Interessante Pilz- und Flechtenfunde 120 – Sulkatflechte

Begonnen von Bernd Miggel, März 10, 2024, 11:08:46 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Sulkatflechte (Parmelia sulcata)

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Fachbegriffe und Abkürzungen siehe unten bei ,,Erläuterungen".

Bild 1 - (Liss Hoffmann), x800.jpg
Bild 1Parmelia sulcata (oben rechts und unten links Hypogymnia sp.). Foto: Liss Hoffmann.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Findet man die Sulkatflechte Parmelia sulcata einmal mit Apothecien, ist das schon etwas Besonderes (Bild 3). Wie fanden mehrere Thalli dieser häufigen und weit verbreiteten Art auf der Rinde eines freistehenden Mehlbeerbaumes innerhalb eines feuchten Kiefernwaldes im nördlichen Schwarzwald auf ca. 700 Meter über N.N. Die an lichten Stellen auf Laubholz und manchmal auch auf Gestein wachsende, graue Blattflechte erkennt man vor allem an dem auffälligen Pseudocyphellennetz auf der Oberseite der Thalli.

Bild 2 - (Liss Hoffmann), x800.jpg
Bild 2  – Parmelia sulcata durchwächst Moospolster. Die netzartigen, weißen Linien (Pseudocyphellen) sind charakteristisch. Foto: Liss Hoffmann.


Morphologische Merkmale (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)

Graue, matte, im Durchmesser bis 80 mm große Blattblechte mit flachen, nicht dam Substrat anliegenden, bis 5 mm breiten Lappen. Die Lappen sind an den Enden etwas kantig, wie mit einer Schere zurechtgeschnitten, und besitzen auf der Oberfläche erhabene, weiße Netzadern (Pseudocyphellen). Auf den Netzadern und auch an den Lappenrändern bilden sich Sorale (Bild 4). Sehr selten bilden sich Apothecien (Bild 3). Die Thallus-Unterseite ist schwarz und bis zum Rand mit schwarzen Rhizinen besetzt.

Bild 3 - (Liss Hoffmann), x800.jpg
Bild 3  – Parmelia sulcata mit zahlreichen gelben bis grünen Apothecien. Foto: Liss Hoffmann

Bild 4 - (Liss Hoffmann), x800.jpg
Bild 4  Ausschnitt aus Bild 3. Hier erkennt man auf den Pseudocyphellen und an den Blatträndern zahlreiche Sorale. Foto: Liss Hoffmann

Vermehrung
Geschlechtliche Vermehrung erfolgt über Ascussporen der Apothecien, wobei sich Apothecien bei P. sulcata allerdings nur sehr selten bilden. Ungeschlechtliche Vermehrung erfolgt über Soredien, die sich an den Soralen bilden und vom Wind verweht werden.


Farbreaktionen (K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann darauf C, P: para-Phenylendiamin):
K+ gelb, dann rot; Mark und Sorale K+ orange; C-; P+ orange.

Ähnliche Flechtenarten (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
•    Die Felsen-Schüsselflechte (Parmelia saxatilis) sieht ähnlich aus, besiedelt vergleichbare Habitate und bildet ebenfalls ein Pseudocyphellennetz aus. Aus dem Netz bilden sich allerdings keine Sorale mit Soredien, sondern Isidin.

Literatur
•    KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 135.
•    Wirth, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 662-663.
•    FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 122.
•    Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.

Internet (abgerufen am 9.3.2024)
•    https://www.lichenes.de/parmelia-sulcata
•    http://www.pilzflora-ehingen.de/pilzflora/arthtml/psulcata.php
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Parmelia_sulcata


Erläuterungen

Bild 5 - Erläuterungen - Apothecium mit Lagerrand (lecanorin), Arial28,34 Linien5, deutsch, 600x.jpg
Bild 5 (Wikipedia.org) - Schematischer Aufbau eines Apotheciums mit Lagerrand (Längsschnitt). Zeichnung: Aerguli Jamahate, Abudulla Abbas, Lecideine-lecanorine apothecia, Ausschnitt und Beschriftung von B. Miggel, CC BY-SA 4.0

•    Apothecium: (pl. Apothecien) offene schüssel-, scheiben- oder becherförmige Fruchtkörper vieler Flechtenarten (gibt es auch bei vielen Schlauchpilzarten)
•    Apothecienfläche: Oberfläche der Apothecien innerhalb des Apothecienrandes
•    Apothecienrand: äußere Berandung des Apotheciums
•    Blattflechten: Flechten mit blätterförmigem Lager
•    C+/C-: pos./neg. Farbreaktion mit  Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Eigenrand:  Apothecienrand, wenn dieser in gleicher Farbe wie die Apothecienscheibe ist.
•    epiphytisch: Gehölze bewohnend
•    Flechten: Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Grün- und/oder Blaualge
•    Isidien: stiftförmige bis korallenartig verzweigte oder halbkugelige bis fast kugelige, leicht abbrechende Auswüchse aus dem Flechtenlager. Sie bestehen aus Rinde und Algenschicht und dienen der vegetativen Vermehrung.
•    K+/K-: pos./neg. Farbreaktion mit Kalilauge
•    KC+/KC-: pos./neg. Farbreaktion zuerst mit Kalilauge, direkt danach mit Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Krustenflechten: krustenartig das Substrat überwachsende Flechten (Flechten mit krustenförmigem Lager)
•    Lager: Vegetationskörper der Flechte
•    Lagerrand: Apothecienrand, wenn dieser eine andere Farbe besitzt als die Apothecienscheibe.
•    Lappen: ± flächige, oft langgestreckte, Lagerabschnitte der Laub- und vieler Strauchflechten
•    Loben: siehe Lappen
•    P+/P-: para-Phenylendiamin-Lösung (giftig), für makrochem. Farbreaktionen
•    Pseudocyphellen: Sich auf der Flechtenoberfläche entwickelnde weißliche, punkt- bis strichförmige oder netzförmige Durchbrechungen der Rinde, dem Gasaustausch dienend. Hier können Sorale entstehen.
•    Rhizinen: längliche, der Haftung auf dem Substrat dienende Organe an der Unterseite von Blattflechten
•    Sorale: Organteile der Flechten, auf denen sich die Soredien entwickeln (Lippensorale, Kopfsorale, Helmsorale...)
•    Soredien: körnchenartige, sehr kleine Klümpchen, die Pilzhyphen und Algen enthalten und – vom Wind verweht - der vegetativen Vermehrung der Flechte dienen.
•    sorediös: Soredien enthaltend
•    Strauchflechten: Flechten mit strauchförmigem Lager
•    Thallus: siehe Lager



Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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