Eines von Reicherts deutlich älteren Objektiven: Nr. 5 34-fach

Begonnen von Jakob_Wittmann, Februar 11, 2024, 11:16:33 VORMITTAG

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Jakob_Wittmann

Hallo liebe Runde!

Man kann eigentlich nicht behaupten, dass ich ein Sammler deutlich älterer, ,,antiker" mikroskopischer Gerätschaften bin.

Mir ist aber bei einigen Objektiven eines alten Reichert Mikroskops aus dem Jahr 1911 aufgefallen, dass diese, selbst an aktuellen Optiken gemessen, von einwandfreier Qualität sein können.

Abbildungseigenschaften wie etwa die Bildfeldebnung beispielsweise ausgenommen.

In einem gewissen Ausmaß kann man so etwas aber auch bei Objektiven aus z. B. den Sechzigerjahren, im Vergleich zu relativ aktuellen, auch noch feststellen.

Dieses im Betreff genannte Reichert ,,5", mit 34-facher Vergrößerung, hat mich jedenfalls positiv überrascht.

Um einen Preis, für den man gerade mal 2 Päckchen Objektträger (ungeschliffene Ränder ...  ;D  ;D  ;) ) bekommt, konnte ich es bei einem Fotohändler ergattern.

Mich hat das Produktfoto verlockt, denn das sehr alte Objektiv sah wie neu aus.

Nach dem Erhalt hat sich dieser Eindruck verfestigt. Es mag durchaus sein, dass es nie oder so gut wie nie im Einsatz war.

Anders sah die zugehörige Metalldose aus, die offensichtlich recht viel an ,,Strapazen" von ihrem Inhalt abgewendet haben dürfte.  ;)

Mich würde nun sehr interessieren, wie es um deutlich alte Objektive anderer namhafter Hersteller bestellt ist.

Gibt es da eventuell Geheimtipps?

Habt Ihr bitte positive Erfahrungen mit ,,antiker" Optik gewinnen können?

Ich freue mich bitte über diesbezügliche Kommentare, Meinungen aller Arten von Euch!


Zu den Bildbeispielen, bitte: Ich weiß, dass der Blutausstrich besser sein sollte, sorry ;D .
Das botanische Präparat ist ein Querschnitt durch eine Nadel einer Schlangenhautkiefer.

Verwendet wurde ein ZEISS GFL mit einer EOS 600D.

Liebe Grüße, schönen Sonntag

Jakob
,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."


Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow

Jakob_Wittmann

Hallo zusammen!

Ein Nachtrag zum großen Bild des Blutausstriches, bitte. Ich konnte gerade feststellen, dass eine Fotografie mit einer überhaupt nicht korrigierenden Anordnung einer Kamera ans Mikroskop ein in etwa gleiches Abbild der Randunschärfe zeigt.

Der visuelle Anblick zeigt erwartungsgemäß ebenso Randunschärfe, allerdings schneidet der im Gegensatz zu Kamerabildern nichts ab.

Das korrigierende Okular bei der EOS 600D war ein LOMO K7×, das bei der Korrektur relativ vieler Typen von Objektiven sehr brauchbar ist.

Wegen der oben erwähnten Beobachtung nehme ich aber an, dass ein Verbesserungspotential bei der Verwendung anderer Okulare drinnen ist.


Man freut sich ja manchmal auch über kleine Fortschritte ...  :)

Liebe Grüße

Jakob

 
,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."


Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow

rhamvossen

Hallo Jakob,

Das Ausschnittbild vom Blut mit dem Reichert sieht gut aus. Mit wechem Zeiss Achromat hast du verglichen? Beste Grüsse,

Rolf

Jakob_Wittmann

#3
Hallo Rolf!

Danke Dir, es freut mich, dass Dir das Bild gefällt. Selbstverständlich ist der Blutausstrich nicht gerade gut gelungen, aber ich finde, dass das Ergebnis der May-Grünwald-Färbung zumindest für einen Eindruck der Abbildungsleistung dieses alten Reichert ,,5" 34-fach ausreicht.

Zu Deiner Frage nach genaueren Angaben des ZEISS 40x, Rolf: Dieses war Bestandteil eines Objektivsets, das bei einem ZEISS GFL dabei war.
Es ist eines dieser Typen von ZEISS mit dem charakteristischen schwarzen ,,Ring" im oberen Bereich der Objektive.

Ich füge bitte Bilder bei.

Wenn ich mich nicht ganz täusche, waren bei einer typischen Ausstattung eines GFL eher Planachromate üblich. Ich finde aber, dass bereits die Achromate sehr gut sind.

Die aus der ZEISS-Winkel Ära sollen ja von wegen chromatischer Fehler (andere Färbung der Farbränder) angenehmer sein. Ich erinnere mich, dass Du zu diesem Thema etwas mit Bildbeispielen verfasst hast, Rolf.

(oder verwechsle ich da etwas?)
 ;)  ???  :)
Das einzige Teil von ZEISS-Winkel bei meinem GFL ist übrigens der Kondensor ...

Zu dem beschriebenen Reichert 5 34x wäre zu sagen, dass mich die Qualitäten sehr alter Objektive fasziniert und überrascht haben. Sehr sogar!

Beispielsweise habe ich auch ein 7a von Reichert, das bei einem (sehr restaurierungsbedürftigen) Mikroskop – Baujahr 1911 – mit dabei war.
Auch dieses bildet erstklassig ab. Es könnte allerdings auch etwas jünger sein. Wenn, vermutlich aber nicht allzu viel jünger, denn es ist aus ,,blankem Messing",  einst vermutlich zaponiert ...
Die 7a Typen von Reichert gibt es auch aus Stahl. Spätere solche nehme ich an. Es mag ja sein, dass diese über längere Zeiträume hinweg gefertigt wurden.

Diese ,,Oldies" zu sammeln ist mir momentan zu kostspielig, obwohl so etwas sehr verlockend wäre. :-\  ;D

Meine mikroskopische Herdentiere neigen auch ohne Sammlung von Spezialitäten zur Vermehrung. Unglaublich! :)

Immerhin kann man manchmal mit etwas Glück auch Schnäppchen erwischen. :)

Neben den Doppelbild des ZEISS West 40x Achromats füge ich auch noch ein Vergleichsbild (ungeschnitten, Einzelbilder & Stacks) bei, das vielleicht noch besser zeigt, wie fein dieses alte Reichert-,,5" Stück abbilden kann ...

Liebe Grüße, Danke, schönen Abend


Jakob
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Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow

Lupus

Hallo Jakob,

ZitatMir ist aber bei einigen Objektiven eines alten Reichert Mikroskops aus dem Jahr 1911 aufgefallen, dass diese, selbst an aktuellen Optiken gemessen, von einwandfreier Qualität sein können.
Bereits Ende des 19. Jh. erreichte die Qualität der Objektive die theoretisch maximale Leistung (abgesehen von der außeraxialen Abbildung, Planobjektive kamen erst später). Lediglich der Kontrast war nicht optimal da noch keine Entspiegelung der Linsen möglich war - umso wichtiger war damals die Köhler-Beleuchtung mit Leuchtfeldblende.
 
Bereits 1885 bot Zeiss Apochromate mit einer NA von 0.95 (trocken) und 1.4 (Öl) an. 1891 sogar ein apochromatisches Objektiv mit einer NA von 1.6. Solche Optiken wären weder möglich noch sinnvoll gewesen, wenn man nicht die Konstruktion und Fertigung beugungsbegrenzter Optiken beherrscht hätte.

Hubert

Jakob_Wittmann

Danke Dir Hubert,

ein ausgesprochen interessantes Thema. Eine – in gewissem Ausmaß wenigstens – Parallele ist vielleicht in der Entwicklungsgeschichte von Fotoobjektiven gegeben.

Wie es z. B. mit ersten asphärischen Linsen in diesem Gebiet aussah, ist mir noch unbekannt.
Sieht man aber von solchen Methoden und auch von der Einführung der Vergütung und auch vom Fortschritt bei der Entwicklung neuer optischer Glassorten ab, so klingt das ganz sicher nach äußerst heftiger Einschränkung.  ;)

Es bleibt dennoch die Tatsache bestehen, dass ebenso für die Fotografie bemerkenswert gute Objektive bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfunden/konstruiert wurden. Paul Rudolph und dessen Errungenschaften sollte man in diesem Zusammenhang unbedingt erwähnen.

Nimmt man meinetwegen auch noch das Gaußsche Doppelobjektiv mit rein, sind zumindest absolut stimmige Konzepte sogar weit früher geschaffen worden.

Die Geschichte der Optik ... Ein Thema der Technik- bzw. Physikgeschichte, das faszinierend ist. Und komplex.  ;)

Beste Grüße


Jakob
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Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow

purkinje

#6
Hallo Jakob,
die Geschichte der Planobjektive ist von einer besonderen "Männerfreundschaft" zwischen Hans Boegehold (1876-1965), Mathematiker und Optiker, Leiter des Rechenbüros der Carl-Zeiss-Werke und Erwin Lihotzky (1887-1941), Ingenieur und Optiker bei den Leitz-Werken in Wetzlar geprägt:
Die ersten Planachromate von Carl Zeiss Jena mit 33,65mm Abgleichlänge
Planapochromate CZJ / Seibert ?
Beste Grüße Stefan

PS: Erwin Lihotzky ist geborener Wiener und wie mein Wiener Großvater (ÖBBler)  zu sagen pflegte im Herzen immer Eisenbahner geblieben ( Dissertation über die Bemessung der Zylinder für Heißdampflokomotiven verfasst)

PPS: 1911 hat Reichert bereits ein Fluoreszenzmikroskop gebaut:
Heimstädt: Das Fluoreszenzmikroskop

Jakob_Wittmann

Herzlichen Dank, Stefan!

Dieses Stück Geschichte der Entwicklung von Planoptiken ist nicht nur wissenswert, interessant, erhellend und dergleichen ,,alleine", ich finde auch, dass es ausgesprochen spannend ist.

Man bekommt regelrecht Lust, sich genauer einzulesen. Zu Lihotzky ist leider im Web nicht allzu viel zu finden. Kurzbiografien und sonst kaum etwas annähernd Ausführliches. Was ich allerdings dann doch noch entdecken konnte, ist sein Werk ,,Isoplanatische Abbildung durch zentrierte optische Systeme"( 1932 erschienen), das ein Antiquariat sehr günstig anbietet.

Ich vermute aber stark, dass dieses für einen Nicht-Physiker nicht gerade sehr verständlich sein dürfte.

Über und ebenso von Hans Boegehold ist ungleich mehr zu finden. Da sichte ich noch ... :)

Danke, liebe Grüße

Jakob
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Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow