Artefakte durch kamerainternes Schärfen der JPG-Fotos

Begonnen von Lupus, April 20, 2024, 18:19:58 NACHMITTAGS

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Lupus

Hallo,

die kürzliche Diskussion über Bildrauschen durch höhere ISO-Empfindlichkeit der Kameraeinstellung https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48747.0   
hat mich zu einer Ergänzung des Themas motiviert. Die in der Diskussion erwähnten internen Korrekturen des von der Kamera ausgegebenen JPG-Fotos erzeugen nicht nur durch die bei guten Kameras oft einstellbare Rauschminderung eine Auflösungsverringerung, sondern auch Artefakte beim zusätzlichen Schärfen des Bildes.

Ich habe mit der LUMIX GX80 die Wirkung der Bildschärfung genauer getestet durch Aufnahme einer kontrastreichen Objektkante. Die begrenzte Kameraobjektivauflösung ergibt naturgemäß ein unscharfes Kantenbild, das von der zusätzlichen Auswirkung der Bildnachschärfung überlagert wird. In der folgenden Grafik ist die Auswertung des Intensitätsverlaufes des Kantenbildes dargestellt (Messpunkte als Kreise dargestellt). Links oben für die nicht von der Kamera geänderten RAW-Daten, dann noch drei verschiedene Einstellungen des Kameramenüs für die Bildnachschärfung (die gehen bei dieser Kamera von -5 bis +5). Die blauen Kurven stellen lediglich eine idealisierte Kurve (Sigmoid-Funktion) zur groben Interpolation des Intensitätsverlaufes dar und sind Anhaltspunkt für die Bildveränderungen. Die Streuung ist durch Pixelrauschen verursacht. Der Hell-Dunkel-Übergang des Kantenbildes ist in der Realität nur etwa 2-3 Pixel breit.

Kantenprofil RAW JPG mit interner Schärfung.jpg

Mit zunehmender Nachschärfung sieht man speziell auf der hellen Seite der Kante (rechts) ein stärkeres "Überschwingen" der Intensitätskurve in Form eines Peaks, die Rundung auf der dunklen Seite wird immer stärker vertieft. Der Intensitätsübergang ist durch das Nachschärfen steiler, das täuscht fälschlich eine höhere Auflösung vor wenn man die entstehenden Artefakte durch helle und dunkle Höfe um die Kante nicht berücksichtigt. Die Intensität dieser Artefakte hängt auch vom vorhandenen Objektkontrast ab, das sieht man auf dem folgenden Foto von Landoltringen bei der Einstellung +5 des Kameramenüs (ohne Kontrastnachbearbeitung).

Kamerainternes JPG_Schärfen.jpg

Der Begriff "Schärfung" ist übrigens Irreführung, man dürfte höchstens von erhöhtem Kantenkontrast sprechen. Denn durch die (diversen möglichen) Algorithmen zum Bildschärfen wird ja nichts schärfer im Sinn von präziser, es wird stattdessen an der Grenze zweier Pixel unterschiedlicher Intensität das hellere Pixel aufgehellt, und das dunklere abgedunkelt im Vergleich zu seinen gleich hellen anderen Nachbarn. D.h. es entsteht selbst an einer ideal scharfen Kante eine zusätzliche künstliche Struktur.
 
Wenn man nicht mit RAW-Daten arbeiten möchte, empfiehlt es sich daher für gute Mikrofotos die kamerainterne Nachschärfung - sofern möglich - auf den minimalen Wert einzustellen. Diese Artefakte sind neben dem geringeren Dynamikumfang der JPG-Bilder ein weiterer Nachteil gegenüber RAW-Daten.

Hubert