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Antikmikroskopievirus

Begonnen von TStein, Februar 03, 2024, 16:12:34 NACHMITTAGS

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TStein

Hallo allerseits,

leider konnte ich mir nicht verkneifen, 3 antike Mikroskope von Leitz zu ersteigern. Bin hauptsächlich das neue High-End-Zeugs gewohnt, aber die technische Rafinesse der Geräte ist wirkich beeindruckend.
Leider sind die AmiciNicolschen-Prismen des CBMP und Ahrens-Prismen des CM nicht mehr ganz so schön. Hab mich auch schon etwas mit der Leinölklebereiproblematik hier im Forum befasst. Dazu aber später nochmal.
 
1. Ein ziemlich gut ausgestattetes und prima erhaltenes CM von 1948, No-397264 
2. Ein CBMP von etwa 1930, No-308536
3. Und heute ein vermutliches 1a/1b von 1880-1890. No-8665. Dieses ist leider noch nicht geliefert.

Beim Letzten bin ich mir leider nicht ganz sicher. Hier würde ich mich freuen, wenn jemand hier eine Idee hat.

Lg Tino   

olaf.med

Lieber Tino,

zunächst herzlichen Glückwunsch zum Erwerb dieser schönen Mikroskope. Leider ist dieser Virus wirklich sehr virulent - es wird also nicht bei diesen drei Exemplaren bleiben ;D .

Nun zu den Prismen:

  • Wo sind denn da Amici-Prismen verarbeitet?
  • Bei den Ahrens-Prismen würde ich Dir dringendst raten, nichts zu unternehmen!!! Die Herstellung dieser Komponenten war die höchste Kunst der Fabrikation von Kristall-Polarisatoren und Du würdest absolut sicher scheitern. Ich weiß wovon ich rede! Die Leinöl-Kitterei ist ein Riesenproblem und braucht jeweils Monate zum Härten, aus diesem Grund hat man später niedrig brechende Kunstharze benutzt. Die Ahrens-Prismen sind ja dreiteilig und haben zudem noch ein Deckglas auf der Seite der Keilschneide. Nach dem Verkitten der drei Prismen wurde dieese Fläche erst zuende bearbeitet und poliert, bevor das Deckglas aufgekittet wurde. Es ist ausgeschlossen, dass man diese Fläche bei einer Neuverkittung wieder exakt hinbekommt und das macht sich in einem Versatz der beiden Bildhälften bemerkbar.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

TStein

Hallo Olaf,

vielen lieben Dank, hat leider schon etwas Suchtpotential:) Ich werde mich aber prinzipiell eher auf Pol- und petrographische Mikroskope beschränken. 

Du hast natürlich recht, Nicol-Prismen und nicht Amici waren beim CBMP gemeint. Bin halt parallel noch Astronomisch unterwegs  ::).
Ich hatte deine Kommentare bezüglich der unschönen Ahrens-Prismen bereits hier https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14970.msg115325#msg115325 zur Kenntnis genommen. Vielen Dank auch für die interessanten Insider-Berichte bezüglich der Herstellung dieser frühen Präzisionsteile.
Ich bin bezüglich Reparatur aber trotzdem am überlegen, ich arbeite nämlich an einem Forschungsinstitut mit Schwerpunkt Optik in Jena. Da wäre Neukleben und Planschleifen u.u nicht das Problem, außerdem betreue ich persönlich die erforderliche optische und interferometrische Messtechnik. Aber der Aufwand mit dem Leinöl schreckt mich dann doch ziemlich ab.
Würde man denn die Prismen überhaupt irgendwie sinnvoll trennen können?
Oder vllt stellt man auch alternativ einfach ein paar "Neue" her, dann aber gleich mit modernen Optik-Klebstoffen.

Lg Tino   
 

olaf.med

Lieber Tino,

ZitatOder vllt stellt man auch alternativ einfach ein paar "Neue" her, dann aber gleich mit modernen Optik-Klebstoffen.

Das ist sehr sportlich und ich hoffe, Du weißt auf was Du Dich da einlassen würdest:

  • Es wird völlig reiner Calcit benötigt, ganz ohne Einschlüsse und Zwillingsbildung - klingt zunächst nicht unüberwindlich, ist aber ein großes Problem.
  • Die Prismen sind kristallografisch unterschiedlich orientiert und müssen exakt ausgerichtet sein.
  • Durch die hervorragende Spaltbarkeit und die Härteanisotropie ist der Calcit schwer zu polieren, d.h. unterschiedlich orientierte Flächen erfordern unterschiedliche Polierverfahren.

Die alten Prismen sind leicht zu trennen. Ein paar Tage in Aceton reicht in der Regel, wenn nicht kann man auf dem Kittofen bis deutlich über 100°C erhitzen und dann trennen sie sich ganz leicht. Bei der Neuverkittung muss man auf niedrigen Brechungsindex achten. Gut geht Vinnapas B1,5-Spezial von Wacker, ein Thermoplast mit einem Brechungsindex von 1,4667, der bei ca. 120°C schmilzt. Hättest Du auch noch andere niedrig brechende moderne Kitte?

Ich bin sehr an Deinen Versuchen und Ergebnissen interessiert.

Herzlich Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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deBult

#4
Wow, can this virus transfer ONLY by looking at these scope on the intranet?

And even if you think you are cured ...... (Olympus BH2 user here) sold/exchanged my old Leitz mono and black Dialux ... the memory of those ultra fine Leitz mechanics and wonderful objectives often haunts me.

Best wishes for your recovery,

Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
I used to say "The correct number of scopes to own is N+1 (With N is the number currently owned)", as a pensioner the target has changed in n-1.

TStein

#5
Hello Maarten,

I think the main route of infection is by eyes. But if you already close your eyes, the moaning and squiking of the antique microscope zombies make it hard to withstand. ;) Its a pleasure to look at this fine mechanics, with tiny M1.6 (estimated) screws and if you try to rotate the a little bit stiff polarizer inlay for instance, there is no wiggle and bending. Its really astonishing.

Hallo Olaf,

ich hoffe ich habe mich nicht soweit rausgelehnt, mit der Polarisatorkristallreparatur, aber es zerbricht mir das Herz, wenn der Analysator im Strahlengang kaum noch die perfekte mechanische Qualität des Restmikroskops wiederspiegelt. Es soll daher nicht überheblich klingen, wenn ich hier mal schauen würde, was im Jahre 2024 eigentlich geht. Wir bauen bei uns im Institut Optiken, welche demnächst am Merkur und in einigen Jahren an irgend nem Jupitermond für zig Jahre wissenschaftliche Untersuchungen durchführen sollen. Ich bin zwar nicht direkt in der feinoptischen Werkstatt, aber ich habe recht gute Kontakte zu den freundlichen Kollegen. Vllt kann man auch im Rahmen der Lehrausbildung diesbezüglich etwas auf die Beine stellen.

Vorteilhaft könnte dabei auch sein, dass die alten Optiken keinerlei Entspiegelungsschichten haben, dann sollte ein möglicherweise fälliges erneutes Planschleifen (bw. -läppen) und anschließender Politur eher unproblematisch sein. Hätte sogar eine Poliermaschine zu hause. Aber bezüglich der brechzahlangepassten modernen optischen Klebstoffe/Kitte muss ich mich erstmal erkundigen.
Möglicherweise lässt sich aber auch heutiges Leinöl bezüglich Aushärtung etwas beschleunigen, mglw mit UV, Sauerstoffanreicherung usw. Ich denke aber, so lange man mechanisch nichts an den Prismen zerstört, ist es einen Versuch wert und wahrscheinlich optisch immernoch besser als die schwarzen Totalreflektionsflecken (außer natürlich ein Doppelbild, das wäre mies). Hast du vllt. schonmal das Erhitzen der Prismen im Exsikkator (also im Vakuum) zur Ausheilung der Flecken probiert, oder ist das oxidierte/polymerisierte Leinöl garnicht mehr fließfähig?

Lg Tino     
 

olaf.med

Hallo Tino,

Optiken für die Raumfahrt und Calcit-Polarisatoren sind sicher zwei verschiedenen Paar Schuhe, aber wer weiß, vielleicht schaffst Du es ja. Es hat aber sicher seine Gründe, dass der Aufbau der industrielllen Produktion von Ahrens-Prismen Jahre in Anspruch nahm und, nach meinem Kenntnisstand, heute keine einzige Firma noch solche fertigt, sondern nur noch Glan-Thompson-Polarisatoren.

Falls Du es trotzdem versuchen möchtest kann ich Dir gerne ein paar defekte Ahrens-Prismen zum "spielen" überlassen.

Reparaturversuche über Erhitzen führen übrigens nicht zum Ziel und vom Leinöl würde ich wirklich die Finger lassen - Vinnapas ist da ungleich besser!

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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TStein

#7
Hallo Olaf,

sicherlich hast du recht, aber wir kompensieren das mangelnde industrielle Prozesswissen durch apparativen Overkill. Mit entsprechend teuerer Technik lässt sich so einiges kaschieren.
Ich würde meine Ahrens-Prismen die Woche mal vors Interferometer halten und schauen, welche Qualität sie haben. Es wäre aber trotzdem Klasse, wenn du mir längerfristig mal ein oder zwei schwierige Fälle überlassen könntest. Ich würde auch nichts Leichtfertiges probieren. Ich schaue dann mal ob man ohne spezielle Justiervorrichtung/-halterung auskommt. Zumindest zwei der drei Prismen sollten sich ohne Probleme mit optischer Qualität fügen lassen.
Ich hab auch mal geschaut, die erforderlichen optisch hochwertigen Calcite kann man sogar kaufen.
Man könnte auch alternativ über YVO4 oder BBO nachdenken. https://artifex-engineering.com/de/artikel/polarisationsoptiken/

Lg Tino 

       

olaf.med

Hallo Tino,

grne kannst Du defekte Ahrens-Prismen von mir haben, wenn die bei den Experimenten draufgehen ist es kein Verlust, denn so kann man sie sowieso nicht mehr gebrauchen. Wenn Du mir eine postalische Adresse mitteilst (PN) schicke ich sie Dir zu.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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PolMik

Hallo Tino,

wenn du möchtest kann ich dir ein Päckchen optischen Calcit (Islandspat) zusenden. Dann dürfte schnell zu erkennen sein, dass es wirklich schwierig wird solche Prismen herzustellen. Ich bleibe auf jeden Fall gespannt auf die Ergebnisse. Ansonsten würde ich sagen: Viel Glück.

LG
Michael

TStein

Hallo Michael,

danke für das Angebot, ich wurde aber leider auch schon von meinen Experten darauf hingewiesen, dass die Herstellung der orientierten Calcit-Prismen doch schon etwas für "richtige" Macher ist. Daher ist erstmal ein klassicher Reparaturversuch angesagt. Ich würde in diesem Sinne auch einen neuen Faden eröffnen, bzw. einen sich mit diesen Thema befassenden reaktivieren. Morgen schaue ich erstmal am Interferometer, was die optische Messtechnik zu meinen Prismen sagt, bzw. auf was man sich einlässt.

Lg Tino

Wutsdorff Peter

Guten Abend verehrte Leitz-Fans :
ich möchte auf ein Büchlein aufmerksam machen:
Rolf Beck:
"Mikroskope von Ernst Leitz in Wetzlar" Reihe Archivbilder 2002
Gruß Peter Wff

PolMik

Hallo Tino,
einen kompletten Kondensor für das CM kannst Du vielleicht hier https://www.mikroskop-online.de/Verkauf%20Mikroskopteile.htm
auftreiben. Steht dort als POL - Kondensor mit Kondensorhalter, Klapplinse, Irisblende, und drehbarem Polarisator Hersteller: Leitz
299,00 Euro

Ob er das ist, kann ich an deinen Bildern nicht so richtig erkennen. Aber bevor man sich ein schönes, aber nicht richtig funktionierendes Mikroskop hinstellt, kann man ja mal bei dem Herren anfragen.
LG
Michael

ortholux

#13
Hallo Tino,

ich hatte mal ein paar Zeilen zu Deinen Mikroskopen geschrieben. Vielleicht hilft's!

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=20190.0

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14532.0

Wolfgang
PS: und das mit dem nachlassenden Mikroskopievirus, insbesondere wenn er der Überträger schwarzer Leitz-Mikroskope ist - vergiß es!

TStein

Hallo Wolfgang, hallo Michael, hallo Peter,

lieber Wolfgang, ich hatte deine tollen Beschreibungen des CM und des CMBP natürlich schon gelesen und kann deine schwarze Leitz-Sammlung nur mit "absolut verrückt" kommentieren. Aber kann das sein, dass oben ist in etwa der Mitte doch ein silberner Tubus zu erkennen ist, ... Sachen gibts ;). Wieviele CM tummeln sich denn eigentlich im "Schwarzen Meer der anderen Leitz-Mikroskope", ich hab jetzt erstmal 4 gezählt und ich hoffe das obere Regal ist gut angeschraubt. Vielen lieben Dank für die Einblicke.

Hallo Michael, Mikroskop-Online kenne ich gut, aber eine akuter Austausch des Polarisators /Analysators steht erstmal nicht an. Ich würde die Reparatur der Pol-Prismen vorziehen, hab auch schon ein paar Infos zusammengetragen. Aber dazu in einem anderen Faden.

Hallo Peter, danke für deinen Buchtipp. Hatte im Netz geschaut, ob vllt. eine Onlineversion verfügbar ist, aber hab nichts Passendes gefunden. Das 90€ Angebot auf Ebay war mir dann doch etwas zu teuer. Ich schaue mich aber weiterhin um. Ich habe mich aber mal nach alten Katalogen von Leitz auf die Suche gemacht und da gibt es schon einiges Interessantes zu finden.
Folgende waren beispielsweise Online verfügbar: 1875, 1879, 1880, 1882, 1885, 1888, 1894, 1896, 1897, 1899, 1905, 1907, 1913, 1920.
Hier ist auch das von mir oben dargestellte und fälschlicherweise als Leitz Ia deklarierte von 1886 zu finden und zwar ist es eigentlich ein Stativ II, welches in den neueren Katalogen nochmals in Stativ IIa bzw. IIb unterteilt wurde. Interessant ist auch, dass die Objektive bis etwa 1890 eine Tubuslänge von 160mm hatten, danach 170mm, später wieder 160mm und jetzt unendlich.

Ich habe auch leider in der Zwischenzeit wieder einige alte Mikroskope gehamstert, die Jäger und Sammler Gene sind halt immernoch stark.
 

Lg Tino