Interessante Pilz- und Flechtenfunde 139 – Mehlige Blasenflechte

Begonnen von Bernd Miggel, April 16, 2024, 09:56:12 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Mehlige Blasenflechte (Hypogymnia farinacea)


Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
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Bild 1 - Hypogymnnia farinacea, Fundort, Liss Hoffmann,  x800.jpg
Bild 1 – Der Fundort, eine große Waldkiefer mit unzähligen Thalli der Mehligen Blasenflechte. Foto: Liss Hoffmann.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Wenn man mit Lupe und Rasierklinge ,,bewaffnet" ist, wird es nicht schwerfallen, die Mehlige Blasenflechte (Hypogymnia farinacea) schon vor Ort zu erkernnen: mittelgroßer, grauer Thallus, hohle Loben, Mittelbereich flächig mit Soralen bedeckt, Unterseite schwarz ohne Rhizinen. Sie besiedelt bevorzugt die Rinde von Nadelbäumen montaner, feuchter Lagen. Die Rote Liste Deutschlands (2011) führt die Art in der Vorwarnliste ,,V".
Den hier beschriebene Fund machten wir an einer Waldkiefer in einem Schonwald im nördlichen Schwarzwald (Bild 1).

Bild 2 - Hypogymnia farinacea, Bernd Miggel, 800x.JPG
Bild 2 – Kompletter, großer, feuchter, bläulichgrauer Thallus. Foto: Bernd Miggel.


Morphologische Merkmale (in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000)

Die Thallus ist oberseits grau, im feuchten Zustand bläulichgrau und wächst gerne rosettenartig. Er erreicht im Durchmesser bis zu 50 mm, nach eigenen Beobachtungen sogar bis 80 mm (Bild 2). Dabei liegt er dem Substrat so dicht an, dass er nur mit Mühe ablösbar ist. Die Loben sind gewölbt, jedoch flach auslaufend, und bis 3 mm breit. Wie bei allen Hypogymnia-Arten sind sie hohl (Bild 4). Der Mittelbereich des Thallus ist meist völlig mit Soralen bedeckt (Bild 3). Die Thallus-Unterseite ist rhizinenlos, schwarz, doch zu den Lobenenden hin braun (Bild 4). Apothecien sind selten; ab und zu sind Pyknidien zu sehen (https://irishlichens.de, unten bei ,,Internet-Links").

Bild 3 - Hypogymnia farinacea, Flächensorale, Liss Hoffmann, 800x.jpg
Bild 3 – Thalluszentrum mit Flächensoralen. Foto: Liss Hoffmann.

Bild 4 - Hypogymnia farinacea, Unterseite, Bernd Miggel, 800x.jpg
Bild 4 – Rhizinenlose, schwarze, zu den Lobenrändern hin braune Thallus-Unterseite. Foto: Bernd Miggel.

Bild 5 - Hypogymnia farinacea, hohle Loben, Bernd Miggel, 800x.jpg
Bild 5 –  Die hohlen, mit einer Rasierklinge angeschnittenen Loben.  Foto: Bernd Miggel.

Farbreaktionen
Mark und Sorale K-, C- KC+ rot, P-, UV+ bläulich; Rinde K+ gelb (später oft rotbraun), C-, KC+ gelb und schnell rotbraun, P-
(mit K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann C auf dieselbe Stelle geben, P: para-Phenylendiamin, UV 365 nm).

Ähnliche Flechtenarten (in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000)
• Die  Röhrige Blasenflechte (Hypogymnia tubulosa) zeigt ebenfalls eine negative P-Reaktion, besitzt jedoch aufsteigende, röhrenförmige Loben mit Kopfsoralen.
• Die Gewöhnliche Blasenflechte (Hypogymnia physodes) ist P+ orange und hat auffallende Lippensorale an den Lobenenden.
• Die restlichen, grauen Blattflechten besitzen nicht gleichzeitig hohle Loben, mittig flächige Sorale und eine schwarze, rhizinenlose Unterseite.

Literatur
• DÜRHAMMER, O. (2003): Die Flechtenflora von Regensburg. – Sonderdruck aus: HOPPEA, Denkschriften der Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 6: 183.
• FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 108-109.
• KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 99.
• WIRTH, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 428-430.
• WIRTH, V. & DÜLL, R. (2000): Farbatlas Flechten und Moose: 65.
• Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.

Internet-Links (abgerufen am 16.4.2024)
1. https://britishlichensociety.org.uk/resources/species-accounts/hypogymnia-farinacea
2. https://www.irishlichens.ie/pages-lichen/l-09.html
3. https://italic.units.it/index.php?procedure=taxonpage&num=1097
4. http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/index.htm


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd


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