Spätherbst am Giglachsee - Asterionella und Hyalotheca

Begonnen von KayZed, November 11, 2024, 10:55:25 VORMITTAG

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KayZed

Hallo Mikrofreunde,

kurz vor Allerheiligen war ich ein paar Tage in den Schladminger Tauern (Steiermark) unterwegs. Eine im Spätherbst relativ ruhige Wanderung führte mich zu den Giglachseen auf knapp 2000m, einem Naturrefugium von besonderer Ausstrahlung.



Die Vegetation rund um um die beiden Seen besteht aus einem Mosaik von Zwergstrauchheiden und Moorbiotopen.
Bei der Umrundung des ziemlich großen Unteren Giglachsees nahm ich sozusagen im Vorbeigehen zwei Wasserproben vom Ufer und einem Moortümpel mit.



Leider konnte ich die beiden Proben erst ein paar Tage später zu Hause unter die Lupe nehmen. Die Moorprobe enthielt natürlich viele bekannte Desmidiaceen, u. a. auch die Glashüllen-Alge Hyalotheca dissilens. Im Phasenkontrast (PH+ 50) ist die dicke Schleimhülle besonders deutlich zu sehen.



Der DIK 100 zeigt die Struktur der sternförmigen Chloroplasten besser. Obwohl nicht bewusst darauf fokussiert, ist in der linken Zelle ein Teil des apikalen Porenrings zu erkennen (Pfeil).



Die Planktonprobe (ohne Netz) war vom Herbstmaximum der Diatomeen geprägt. Besonders reichhaltig war das Angebot an Schwebesternen Asterionella formosa. Da sich dieses Spezier recht gut für den Phasenkontrast eignet und davon noch nicht sehr viele Bilder im Forum zu finden sind, möchte ich zwei Aufnahmen einstellen. Die erste ist im PH+ 40 angefertigt, sozusagen in situ, nur ein wenig der Kontrast angehoben, ansonsten kaum bearbeitet (Kurt wird sich freuen!).



Das zweite Bild (PH+ 50) zeigt eine Art Doppelstern, der mal ausnahmsweise einzeln lag. Diese Aufnahme würde ich eher unter der Kategorie "pretty pictures" einordnen. Sie ist selbstverständlich stärker bearbeitet, insbesondere der Hintergrund geputzt.



Viel Spass
Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Jürgen Boschert

Lieber Klaus,

vielen Dank für diesen wundervollen Bericht über eine herbstliche Mikro-und Makrowelt!
Beste Grüße !

JB

SNoK / Stephan Krall

Lieber Klaus,

schöne Bilder. Wenn wir nur solche Gegenden hier in Hessen hätten.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

anne

Lieber Klaus,
wunderschön!
Auch ich finde in den Tümpeln hier derzeit viel Asterionella, nur so schön wie Du leider nicht.
lG
Anne

Siegfried

Hallo Klaus
Ich möchte mich den Anmerkungen meiner Vorschreiber(innen) voll und ganz anschließen. Ja, das erste Asterionella Bild mit Phasenkontrast spricht mich besonders an.  Die Landschaftsaufnahmen der Fundstelle werten deine Mikrofotos noch auf.
  Gruß von Siegfried

KayZed

#5
Liebe Mikrofreunde Jürgen, Stephan, Anne und Siegfried,

herzlichen Dank für eure wertschätzenden Kommentare.

An und in den Alpen zu leben ist schon ein besonderes Geschenk. (Was nicht heißt, dass es viele andere für den Naturliebhaber faszinierende Landschaften gibt) Ich liebe besonders den (schneearmen) Spätherbst, wenn es ruhiger wird, im Tal oft der Nebel liegt und man in der Höhe noch die wärmenden Sonnenstrahlen und das klare Licht genießen kann.

Immer wichtiger wird es für mich eine Landschaft möglichst facettenreich aufzunehmen - von der Kultur (hier der Almen und des historischen Bergbaus) über die Geologie (hier kristalline Quarzphyllite gemischt mit Kalkzügen) und die Flora bis hin zur Mikrowelt. Am intensivsten erlebt man es meist alleine.

Bei so positiver Resonanz will ich noch ein paar ergänzende Eindrücke nachreichen.
Das Mosaik aus Legföhren, Moosen und Zwergstrauchheiden kommt durch die Herbsttöne besonders gut zur Geltung.



Die Uferzonen sind oft dicht bewachsen mit einem "Filz" aus Rentierflechten (Cladonia rangiferina), Preiselbeeren und Isländisch Moos (Certraria islandica).



Gerade das hochinteressante Islandmoos (eine Flechte) ist fast nur noch in den Alpen zu finden. Die Stacking-Aufnahme eines mitgebrachten Exemplars.



Auch der Giglachsee selbst birgt besondere Raritäten wie der nur in höheren Alpenseen vorkommende Schmalblättrige Igelkolben (Sparganium angustifolium). Hier mit seinen Schwimmblättern am Ufer.



Geologisch-morphologisch interessant sind am Oberen See eine Serie von wassergefüllten kleinen Toteislöchern der letzten Eiszeit. Da könnte jeder Mikroskopiker seinen persönlichen Tümpel finden.



Abschließend noch ein schönes Exemplar einer Spirogyra sp., fokussiert auf den gelappten Chloroplasten (DIK 100).



So, ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht ganz erschlagen!

Schönen Abend
Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Peter T.

Ganz im Gegenteil, es ist wirklich eine Wohltat, Deine Bilder anzuschauen. Der Charakter der Landschaft wird hier lebendig.
Ich finde auch, dass die Fundortfotos die Mikro-Bilder perfekt abrunden.
Liebe Grüße
Peter

Spectrum

Schöner Beitrag, mit sehr ansprechenden Fotos. Mikro- wie Makro. Die Aufnahme von dem Islandmoos gefällt mir besonders.
Danke fürs zeigen.
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

SNoK / Stephan Krall

Und was ist mit dem kleinen Flagellaten an der Spirogyra, wird der nicht gewürdigt (-; ?

Stephan
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Nochnmikroskop

Hallo Klaus,

schöne Dokumentation Deiner Wanderung, Deine Bilder der Landschaft gefallen mir ebenso, wie die Mikroaufnahmen.
Wir waren 2022 auch dort, allerdings im Sommer. Da war es schon etwas voller, aber nicht überlaufen.

Auf unserem Rückweg sind uns dann auch die von Dir erwähnten Quarzphyllite aufgefallen (schimmerten sehr schön im Sonnenlicht), da musste ich dann ein paar Bruckstücke mitnehmen. 

Hast Du Dir die Quarzphyllite auch schon einmal näher angesehen, also Makro/Mikro?

Danke fürs Zeigen!

LG aus Minden aus schwindelerregenden 60m üNN, stehend.
Frank
Meistens Auflicht, alle Themenbereiche
Zeiss Axiolab, Leitz Orthoplan, Keyence VHX, Olympus SZX16, Canon EOS 700D, Panasonic G9, Touptek u.a.
keine KI

KayZed

Aber klar, lieber Stephan,

wer würde denn den kleinen Bodo (?) übersehen. Auch wenn er etwas verloren unter der dicken Algenwalze tänzelte.

Hallo Frank,

es freut mich, dass du die Giglachseen auch schon genossen hast. Und - du hattest wohl auch einen Blick für Gesteinswelt.
Das Ursprungtal in den Schladminger Tauern ist geologisch hoch interessant, wenn auch extrem komplex. Hier stoßen Reste der inneralpinen Sedimente (Steirische Kalkspitze, der Name sagt es schon) mit hochmetamorphen zentralalpinen Gneisen und der schwächermetamorphen Randzone der Quarzphyllite zusammen.

Auf dem Weg von der Ursprungalm sieht man zum Teil hausgroße Versturzblöcke dieses "Schiefer"-Gesteins.



Die glänzenden Flächen sind auf den hohen Anteil an Serezitmineralien zurückzuführen, ein Hellglimmer, der durch umgewandelte Tonminerale entsteht. Eingeschlossen sind auch Quarzknollen (unterer Bildrand Mitte) und andere Gerölle (oberer Bildrand). Die Entstehungszeit liegt etwa zwischen Perm und Trias vor etwa 250 Mio Jahren als die Sedimentation der Alpen erst begann. Diese Gesteinsfolge stammt also eigentlich aus den Sedimenten des vorhergehenden variszischen Gebirges.

Mikroschliffe habe ich von Gesteinen noch nicht angefertigt. Ist mir zu mühsam und würde auch bei Schiefern nicht viel hergeben, weil es sich im Unterschied zu Plutoniten oder Vulkaniten oft nur um monomineralische Lagen handelt.

Zwei Makros von Handstücken will ich noch dranhängen. Am Tonschieferstück sieht man noch schön die Herkunft der Phyllite aus den Tonmineralien. Nur die dünne, glänzende Schicht ist metamorph umgewandelt. (Fundort: Flims, Graubünden)



Der Kalk-Phyllit zeigt noch deutlicher die glänzenden Glimmerlagen, hier allerdings ohne Silikat (Quarz), sondern mit Kalkanteil. (Fundort Glocknergebiet)



So, damit wir nicht zum Geo-Forum mutieren, will ich es damit belassen. Ich finde es aber sehr inspirierend, wenn es Forumsmitglieder gibt, die gerne mal über die Mikroränder hinausschauen.

Liebe Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
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Nochnmikroskop

Hallo Klaus,

danke für den Exkurs in die Alpen-Geologie.
Du scheinst da ja auch noch ein paar weitere Intressenslagen im Koffer zu haben.  :D Und die Bilder sind auch wieder wohl belichtet. 

Ich meine man sollte den Blick für die Natur weit in alle Richtungen öffnen, das habe ich erst spät angefangen, leider. Dann fällt auch immer etwas zum Mikroskopieren ab.  8)

LG Frank

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KayZed

#12
So sehe ich das auch Frank!

Die Kombinationen verschiedener Natur- und Kulturbereiche lässt uns erst den unendlichen Reichtum unserer Welt erahnen.

Doch nochmals zurück zur Mikrowelt des Wassers. Die unten gezeigte Glashüllenalge besitzt auch eine interessante Oberfläche, die bei der Fokussierung auf den Chloroplasten kaum zu erkennen ist. Jede Zelle in der Kette hat an den apikalen Seiten (meist) drei Porenringe (Oder sind es Warzen?). Ich hab mal mit dem 100er die Schärfenebene darauf gelegt und die Kette enthüllt ihre Oberflächenstruktur.



Viele Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
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Nikon Z7

Michael Plewka

Hallo zusammen

@Klaus: sehr schön, dass du uns an deiner Exkursion in alpine Gefilde hast teilhaben lassen. Im Rahmen dieses Mikroforums stehen natürlich die Mikroorganismen im Vordergrund des Interesses, insofern ist es gut, dass es mit den Fotos  möglich ist, einen Bezug zwischen den Algen und ihrem Lebensraum zu erkennen. Und  bei alpinen Biotopen  werde ich immer wieder neugierig, was außer den Algen an Organismen zu finden wäre....

Das letzte Hyalotheca-Foto ist  wirklich exzellent: die Poren kommen sehr gut zur Geltung.

Noch was zu der ,,Spirogyra". Bei dieser  handelt es sich ziemlich eindeutig um eine andere Zieralge. Ich bezweifle sehr, dass es in diesen nährstoffarmen Gewässern überhaupt Spirogyra gibt (wenn, dann sind es wahrscheinlich nur wenige speziell angepasste  Arten)  Die  Alge hier ist sogar  im ,,Wassertropfen" zu finden: Spirotaenia.

Interessant, dass das bisher noch nicht bemerkt worden ist...

Beste Grüße
Michael Plewka

KayZed

#14
Hallo Michael,

wie gut, dass auch immer wieder Kenner wie du über solche Beiträge schauen.

Ganz klar Spirogyra - Fehlanzeige.
Ich hatte zwar einen leisen Verdacht, weil ich die Schraubenalgen mit diesem ausgeprägten, gelappten Chloroplasten nicht kannte. Hab mir aber nicht die Arbeit gemacht nochmal nachzuschauen. Es ist natürlich Spirotaenia mit dem wandständigen Chloroplasten und den unregelmaßig verteilten Pyrenoiden. Ich nehme mal an, dass es sich um S. condensata handelt, in der Freshwater Algal Flora als einzige Art geführt. Mal sehen, ob ich in der alten Proben noch Spirotaenia finde, um die Lücke zwischen den beiden Chloroplastenbändern und den Nukleus abzubilden. Bei Martin sieht man das wunderbar,

Auch viele andere Organismen, die ich in der Giglachsee-Probe gefunden habe, passen zum oligotrophen, eher sauren Lebensraum. Ich möchte in Zukunft bei neuen Biotopen die Lebensraumcharakteristika mehr berücksichtigen, nicht nur wegen der taxonomischen Einordnung, sondern auch, weil damit die Verbindung von Mikroskopie und Naturerlebnis etwas stärker zum Tragen kommen sollte.

Herzlichen Dank für deine fachkundige Berichtigung. Ich werde es in der Bilderklärung entsprechend korrigieren.

Viele Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7