Interessante Pilz- und Flechtenfunde 121 – Gewöhnliche Porenflechte

Begonnen von Bernd Miggel, März 18, 2024, 11:26:30 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Gewöhnliche Porenflechte (Pertusaria pertusa)


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachbegriffe und Abkürzungen siehe unten bei ,,Erläuterungen".

Vielen Dank an Norbert Kühnberger für die eindrucksvollen Bilder 1 und 3.

Bild 1 - pertusaria_pertusa_1a, Norbert Kühnberger, 800x.jpg
Bild 1 – Rein graue Pertusaria pertusa auf Laubbaumrinde. Foto: Norbert Kühnberger.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung
Die hier beschriebene Gewöhnliche Porenflechte Pertusaria pertusa fanden wir im nördl. Schwarzwaldrandgebiet im Biotop ,,Hasenschlag" bei Karlsbad auf der Rinde einer Hainbuche. Dort drängten sich dicht an dicht viele Thalli unterschiedlicher Krustenflechten (Lecanora argentata, Graphis scripts etc.). Unsere Art wächst gemäß der Fachliteratur auf der Rinde aller Arten von Bäumen, insbesondere auf Rot- und Hainbuchen, Ahorn und Eichen, sogar auf Silikatgestein. Kurz gesagt handelt es sich um eine graue Krustenflechte, deren Thallus mit höckrigen Fruchtwarzen übersät ist.
Die Rote Liste Flechten Deutschlands 2011 führt die Art in der RL-Kategorie V (Vorwarnliste) auf.

Bild 2 - Pertusaria pertusa Farbbalance, 800x.jpg
Bild 2 – Grünlichgraue Pertusaria pertusa auf Hainbuchenrinde. Foto: Stefan Miggel.


Makroskopische Merkmale
Das Lager ist grau bis grünlichgrau und knollenähnlichen, lagerfarbenen Fruchtwarzen übersät. Diese, oft miteinander verschmelzenden Warzen ähneln kleinen, leicht abgeplattete Kartoffeln und besitzen jeweils eine bis ca. zehn Apothecien, von denen man nur die winzigen Öffnungen (Ostiolen) sieht.


Farbreaktionen (K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann darauf C, P: para-Phenylendiamin):
Lager K+ gelblich, C-, K-, KC-, P-; Mark K+ lebhaft gelb, C-, KC+ lebhaft gelb, P+ orangerot.


Bild 3 - pertusaria_pertusa_1b, Norbert Kühnberger, 800x.jpg
Bild 3 – knollige Fruchtwarzen mit 1 bis mehreren Ostiolen. Foto: Norbert Kühnberger.

Bild 4 - 5zu1, sauber_b, 2000x, Stefan Miggel, 800x.jpg
Bild 4 – Detailaufnahme der Fruchtwarzen. Foto: Stefan Miggel.


Mikromerkmale
Die Perithecien ähnelnden Apothecien sind vollkommen in die Fruchtwarzen eingesenkt. Im Ascus befinden sich jeweils zwei sehr große, sehr dickwandige Sporen.

Bild 5 - Längsschnitt 30µm durch Apothecien (Bernd Miggel), x800.JPG
Bild 5 – 30 µm dicker Längsschnitt durch zwei Apothecien. Präpariert in Wasser. Foto: Bernd Miggel.

Bild 6 - Ascus mit 2 Sporen, (Bernd Miggel), 800x.jpg
Bild 6 – Zwei große, dickwandige Sporen im Apothecium. Präpariert in NH3-Kongorot. Foto: Bernd Miggel.


Ähnliche Flechtenarten (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
•    Die Glatte Porenflechte (Pertusaria leioplaca) besitzt gleichmäßig runde Fruchtwarzen mit jeweils nur einem, selten zwei Apothecien. Die Sporen sind zu 4-6 im Ascus.

Literatur
•    KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 144.
•    Wirth, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 698, 709.

Internet (abgerufen am 17.3.2024).
• Lichens of Belgium, Luxembourg and northern France - http://www.lichenology.info/cgi-bin/baseportal.pl?htx=atlas&species~=P&abcspec=P&seeall=
• Rote Liste Flechten Deutschlands (2011) - https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Neues-Datenportal-Flechten-Deutschlands-startet-mit-400-Arten-2174.html
• Kirschbaum, U. - Flechtenbilder - https://www.thm.de/lse/ulrich-kirschbaum/flechtenbilder-p
• Kühnberger, N. - Flechtenbilder - http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/index.htm
• Irish Lichens - https://www.irishlichens.ie/pages-lichen/l-78.html

Erläuterungen
•    Apothecium: (pl. Apothecien) offene schüssel-, scheiben- oder becherförmige Fruchtkörper vieler Flechtenarten (gibt es auch bei vielen Schlauchpilzarten)
•    Apothecienfläche: Oberfläche der Apothecien innerhalb des Apothecienrandes
•    Apothecienrand: äußere Berandung des Apotheciums
•    Apothecienwarzen: siehe Fruchtwarzen
•    Blattflechten: Flechten mit blätterförmigem Lager
•    C+/C-: pos./neg. Farbreaktion mit  Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Eigenrand:  Apothecienrand, wenn dieser in gleicher Farbe wie die Apothecienscheibe ist.
•    epiphytisch: baumbewohnend
•    Flechten: Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Grün- und/oder Blaualge
•    Fruchtwarzen: Warzenartige Gebilde bei der Gattung Pertusaria, 1 bis mehrere Apothecien enthaltend
•    K+/K-: pos./neg. Farbreaktion mit Kalilauge
•    KC+/KC-: pos./neg. Farbreaktion zuerst mit Kalilauge, direkt danach mit Calcium- oder Natriumhyphchlorit-Lösung
•    Krustenflechten: krustenartig das Substrat überwachsende Flechten (Flechten mit krustenförmigem Lager)
•    Lager: Vegetationskörper der Flechte
•    Lagerrand: Apothecienrand, wenn dieser eine andere Farbe besitzt als die Apothecienscheibe
•    Ostiolum: enge, kanalartige Mündungsöffnung von Perithecien
•    Perithecium: kugelige bis birnenförmige, oft stark eingesenkter Fruchtkörper, der sich nur durch eine Pore, das Ostiolum, öffnet. Das Hymenium ist völlig von der Fruchtkörperwand eingeschlossen.
•    P+/P-: para-Phenylendiamin-Lösung (giftig), für makrochem. Farbreaktionen
•    Sorale: Organteile der Flechten, auf denen sich die Soredien entwickeln (Lippensorale, Kopfsorale, Helmsorale...).
•    Soredien: körnchenartige, sehr kleine Klümpchen, die Pilzhyphen und Algen enthalten und – vom Wind verweht - der vegetativen Vermehrung der Flechte dienen.
•    sorediös: Soredien enthaltend
•    Strauchflechten: Flechten mit strauchförmigem Lager
•    Thallus: siehe Lager


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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