konnte. Kennt jemand eine Quelle, nach der man an Hand der Pfeilhaare, die sehr charakteristisch sein sollen, die Gattungen oder gar Arten bestimmen kann?

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Heiko

Hallo Gerd,
das nenne ich ambitionierte Forensik.  :)
Vielleicht ein Fall für den Freude/ Harde/ Lohse: Die Käfer Mitteleuropas.
Leider gehöre ich nicht zu dem elitären Besitzerkreis.
Viele Grüße,
Heiko

liftboy

den Reitter hätt ich da, da will ich morgen mal nachblättern :-)

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

limno

Hallo Gerd,
da hätte ich die Seite für Dich, nebst einem netten Spruch aus Eugen Roths "Tierleben"
http://www.dermestidae.com/
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

SNoK / Stephan Krall

Lieber Gerd,

das könnte Anthrenus verbasci sein. Ich kann dir morgen ein paar Bilder von Pfeilhaaren schicken.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Gerd Schmahl

Hallo Heinrich,
die Seite von Andreas Herrmann ist zwar sehr interessant, aber hier finde ich ausschließlich Bilder von ausgewachsenen Käfern, aber kein einziges Larvenbild und schon gar keine Pfeilhaare.

Hallo Stephan,
auf Anthrenus verbasci bin ich auch schon gestoßen, allerdings passen die gefundenen Flügeldecken nicht dazu. Vielleicht gehören diese aber auch zu einer ganz anderen Gruppe von Käfern, die nur zufällig auch in der Kiste waren. Ich habe darin einiges an Naturmaterial...

Über Bilder zugeordneter Pfeilhaare würde ich mich sehr freuen. Ich habe jedenfalls gleich mal 12 Dauerpräparate hergestellt mit den Pfeilhaaren. Die sind sind in meiner Probe so häufig, dass ich sie aufgeschwemmt habe und einfach 2 Tropfen pro Deckglas eintrocknen lassen und in UV-Kleber eindecken konnte. Und auf diese Präparate würde ich gerne was sinnvolles schreiben als "Pfeilhaare von Dermestidae-Larven".

Hier mal ein Übersichtsfoto, wie häufig die Dinger in der Probe sind.
FL-Plan2x-a-800.JPG

Mit dem Wissen, dass diese Haare Allergien auslösen können, sollte ich dann wohl auch die Hühnergötter und Schnecken nochmal abwaschen, bevor ich Kinder damit basteln lasse.

LG Gerd
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doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

SNoK / Stephan Krall

Lieber Gerd,

in Anlage ein Bestimmungsschlüssel für Dermestiden, in der auch Pfeilhaare eine Rolle spielen. Er ist aus Weidner (1982). Ich habe bei Weidner, der damals die Koryphäe für Stadtökologie und Vorratsschädlinge war, mein Entomologiestudium begonnen und nach seiner Emeritierung bei einem anderen Professor weiter gemacht. Meine Diplomarbeit drehte sich auch um Vorratsschädlinge und verschaffte mir dann meinen ersten Job in Afrika. Dort hab ich mich acht Jahre mit diesen Tierchen beschäftigt, allerdings spielten die Dermestiden dort keine so große Rolle. Damals, aber das ist 40 Jahre her, war ich fit im Bestimmen. Inzwischen ist das Meiste verschütt, so auch die Pfeilhaare. Aber vielleicht kannst du mit dem Schlüssel was anfangen.

Grüße
Stephan
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Gerd Schmahl

Hallo Stephan,
allerherzlichsten Dank! Da werde ich mich am Wochenende mal in ruhe drin vertiefen. Beim allerersten überfliegen der Bilder bin ich auch bei Anthrenus verbasci gelandet.
LG Gerd
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doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Gerd Schmahl

Hallo,
jetzt bin ich endlich dazu gekommen, dem Bestimmungsschlüssel von vorne bis hinten zu folgen und bin mir jetzt, nach dem ich auch nochmal lebende Larven gesucht und gefunden habe, dass es der Wollkrautblütenkäfer (Anthrenus verbasci), auch Museumskäfer genannt, ist.
Besten Dank besonders an Stephan!
LG Gerd
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doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

liftboy

Hallo Gerd,

das possierliche Tierchen zerlegt meine ganzen Haushalt! Kleidung und Vorräte. Eingeschleppt haben das wohl die Spatzen, welche ich (gerne) unter meinem Dach beherberge. Die haben übrigends auch am Futterhaus Vogelmilben eingeschleppt. Arme Säcke!
Ich hab mal Bilder drangehängt:
Larve, die ganze Meute, Larve in hübsch, Käfer von oben (schöne Schuppen)

viele Grüße
Wolfgang
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Niels Bohr

SNoK / Stephan Krall

Lieber Wolfgang,

ich habe seinerzeit meine Diplomarbeit über die Insekten und anderes Getier in Taubennestern gemacht, unter besonderer Berücksichtigung, ob sie in die Speicher im Hamburger Hafen einwandern. Ich glaube, ich habe über 100 Arten in den Nestern gefunden, von denen sich natürlich einige auch für Lagerhäuser interessiert haben. Offenbar machen deine Spatzen auch mit.

Grüße
Stephan
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SNoK / Stephan Krall

#11
Liebes Forum,

ich greife den Faden von Gerd wieder auf, da mich vor ein paar Tagen ein Freund fragte, ob ich ihm beim Bestimmen von Tierchen helfen könne, die in der Wohnung seiner Schwester aufgetaucht sind.

Es handelte sich um Larven eines Speckkäfers (Dermestidae), die als Vorrats¬- und Materialschädlinge bekannt sind. Ich habe mir die Larven unter dem Stemi angeschaut und, da man die Art gut an den Pfeilhaaren (Hestisetae) bestimmen kann, ein paar davon unter dem Mikroskop näher betrachtet (siehe Bild). Es handelt sich um die Art Anthrenus verbasci, eigentlich die Standardart der Gattung Anthrenus.

Hastisetae sind eine spezifische Gruppe von abstoßbaren Borsten, wie bei den Ciiaten die Extrusomen. Sie befinden sich, je nach Art, sowohl auf den Thorax- als auch den Abdominalsegmenten und dienen primär der Verteidigung der Larve gegen wirbellose Fressfeinde. Über ihre genaue Funktion war lange Zeit wenig bekannt.

Interessant ist der Aufbau der Hastisetae, die bei A. verbasci an den letzten Segmenten der Larve zu finden sind (siehe Bild). Sie sehen mehr oder weniger so aus, wie eine Harpune schon in der Jungsteinzeit (siehe Bild). Wenn die Spitze in einen Gegner eindringt, kann diese offenbar aufgeklappt werden, so dass sie stecken bleibt. Die darauffolgenden Segmente an dem Pfeilhaar sind allerdings gegenüber der Harpune umgekehrt angeordnet. Der Zweck mag sein, dass sich ein Bündel von Hestisetae, wenn sich ein Räuber nähert, um diesen verhaken und ihn festhalten kann.

Nach früheren Studien wurde der Hauptzweck der Hastisetae darin gesehen, dass sie als mechanisches Hindernis wirken, aber heute weiß man, dass sie auch abgestoßen werden und einen potenziellen Räuber töten können. Sie können neben der Wirkung auf Wirbellose aber auch eine Wirkung auf Wirbeltiere erzeugen, wie man durch die allergene Wirkung bei Menschen weiß.

Ende 2021 erschien in Italien eine Doktorarbeit über die Hestisetae bei Dermestiden, die sehr interessant ist:

https://www.research.unipd.it/retrieve/e14fb26f-bb70-3de1-e053-1705fe0ac030/PHD_thesis_ruzzier_Revised.pdf

Wen das Thema interessiert, aber nicht so viel lesen möchte, kann sich auch eine Veröffentlichung anschauen, die vom selben Autor ist:

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6983295/pdf/peerj-08-8340.pdf

Viele Grüße
Stephan
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Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Gerd Schmahl

Hallo Stephan,
danke für diese schöne Ergänzung!
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.