Interessante Pilzfunde 115 – Fleischvioletter Heringstäubling

Begonnen von Bernd Miggel, Februar 28, 2024, 08:15:14 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Beim Fleischvioletten Heringstäubling Russula graveolens handelt es sich um eine milde, nach Krabben oder Heringslake riechende Art mit typischerweise weinbraunem, doch auch oft vielfarbigem Hut, reif cremefarbigen Lamellen, weißem, bräunendem Stiel und grüner FeSO4-Reaktion. Eine Art, die eine Mykorrhiza mit Laubbäumen, wie Eichen,  Rotbuchen, Hainbuchen Birken, eingeht und offene Waldstellen, Parkanlagen oder Friedhöfe bevorzugt. Die Rote Liste Deutschlands 2016 führt die Art als ungefährdet.

Vielen Dank an Rosemarie Dähnke, Karl Wehr und Helga Marxmüller für Fotos und Mikrozeichnung.
Lizenzhinweis zu Bild 4:
EmillimeS https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Russula_graveolens.jpg), ,,Russula graveolens", https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Bild 1 - Russula graveolens 9.8.17, Karl Wehr, 800x.jpg
Bild 1 – Russula graveolens mit gelblichen bis weinbraunen Hüten und weißen, von unten her bräunenden Stielen. Foto: Karl Wehr.

Bild 2 - Russula graveolens 19.08.19 Süchteln, Karl Wehr, 800x.jpg
Bild 2 – Russula graveolens mit weiteren Huttönungen. Foto: Karl Wehr.

Bild 3 - Russula graveolens, Rosemarie Dähnke.jpg
Bild 3 – Kollektion mit typisch einfarbig weinbraunen Hüten. Foto: Rosemarie Dähnke.


Makroskopische Merkmale

Eine kleine bis mittelgroße Art mit maximal 80 mm breitem Hut. Hutfarben typisch weinbraun, oft jedoch polychrom. In der Fachliteratur findet man etwa folgende Angaben: purpurbraun, weinbraun, fleischbraun, bräunlich, purpurbraun, gelblich oder orange, oft vermischt auf demselben Hut. Am besten geben die Bilder 1 bis 4 Auskunft über diese Variabilität. Huthaut glatt, etwa bis zur Hälfte des Radius abziehbar, reife Fruchtkörper selten am Rand gerieft. Lamellen jung weißlich, später creme bis hellocker, Schneiden glatt, alt bräunend. Stiel zylindrisch, weiß, längsadrig, mitunter rötlich überhaucht, bei Berührung oder im Alter bräunend. Fleisch weiß, im Schnitt bräunend, im Stiel anfangs fest, später weichwattig. Geruch nach Krabben oder Heringslake, Geschmack mild.

Makrochemische Farbreaktionen
Fleisch mit FeSO4 grün.

Farbe des frisch ausgefallenen Sporenpulvers intensiv creme bis hell ocker, etwa IId-IIIa nach der Farbtafel in MARXMÜLLER 2014.

Bild 4 -  Russula graveolens, wikipedia.org, 800x.jpg
Bild 4 – Russula graveolens in violettlichen Hutfarben. Foto: aus wikipedia.org. Lizenzhinweis s.o.


Mikroskopische Merkmale

Sporen ellipsoid, Größe 7,5-10 x 6-8 µm, Schlankheitsgrad Q 1,2-1,3. Ornament feinstachelig, je nach Kollektion mit wenigen oder mit zahlreichen, dünnen Verbindungslinien. Stacheln bis ca. 0,8 µm hoch.

Epikutis aus Epikutishaaren und Pileozystiden. Pileozystiden lang, zylindrisch bis schlankkeulig und 4-8 µm breit. Epikutishaare dünn, langgliedrig, verzweigt, 3-5 µm breit.

Bild 5 - R. graveolens, x600, Luci Call Bold10, Pfeil1, H. Marxmüller.jpg
Bild 5 –  Mikromerkmale: pz = Pileozystiden, eh = Epikutishaare, sp = Sporen, hz = Hymenialzystiden. Aus MARXMÜLLER 2014


Notizen
•    Der typische ,,Heringsgeruch" entwickelt sich oft erst nach Anwärmen oder nach kurzer Lagerung der Fruchtkörper.

Ähnliche Täublinge
•    Der Buchenwald-Heringstäubling (Russula faginea) wird größer, ist festfleischiger, der Hut besitzt weniger Mischfarben, sondern ist eher einheitlich ,,schmutzig" weinbraun bis rosabraun, und der Stiel besitzt keine Rottöne. Die Sporen sind größer und haben eine höhere Ornamentation. Auch ist die Art streng an Rotbuchen gebunden.
•    Der Olivbraune Heringstäubling (Russula cicatricata) wird größer und ist in der Farbe einheitlich blass oliv-, ocker- oder orangebraun.
•    Der Fleischrote Speisetäubling (Russula vesca) kann ähnlich aussehen, doch ist er geruchlos, besitzt weiße Lamellen, einen weißen Stiel und eine stark orangerosa FeSO4-Reaktion. Zudem sind seine Sporen viel kleiner.


Literatur

DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 889.
EHRICH, J. (2018): Heringstäublinge in Berlin / Brandenburg (Xerampelinae – eine schwierige Subsektion der Sektion Polychromae). – In: Der Tintling 3 (2018): 55-64.
EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern: Nr. 67, 68.
KÄRCHER, R. (2000): Beitrag zur Kenntnis der Täublinge. Russul-Studien, Teil 5
Zur Taxonomie und Nomenklatur  einiger Vertreter  der Untergattung Viridantinula  (Melzer & Zvara) Kärcher in Krieglsteiner (1999). – In: Mycologia 2000: 269-284.
KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2: Nr. 8.3.
KRÄNZLIN F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 143.
MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 514-515.
GLÄSER-REICHERT; C. (2003): Der Fleischviolette Heringstäubling – Ein Portrait, Russula graveolens Romell. – In: Südwestdeutsche Pilzrundschau 39. Jg. Heft 2: 46-48.
https://fundkorb.de/pilze/russula-graveolens-starkriechender-heringst%C3%A4ubling-fleischvioletter-heringst%C3%A4ubling
https://de.wikipedia.org/wiki/Fleischvioletter_Herings-T%C3%A4ubling
(abgerufen am 26.2.2024).


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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