In Sachen wasserklarer Doppelspat

Begonnen von purkinje, Oktober 05, 2024, 13:55:43 NACHMITTAGS

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purkinje

Hallo,
da ja gerade anderenorts über die aktuelle Liefersituation bzgl DIK-Prismen diskutiert wurde und ich den dortigen Faden nicht zerschießen will,
ein bischen Lesestoff zur aktuelleren Situation  bei doppelbrechenden Calcit-Platten (edit: ursprünglich ging ich davon aus dass auch noch DIK-Prismen aus Calcit gefertigt sein könnten, es gibt zwar Wollastons aus Calcit, aber offenkundig keine für DIK, diese sind aus Quarz)

Aktuell und schon seit längerem scheint es in R keine Förderung von geeignetem (ohne Störungen etc) Calcit mehr zu geben, die dortige sehr hochwertig verarbeitende Industrie scheint also auch vom Import abhängig zu sein (China) und der könnte kriegsbedingt schwieriger sein oder aber China will selbst durch Verarbeitung wertschöpfen:
Hierzu Skomorovsky et al (2022) in Iceland spar and birefringent filter (BF) development über die Situation in der Russ. Föderation:
"However, the need of domestic industry for Iceland spar in the post-perestroika period significantly decreased, and the Federal Agency on subsoil use declared that further development of raw material base for Iceland spar was not feasible. Due to the fact that the "Shpat" expedition conducted not only exploration but mining too, the latter is completely abandoned. In Russia there is no close prospect that any Iceland spar blanks can be got from the explored depos- its. Funding of scientific institutions that are interested in calcite is far deficient to revive the industry. The sun-stone still sits somewhere in the Evenkian taiga."
und (es geht hier um sehr große doppelbrechende Platten als Filter in der Sonnenbeobachtung: BF)
"Currently, due to many factors, developed countries have stopped commercial production of BFs. China, the Nanjing Institute of Astronomical Optics and Technology (NIAOT) of the Chinese Academy of Sciences, is the only filter supplier in the world. In China, filters are manufactured on a commercial basis owing to the high technological level achieved and rich Iceland spar deposit discovered in Guizhou Province. The Government of China provides considerable budgetary funding of new BF developments for research purposes."
Also zumindest bei diesen großen Filtern ist China der einzige abbauende Produzent und das mit den Subventionen kommt uns doch gerade bekannt vor....

Hier noch etwas zur Geschichte des wasserklaren Doppelspats, als dieser noch aus Island kam und wie bedeutend dieser für die moderne Physik war (und noch ist):
alles von dem leider jüngst verstorbenem Leo Kristjansson:

Iceland Spar: the Helgustadir Calcite locality and its influence on the development of Science

Iceland spar and its legacy in science

Un diese Stoffsammlung (etwas sprunghaft, gibt aber noch zusätzliches zu den Papern her, zB zum Zeisschen Engagement oder Nichtengagement..):
ICELAND SPAR AND ITS INFLUENCE ON THE DEVELOPMENT OF SCIENCE AND TECHNOLOGY IN THE PERIOD 1780 – 1930: NOTES AND REFERENCES

Beste Grüße Stefan




Peter_le

Hallo Stefan,

Danke für den Beitrag. Ich finde Calcit auch sehr spannend. Ich habe sogar zwei Calcite in der Vitrine aus denen ich irgendwann selbst ein klassisches Nicolsches Prisma bauen möchte.

Was ich mich frage: Es gibt ja noch andere deutlich doppelbrechende, durchsichtige Materialien. Neben  Quarz, das meines Wissens für DIC-Prismen verwendet wurde (und besonders zur Delamination neigt) und Polystyrol für Sanderson Prismen (das PDF dazu suche ich).
Außerdem meine ich, dass für den Nachweis von Gravitationswellen für das Teilerprisma synthetisch ein Rekord-Einkristall  in den USA gezüchtet wurde, ebenfalls Doppelbrechend.


Grüße
Peter

jcs

#2
Hallo Stefan,

danke für die Zusammenstellung der Links. Schon erstaunlich, dass man fast 500 Seiten über Island-Calcit schreiben kann! Das sind jedenfalls interessante Infos zu diesem Material und seiner Relevanz für die optische Physik.

Bezüglich Liefersituation mag die Lage etwas schwierig sein, aber sicher nicht unlösbar. So kann man auch in anderen Ex-Sowjet-Staaten außerhalb Russlands und Belarus Wollaston-Prismen zu vertretbaren Preisen bekommen, siehe z.B.

https://eksmaoptics.com/optical-components/polarizing-optics/wollaston-prisms/?gad_source=1&gclid=Cj0KCQjw6oi4BhD1ARIsAL6pox3j8E-fV7H3WAlgYT9T4mbZMWbIHKgH7q8K6Ze0TAMFOfhNKhpkR1MaAv1XEALw_wcB

10x10mm² Wollaston-Prismen aus Calcit kosten dort ab 510Euro, mit ein paar Tagen Lieferzeit.

Zeiss hingegen verlangt aktuell satte 4.256 Euro für einen simplen DIC-Schieber für das Axioscope!!!

LG
Jürgen

Apochromat

Hallo Jürgen (jcs),

ich habe einmal eine höfliche Frage an Dich. Du schreibst oben u.a. über ZEISS: "Da dient der Russland-Konflikt als willkommene Ausrede für massive Preiserhöhungen."

Woher nimmst Du dieses Wissen?
Ich arbeite ja bei ZEISS, wie Du weißt und kenne diesen Sachverhalt so nicht.

LG
Michael

jcs

Hallo Michael,

ich habe beruflich viel mit der Beschaffung von Sonderoptiken und optischen Spezialgläsern zu tun. Dank Corona und Russland gab es zahlreiche massive Störungen der Lieferketten. Nach knapp 3 Jahren Krieg haben doch fast alle über Second Sourcing oder alternative Lieferanten diese Störungen beheben können. Da andere Mikroskophersteller diese massiven Preiserhöhungen nicht mitmachen, liegt für mich der Verdacht nahe, dass hier auch andere Gründe mitspielen. Einblicke in Zeiss habe ich keine, ich bin dort nur Kunde. Die Infos in meinem vorigen Posting habe ich aus offiziellen Preislisten

LG
Jürgen

Apochromat

Hallo Jürgen,

das war gar nicht meine Frage. Meine Frage war: Du schreibst oben u.a. über ZEISS: "Da dient der Russland-Konflikt als willkommene Ausrede für massive Preiserhöhungen."
Das ist aber kein gesichertes Wissen von Dir, sondern eine Annahme.
Da diese nicht stimmt, lösche diese Aussage bitte.

Vielen Dank für Dein Entgegenkommen

LG
Michael

Apochromat

Liebe Mitmikroskopiker,

ich wollte nur mal zwei Sachen zu dem DIC schreiben, um zum Thema zurückzukommen:

Seit Jahrzehnten wird zur Herstellung der NOMARSKI- DIC- Prismen nur synthetischer, optisch doppelbrechender Quarz verwendet.

Die Kondensorprismen für dieses Mikroskopierverfahren werden ebenso aus diesem Material gefertigt und konnten aber manchmal einen anderen optischen Aufbau haben.

Dieser Rohstoff ist gut verfügbar (z.B. von SCHOTT, HELLMA etc.).

In den 60er Jahren wurde für den JAMIN- LEBEDEFF natürlicher optischer Kalkspat benutzt (bei ZEISS und E. LEITZ). Darum kümmerten sich die bei den beiden großen Firmen angestellten Mineralogen.

LG
Michael

Peter_le

Hallo Michael, 

Also bei Zeiss seit Jahrzehnten Quarz - Danke!

Grüße
Peter

purkinje

Hallo Peter und Michael,
die Frage hatte sich mir dann auch gestellt, ob DIK-Prismen aus Calcit oder Quarz gefertigt werden. Mir scheint es so als wäre ich einem Denkfehler mit dem Calcit bzgl DIK-Prismen aufgesessen, da wohl Calcit-Prismen einen größeren, womöglich zu großen Aufspaltungswinkel haben. Danke für die Richtigstellung.
Beste Grüße Stefan