Silikonöl-Immersion - Vor- und Nachteile?

Begonnen von TPL, März 02, 2010, 14:57:23 NACHMITTAGS

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TPL

Liebe Immersionsfreunde,
ich setze die hier http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4559.msg33706#msg33706 begonnene Diskussion als eigenes Thema fort. In den dort genannten Patent- und Offenlegungsschriften (Immersionsflüssigkeit für die Fluoreszenzmikroskopie) wird als Vorteil von Silikonöl geschrieben, dessen Brechungsindex (Nd=1,40) liege "relativ nahe an dem von Cargile*-Öl" das stellvertretend für die konventionellen Immersionsöle mit einem Nd von 1,514 angegeben wird.

1. Wer hat eigene Erfahrungen mit Silikonöl als Immersionsmittel? Welche Qualität/Marke/Produkt wird eingesetzt?

2. ich finde den Brechungsindex von Silikonöl gar nicht so besonders nahe am Ideal von rund 1,5; zumal reines Glyzerin mit Nd=1,458 schon lange als Immersionsmittel bekannt ist. Weiß jemand, wie rasch die Wasseraufnahme (und damit die Absenkung des Brechungsindex) beim Glyzerin abläuft? Welche Maßnahmen kann oder muss man treffen, um Glyzerin "trocken" zu halten?

3. Gibt es bekannte oder denkbare Nachteile von Silikonöl als Immersionsmittel? Lässt sich das Silikonöl rückstandsfrei von einer Probenoberfläche entfernen?

Vielen Dank für jeden Hinweis, Thomas

* Die Firma heißt natürlich Cargille, aber das ist nicht das einzig sonderbare in der Formulierung.

Detlef Kramer

Hallo Thomas,

das Glycerin so hygroskopisch ist, dass der Brechungsindex sich während der Arbeit ändert, kann ich mir nicht vorstellen.

Dein Punkt 3 scheint mir der kritischste zu sein. Es gibt, so weit ich weiß, keine guten Lösemittel für Silkonöl.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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wilfried48

Hallo Thomas,

also ich kenne Silikonöl nur aus der Vakuumtechnik wo es als Treibmittel mit besonders niedrigem Dampfdruck in Diffusionspumpen eingesetzt wurde.
Die Pumpen wurden mit dem Lösungsmittel FRIGEN gereinigt, das wegen der schädlichen Wirkung auf die Ozonschicht heute nicht mehr zulässig ist.
Der Brechungsindex war da natürlich  uninteresant, daher kenne ich keinen.
Der Lieferant war Dow Corning (Produkt DC 705) , vielleicht findest du auf deren Internetseite etwas darüber.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Holger

Hallo Thomas,

hm, die "Vorteile", wie sie in Patentschriften aufgeführt werden...das ist so eine Sache, die man eigentlich nur mit der Relativitätstheorie erklären kann: Alles ist relativ. ;D

Als Anmelder eines Patents muss man glaubhaft machen, dass die vorliegende Erfindung ein technisches Problem löst - die Lösung muss aber nicht optimal sein. Und da kann es durchaus einmal vorkommen, dass Eigenschaften einer Erfindung, die eigentlich eher nachteilig sind, als Vorteile deklariert werden (oder vice versa). Solange die Fakten stimmen (hier: solange der Brechungsindex numerisch richtig angegeben ist), mag es ja auch durchaus vom Anwender bzw. dem intendierten Zweck abhängen, ob ein bestimmer Wert vorteilhaft ist oder nicht. Summa summarum: Die Beschreibung der "Vorteile" einer Erfindung in einer Patentschrift darf man durchaus mit einer gewissen Skepsis lesen.

Gruß,
Holger

Dieter Stoffels

Hallo Thomas, hallo Herr Kramer,

Silikonöle lassen sich gut in reinen niedrigsiedenden Kohlenwasserstoffen wie Petrolether (Benzin) oder Pentan lösen. Im Unterschied zu Silikonölen ist bei Silikonkautschuken bei gleicher Behandlung (vernetzte Produkte) lediglich eine Quellung zu beobachten.

Viele Grüße!

Dieter

Klaus Herrmann

Hallo,

ich hatte dieses 40er sil-Objektiv und damals bei Olympus die Auskunft bekommen, dass das extra für Fluoreszenzanwendung konzipiert wurde. Silikonöl, weil damals Immersionsöl nicht fluoreszenzfrei war.
Zeiss hat aus diesem Grund Quarz-Objektive hergestellt, für die Glycerin als Immersionsmedium vorgeschrieben war, da reines Glycerin auch fluoreszenzfrei ist. Ob das patentiert wurde, kann ich nicht sagen, wäre aber für Olymus ein Grund gewesen einen anderen Weg zu beschreiten und sich den dann patentieren zu lassen.

Tatsache ist, dass bei meinen Tests bei Verwendung von Immersionsöl das Ergebnis schlechter war, als mit Silikonöl.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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TPL

Hallo Dieter, Holger Klaus und Wilfried,
über Patenschriften-Prosa habe ich mich schon ein paar Mal gewundert. Aber in der Offenlegung dieser Erfindung steht z.B. der Satz: "Destilliertes Wasser hat jedoch weiter den Nachteil, daß es eine zu geringe Oberflächenspannung hat, um einen langen Arbeitsabstand beim Arbeiten mit Immersion zu gewährleisten."

Ich habe deshalb gerade mal nachgesehen:
Wasser bei 20°C hat eine Oberflächenspannung von 72,75 10-3N/m. Glyzerin liegt bei 62,4 10-3N/m.
Die anderen, in Wikipedia genannten organischen Flüssigkeiten, liegen noch deutlich niedriger. Und unter "Silikone" steht dort:
"Silikonflüssigkeiten weisen eine niedrige Oberflächenspannung von 21,5 mN/m (bei 25 °C) oder weniger auf."

Deshalb frage ich mich schon, wieviel Humbug eigentlich in so einem Patent stehen darf.

Schönen Gruß, Thomas

Holger

Zitat von: TPL in März 02, 2010, 17:47:43 NACHMITTAGS
Deshalb frage ich mich schon, wieviel Humbug eigentlich in so einem Patent stehen darf.

Hallo Thomas,

eine ganze Menge, das kannst Du mir glauben... ;D Aber ist es Wahnsinn, so hat es doch System; nur in zwei Sätzen vernünftig erklären kann man es leider nicht. Dies ist daher nur ein schwacher Versuch: Die Beschreibung Deiner Erfindung (= das, wofür Du Schutz beanspruchst) muss stimmen, und wenn da Fehler drin sind, kann das üble Folgen haben. Die Beschreibung des Standes der Technik oder des technischen Aufgabenfeldes kann kurz ausfallen, und wenn sich da Fehler einschleichen, geht man davon aus, dass ein Durchschnittsfachmann sie erkennt und stillschweigend korrigiert.

Mit nicht-patentierten Grüßen,
Holger

Klaus Herrmann

Hallo Thomas,

die Formulierung ist sicher Quatsch, wie Du auch belegst.

Aber die praktische Auswirkung spricht schon für eine Substanz mit geringer Oberflächenspannung. Hohe Oberflächenspannung führt zu schlechter Benetzung, weil die Flüssigkeit zum "Zusammenkugeln" neigt um die Oberfläche zu minimieren.

Also reißt der Wasser-Film zwischen Deckglas und Objektiv-Frontlinse früher ab bei Vergrößerung des Abstandes, als bei Glycerin oder Siliconöl.

Und das spricht dann wieder für das Patent.

Wer weiß ob es nicht ein schlichter Übersetzungsfehler ist vom Japanischen ins Englische - hätte mir glatt auch passieren können! ;)
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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RainerTeubner

Hallo,

bei der von Thomas angegebenen Patentpublikation handelt es sich um eine Offenlegungsschrift, diese wird vom DPMA so publiziert, wie sie vom Patentanmelder eingereicht wurde. Da können natürlich Fehler passieren und sich Unrichtigkeiten einschleichen, die der Fachmann bei der Lektüre der Patentschrift stillschweigend korrigiert. Wenn das nicht mehr geht und die Korrekturversuche des Fachmanns zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, kann der Patentanmelder ein Problem mit der Rechtsbeständigkeit seines Schutzrechts haben.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Teubner
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

peter-h

Hallo,

nachdem der R.I. Wert von DC 705 noch nicht gefunden wurde, habe ich in der Küche mal hinter dem Olivenöl und anderen Flüssigkeiten geschaut, und schwups da steht doch noch DC 704 und DC 705  ;D
Nun noch sehr sorgfältig mehrmals DC 705 gemessen und einen Wert von 1,5801 (bei 21,5°C) erhalten.

Einzige Schweinerei ist das Zeug wieder sauber vom Refraktometer zu entfernen, aber auch das ist mit "Mittelchen" geglückt.

Erleuchtende Grüße
P. Höbel