Die Zeit einfrieren – Blitzen mit dem elektronischen Verschluss < 1/12.000 Sek

Begonnen von rlu, Januar 16, 2024, 11:03:40 VORMITTAG

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rlu

Hallo zusammen,
ein schneller Wimpernschlag, eine Zitterbewegung oder einfach nur das Vibrieren des Tisches und schon ist das Bild verwackelt. Wie schön wäre es, wenn alle Bewegungen und Verwacklungen gestoppt werden könnten.

Angefangen habe ich mit einer Sony Alpha 5000, bei der die Erschütterungen des Schlitzverschlusses keine scharfen Bilder zuließen. Die Qualität der Bilder war weit entfernt von dem, was man durch das Okular oder in der Live-Vorschau sah.

Der Photoadapter von Bresser ging einen ganz anderen Weg. Er reduzierte den Lichteinfall um bis zu sieben Blendenstufen, so dass die Blichtungszeit entsprechend verlängert werden musste. Auf diese Weise wurden die Erschütterung "ausgemittelt". Ein Weg, aber kein schöner, bzw. ein langer.

Erst der elektronische Verschluss war vibrationsfrei. Mit einer Lumix LX7 oder GX80 oder G81 und vielen anderen Kameras kann man vibrationsfrei auslösen.

Werden Stackingaufnahmen geschossen, dann können leicht in einer Stunde tausende von Aufnahmen entstehen. Für einen mechanischen Verschluss bedeutet dies, dass das Lebensende der Kamera sehr schnell erreicht ist. Der elektronische Verschluss ist auch deshalb alternativlos, weil er sich nicht abnutzt.

Die Probleme mit den Tischvibrationen und den schnellen Bewegungen der Mikroorganismen waren damit aber noch nicht gelöst. Um ein rauschfreies Bild bei niedriger ISO-Empfindlichkeit zu erhalten, mussten lange Belichtungszeiten in Kauf genommen werden. Die Lösung mehr Licht durch einen Blitz.

Durch eine Diskussion mit dem ADi wurde ich auf eine Möglichkeit aufmerksam,
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?msg=329068

1. den Blitz in Kombination mit einem elektrischen Verschluss zu verwenden, was kameraseitig bei der Panaconic Lumix nicht funktioniert. Der Blitz ist abgeschalten.
2. der Blitz ist wesentlich kürzer als die Blitzsynchronzeit der Kamera mit 1/60 oder 1/125. Die Blitzsynchronzeit gibt die kürzeste Zeit an, zu der der Sensor noch vollständig geöffnet ist. Die Frage lautete, was ist die Blitzsynchronzeit für den elektronischen Verschluss.


Diese Möglichkeit, ohne dass er genauar darauf eingeht, ist auch in dem Buch vom Christian Steeg - Highspeed- Kurzzeitfotografie in Natur und Studio erwähnt.

Die Lösung ist, bei einer Belichtungszeit unter 1/10 Sekunde den Kameraverschluss über ein Steuergerät, hier einen Arduino, auszulösen und dann leicht zeitverzögert den Blitz. Der Blitz belichtet dann den Sensor vollständig, so dass ein Schnappschuss entsteht.

Diese lange Zeit von 1/10 Sekunde = Blitzsynchronzeit, erklärt, warum die Hersteller den Blitz beim elektronischen Verschluß abschalten. Während beim Mikroskop im Zimmer, bei abgeschalteter Mikroskopbeleuchtung fast keine Licht auf den Sensor fällt, wäre bei Tageslicht und 1/10 Sekunde kein scharfes Bild möglich.

Damit ist die kürzeste Zeit Belichtungszeit nur ein Frage, was der Blitz leisten kann, bzw. wieviel Licht das Blitzgerät einspiegeln konnte. Und wie kurz die Blitzdauer ausfällt. Jeder Blitz hat eine eigene kürzeste Abbrenndauer(Zeit in der das Licht vom Blitz an ist).
Natürlich spielte auch die Empfindlichkeitseinstellung der Kamera eine Rolle. Bei hoher Empfindlichkeit kann ein Blitz mit geringerer Leistung und damit kürzer Abbrenndauer gewählt werden.

Beweis: Wird der Tisch während der Aufnahme bewegt, gibt es keine Verwacklungen mehr.
Hier ohne Blitz, 1/10 Sekunde = 0,1 Sekunden nur mit LED-Beleuchtung. Das Bild ist maximal verwackelt/unscharf.
Verwischt.jpg

Ziel erreicht: Hier die Aufnahme mit Blitz. Das Bild ist eingefroren. Obwohl der Tisch schnell bewegt wurde und die Belichtungszeit sehr lang war mit 1/10 Sekunde, sind keine Unschärfen mehr sichtbar.
Bei hunderten Aufnahmen immer das gleiche Ergebnis.
(Übrigens ein sehr schönes Präparat vom Michael Miedaner, Kastanienblüte.)

NichtVerwischt.jpg

Das lila Signal(Auslösung Ardurino) ist das kürzeste Signal das der Arduino mit Delay(1) = 1ms ausgeben kann.
Der Blitz(gelb) wird verzögert ausgelöst. Der Blitz selbst ist wesentlich kürzer als das Auslösesignal.

Adurino_versus_Blitz.jpg

Das Blitzlicht beim Neewer TT560 ist nur 1/12.000 Sekunde ~ 84µs lang.
(12kHz bedeuten hier 12.000 Impulse einer Länge von 84µs haben in einer Sekunde platz)
Es soll Blitze geben, die eine wesentlich kürzer Abbrenndauer haben von bis zu 1/40.000 Sekunde.
Dennoch reicht es, um das Bild einzufrieren.

Blitzzeit.jpg

Die Auslösung des Blitzes erfolgt zeitverzögert. Das soll der "modernen Elektronik" geschuldet sein
Der Blitz wird 44µs später ausgelöst und das bei einer Blitzzeit von 84µs.
Würden mehrere Blitze verwendet, die dann nicht synchron feuern, dann würde sich die Blitzzeit verlängern.

Blitz_verzögert_selber.jpg

Die Länge der Blitzzeit kann im manuellen Modus über die Intensität gesteuert werden.
Niedrigste Stellung 1/12.000 Sekunde, höchste Stellung 1/170 Sekunde.

Blitzsynchronzeit_lang.jpg

Zeitsteuerung über die Intensitätssteuerung. Je geringer die Leistung, desto kürzer der Blitz.
Die Vorteile der neuen Blitzgeräte(es gibt auch Nachteile, siehe Verzögerung)  liegen darin, dass der Blitzkondensator(~schnelle Batterie) nicht vollständig bei geringen Blitzleistungen entladen wird  und der Blitz dadurch sofort wieder blitzen kann. Die Blitzbereitschaft vom Blitz ist schneller als die Kamera verabeitet.  :)
Blitzbedienung.jpg

Wird der Verschluss kürzer als 1/10(1/13;1/20 etc) eingestellt, dann verdeckt der Verschluss den Blitz. Das ist so nicht ganz richtig, es ist eher eine Metapher, weil es ja nicht der Verschluss ist, sondern wie der Sensor belichtet und ausgelesen wird. Bei einem rolling Shutter werden die Pixel nicht alle zur gleichen Zeit belichtet. Das macht nur der global Shutter(z.B. Sony alpha 9iii, neu 2023). Ist die Belichtungszeit länger als 1/10 werden alle Pixel beim rolling shutter gleichzeitig belichtet.
Blitzabdeckung.jpg


Liebe Grüße
Rudolf






rlu

Hallo,

Aufbau:
Wird die Blitz-Zeit festgelegt, dann kann die Belichtungs-Feinsteuerung nur durch die Höhe des Blitzes, die ISO-Einstellung, Filter(Pol, Graufilter), Kondensorhöhe(nicht perfekt) und Blenden Apertur(mit Vorsicht) gesteuert werden.
Aufbau_Vorläufig.jpg

Der Blitz wird hier einfach nur untergelegt und auf maximale Helligkeit ausgerichtet. Auf das Pilotlicht kann verzichtet werden. Es werden dazu in schneller Abfolge Fotos geschossen und so auf dem Monitor scharf gestellt. Die Kamera ist per HDMI(clean out) mit dem Monitor verbunden.
Der Blitz kann vorteilhaft bei diesem Mikroskop unter der Leuchtfeldblende positioniert werden.

Aufbau_und_Einspiegeln.jpg

Das Bild wird per HDMI auf dem Monitor ausgegeben(flimmerfrei).
Der Blitz ist nicht sehr intensiv, trotzdem sollte man nicht durchs Okular in das Blitzlicht schauen.
Monitor.jpg

Schema
Schaltungs_Schema.jpg


Weitere Planung:
Es gibt eine ganze Menge von Ansätzen, wie ein Blitz in ein Mikroskop verbaut werden kann. "Stahlschmidtsche Blitzwürfel" oder LED unter Blitzstab anbringen oder einspiegeln.
Man kann sich auch einen Schieber bauen. Es wird aufwendig. Wie auch immer.


Arbeitet man mit einem Pilotlicht, dann muss die Standard-Beleuchtung(Pilotlicht) während der Blitz-Zeit gedimmt oder ausgeschaltet werden, was aber auch kein Problem darstellt.

Grundsätzlich ging es hier zuerst nur um einen "proof of concept", der mich jetzt schon über ein Jahr umgetrieben hat.

Liebe Grüße
Rudolf

rlu

Hallo,

ich habe vom Aquarium schnell ein bewegliches Objekt gesucht.
Zeiss Planapo 40x, schiefe Beleuchtung, kein DIC, mit Wasserpflanzen, also war das Rädertierchen in der z-Achse(Höhe) voll beweglich und nicht gequetscht.

Aufgenommen mit ISO 200. Und nicht ISO 3600 oder höher. Das Bild ist praktisch rauschfrei.

Limetierung:
Wird das Objekt nicht flach fixiert zwischen Deckglas und Objektträger, dann werden die Bilder unscharf wegen des geringen Tiefenschärfebereichs und nicht wegen der Belichtungszeit. Dieses Rädertier war so nett und hat sich für die fünf Bilder auf einer Ebene bewegt.

Vermutlich ein Mähnenrädertier/Lophocharis.

Auf die Mundöffnung achten. In blau, eine Detailaufnahme von der "Mähne".

Liebe Grüße
Rudolf

Rädertier_Overlay_03.jpg


rlu


jcs

Hallo Rudolf,

spannendes Projekt! Kannst Du ein paar Details zur Schaltung verraten, mit der Du vom Arduino auf den Blitz gehst?
LG
Jürgen

Nochnmikroskop

Hallo Rudolf,

schönes Projekt, danke fürs Zeigen.
Ich möchte mich dieses Jahr auch mit der Blitzfotografie beschäftigen. Daher wäre eine  Schaltungsbeschreibung sehr nett. Noch besser, da ich kein Elektroniker bin, gibt es ggf. schon derartige Projekte bei der Arduino Gemeinde? Wo man sowas für die Fernsteuerung von Panasonic und ggf. Canon bauen lassen kann?
Die Möglichkeiten / Fähigkeiten von ADi kenne ich. Da kann man noch einiges lernen.

Ich werde erst einmal versuchen mit meinen Godox MF12 Blitzgeräten zu arbeiten, die haben eine LED eingebaut, die man zum Scharfstellen als Pilotlicht benutzen kann. Und die Blitzzeit ist sehr gering einstellbar, allerdings bei nicht besonders hohe Leitzahl. Sollte aber besser funktionieren, als nur LED-Blitz.

Wie hast Du die Blitzzeit gemessen?

Neugierige Grüße
Frank
Meistens Auflicht, alle Themenbereiche
Zeiss Axiolab, Leitz Orthoplan, Keyence VHX, Olympus SZX16, Canon EOS 700D, Panasonic G9, Touptek u.a.

reblaus

Hallo Rudolf,

ein ähnliches Problem haben wir hier schon mal vor einigen Jahren bearbeitet. Es hat sich darum gedreht, bei einer Canon 5R2 den Blitz punktgenau aber ohne jegliche Erschütterung auszulösen um sensible Protisten nicht zu erschrecken. So kam hier nur "live view" (elektronischer Verschluss) in Frage, bei dem ebenfalls keine direkte Blitzauslösung vorgesehen war. Auch hier haben wir es mit einer längeren Belichtungszeit per elektrischem Kabelauslöser versucht, der dann über eine Verzögerungsschaltung auch den Blitz auslöste. Leider trat aber vorher immer eine nicht reproduzierbare Verzögerung zwischen der Betätigung des Kabelauslösers und der Aktivierung des Verschlusses auf, sodass der Blitz oft zu früh kam.
Ein weiteres Problem war das "Pilotlicht", das eine brauchbare Helligkeit zu Beobachtung des Objektes haben musste um dieses dann genau im richtigen Zeitpunkt verzögerungsfrei fotografieren zu können. Bei langen Öffnungszeiten des Verschlusses war das ebenfalls schwierig, zumal die Blitzintensität bei sehr kurzen Blitzen ja recht schwach ist, sodass scharfe, schnell bewegte Konturen oft mit Schweifen versehen waren.
Abschalten eines stärkeren Pilotlichtes vor der Belichtung hätte die beobachteten Organismen ebenfalls gestört.
Irgendwann haben wir das dann aufgegeben, zumal die moderneren Kameras bei erträglicher Beleuchtungsstärke und noch brauchbarem Rauschverhalten sehr kurze Belichtungszeiten erlauben.
Trotzdem verfolge ich mit Spannung was bei deinen Versuchen herauskommt!

Viele Grüße

Rolf

rlu

Hallo Frank und Jürgen,

mein erster Versuch die Blitzzeit zu messen ging schon mal schief, weil ich einen LDR-Widerstand verwendet habe. Dieser war eindeutig zu träge.

Ohne eine Blitzzeitmessung kann man eigentlich keine Aussage treffen, ob der Blitz jetzt funktioniert oder nicht, d.h. ob seine Abbrennzeit kurz genug ist.
Es gab auch schon Überraschungen, weil der Blitz von Metz der 36CT3 eigentlich 1/40.000 Sekunde können soll. Bei mir war er aber extrem langsam bei 1/250Sekunde. Der Winderbetrieb funktionierte bei beiden Blitzen nicht.

Den Tipp mit dem Metz 36CT3 habe ich aus dem eigentlich interessanten Beitrag:
https://www.natur-foto-technik.de/technik-highspeed.html

Ich habe dann einen Fototransistor verwendet und mit einem  Operationsverstärker(rail to rail) beschaltet.
"rail to rail" bedeutet, dass der Output so hoch liegt wie die Versorgungsspanung; normal liegt der Output vom Operationsverstärker darunter.
Die Anleitung dazu kam von Attraktor.
Fototransistor als Linien- und Abstandsensor

Gemessen mit einem Speicheroszilloskop. Damit ich mir sicher sein konnte, dass es einigermaßen stimmt, habe ich über eine andere LED mit einem Frequenzgenerator Signale eingespielt und bin bis zu einer Frequenz von 450kHz gekommen. Das sollte mehr als reichen.

Tipp, falls jemand das mal probieren will. Das Oszilloskop hat die Triggerstellungen Auto und Normal.
Auto zeigt das Signal immer an. Normal nur, wenn die Triggerbedingung erfüllt wird, z.B. eine bestimmte Signalhöhe. Dann stoppt das Oszi solange bis wieder eine Triggerbedinung ausgelöst wird und man kann sich das gespeicherte Signal anschauen, vor- und zurückfahren, messen etc.

@Rolf
Sieht alles einfach aus, aber irgendwie weiß ich, dass es manchmal eine Glückssache ist. Fünf Blitze haben schon mal nicht perfekt funktioniert. Irgendwas geht immer nicht. Vielen Dank für die Eindrücke.
Hier sieht man meine erste SMD-(Lötung)Föhnung mit Heißluft, da es dieses IC nicht mehr mit der Beinchen-Bauweise gab.

Testaufbau zur Ermittlung der maximalen Frequenz.
tfd3hcyf.gif

Maximale Frequenz
Oszi_Frequenzgenerator.jpg

Idee ein Projekt einigermaßen sicher zu verstauen, ohne gleich eine Platine löten zu müssen.
Und paßt es nicht, dann wird es passend gemacht.
2024-01-20 21_08_23-Fototransistor - Nachricht (HTML).jpg

Liebe Grüße
Rudolf

junio

Lieber Rudolf,
wenn Du für Deine interessanten Versuche einen Blitzwürfel einsetzen möchtest, kann ich Dir gerne einen zur Verfügung stellen. Eine Adaption auf den Lichtaustritt Deines Mikroskops ist schnell gefertigt.
Beste Grüße von Jürgen (Stahlschmidt)






rlu

Hallo Jürgen,

vielen Dank für das Angebot, ich habe dir eine PM geschickt.

So sieht die Leuchtfeldblende aus.
2024-01-25 15_47_23-Medienbetrachter.jpg

Ich habe zwei Metz 36CT3.
Dieser Blitz blitzt nicht kurz(nur 1/250 Sekunde). Es gibt zwar den Winderbetrieb, aber das hat keine Auswirkung auf die Blitzlänge.

Du hast zumindest früher mit dem Metz 32CT3 gearbeitet.
Hat dein Blitz auch diese Einstellung mit dem Winder?
Abgesehen davon, braucht er zu lange bis er sich wieder auflädt.
Welche Blitze der neueren Generation hast du schon erfolgreich getestet?
 
2024-01-25 15_29_38-Projekt Blitz.docx - Microsoft Word.jpg

2024-01-25 15_29_58-Projekt Blitz.docx - Microsoft Word.jpg

Der Metz 36CT3 im Winderbetrieb. Er soll 1/40.000 Sekunde schaffen!?
2024-01-25 16_05_45-Medienbetrachter.jpg

Liebe Grüße
Rudolf