Botanik: Moose 3: Hypnum cupressiforme (Zypressenschlafmoos) *

Begonnen von Peter T., Februar 16, 2025, 23:45:09 NACHMITTAGS

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Peter T.

Meine Moosbegeisterung hat über das Wochenende angehalten. So konnte man mich heute sehen, wie ich dick eingemummt bei Minustemperaturen über den Münchner Südfriedhof wandelte und verstohlen Moos von den Grabsteinen kratzte.

Unter anderem bin ich auf das hier gestoßen

Hcu 2.jpg

ObsIdentify, das meine erste Instanz beim Bestimmen ist, war sich hier erstaunlich sicher (99%!): Es ist das Zypressen-Schlafmoos. Offensichtlich ist dieses häufige Moos bereits makroskopisch gut zu bestimmen. Vergleiche mit diversen Bestimmungswerken haben mich dann überzeugt, dass ich diesmal kein Fragezeichen hinter den Namen zu machen brauche.

Hier ist ein Stämmchen des Gametophyten und man erkennt, woher das Moos seinen Namen hat. Tatsächlich erinnert das äußere Erscheinungsbild an ein Zypressenzweiglein.

Hcu 1.jpg

Wieso aber "Schlafmoos"? Bereits der Gattungsname "Hypnum" leitet sich ja vom griechischen hypnos ab, was Schlaf bedeutet und uns heute am ehesten von der Hypnose vertraut ist.
Des Rätsels Lösung findet sich nach Wikipedia im Mittelalter. Das weiche Moos diente als Füllung für Kissen und hat offenbar einen guten Schlaf garantiert.

Die Blättchen sind eigenartig "verdreht". Was sofort auffällt, ist das fast völlige Fehlen einer Mittelrippe (Costa)

Hcu 3.jpg

Die Detailaufnahme des Blättchens im Durchlicht zeigt, dass die Lamina (Blattspreite) aus so genannten prosenchymatischen Zellen besteht, die schmal und langgestreckt sind und zur Flexibiltät des Blattes beitragen sollen.

Hcu 4.jpg

Wenn ich richtig recherchiert habe, sind die an der Blattbasis befindlichen alaren Zellen (lateinisch ala = Flügel) für diese Art charakteristisch. Diese Zellen sind groß und rechteckig geformt, was sie deutlich von den prosenchymatischen Zellen unterscheidet.

Hcu 5.jpg

Das Stämmchen reicht bis ins Erdreich und zeigt wenig Besonderheiten

Hcu 6.jpg

Auch das Rhizoid ist erwartungsgemäß vielzellig und weist die häufig bei Laubmoosen vorhandenen schrägen Zellsepten auf.

Hcu 7.jpg

Wieder mal konnte ich mich nicht beherrschen und habe DIK-Aufnahmen gemacht. Das erste Bild zeigt noch einmal die Blattbasis mit den alaren und prosenchymatischen Zellen. Interessant finde ich den Übergangsbereich zwischen den beiden Zellarten

Hcu d2.jpg

Und hier noch die Blattspitze. Die eigenartige Faltung und Verdrehung des Blattes sieht man im Interferenzkontrast besonders gut

Hcu d1.jpg

Tja, und zum Abschluss noch etwas, das einem bei der Moosmikroskopie wohl häufig begegnet: Ein Bärtierchen, das sich im unterirdischen Bereich des Mooses aufhielt.
Video und Bild:

https://youtu.be/hZOXM2Hdq9Q

tg 1.jpg

Sporophyten habe ich bei der ersten Inspektion schlicht übersehen, ich werde diese Bilder aber noch in einem Kommentar nachtragen.

Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.

Liebe Grüße
Peter

A. Büschlen

Hallo Peter,

du zeigst sehr schön, dass an der Blattbasis die Blattflügel einen anderern Zelltyp zeigen. Ich würde dafür die gängige Bezeichnung "Blattflügelzellen" verwenden.
In den gängigen Bestimmungsschlüssel zu Laubmoosen ist die Frage nach dem Vorhandensein von Blattflügelzellen und wie sie ausgebildet sind, zentral.

Ich möchte dich ermutigen das Stämmchen quer zu schneiden, dann könntest du eine Schlüsselfrage beantworten. Nämlich: Zentralstrang vorhanden ja oder nein?

Und: wie unterscheidet sich H. cupressiforme von den beiden anderen Moosen die du uns vorgestellt hast?

Grüsse Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Peter T.

Hallo Arnold,

das eine habe ich bereits erwähnt, nämlich das fast völlige Fehlen der Costa. Man hat allenfalls den Eindruck, dass ganz an der Basis ein dunklerer Bereich erkennbar ist.

Das Stämmchen steht auf der Liste ...


Vielen Dank!
Liebe Grüße
Peter

A. Büschlen

Hallo Peter,

zu meiner Frage:
ZitatUnd: wie unterscheidet sich H. cupressiforme von den beiden anderen Moosen die du uns vorgestellt hast?

H. cupressiforme gehört zu den pleurokarpen Laubmoosen.

B. capillare und S. ruralis gehören zu den akrokarpen Laubmoosen.

akrokarp = gipfelfrüchtig
pleurokarp = seitenfrüchtig

Beachte wo der Sporophyt getragen wird.

Dazu mehr: https://de.wikipedia.org/wiki/Bryidae unter dem Abschnitt: morphologische Grossgruppen.

Grüsse Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
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Peter T.

So, nachdem Arnold jetzt den Unterschied zwischen akrokarp und pleurokarp angesprochen hat (Lothar Matthäus würde sagen: "Again what learned") musste ich natürlich erst mal nachlesen, was das bedeutet.

Bei den akrokarpen Moose entwickelt sich das Sporogon an der Spitze des Haupttriebes (daher gipfelfrüchtig) und bei den pleurokarpen an einem Seitenast ("seitenfrüchtig").

Bei Hypnum cupressiforme sollte also die Sporogonen nicht aus der Spitze, sondern seitlich aus dem Gametophyten herauswachsen.

Hier ein Bild, das die Zugehörigkeit von Hypnum cupressiforme als pleurokarpes Laubmoos belegt

H cu 8.jpg

Und dann sollte ich ja noch das Stämmchen quer schneiden, um nach einem Zentralstrang zu suchen. Dieses Schneiden mit Rasierklinge unter dem Stemi habe ich jetzt mal nach Arnolds Anleitung versucht und es lief zwar nicht gut, aber besser als die bisherigen Versuche. (Scheint Übung tatsächlich den Meister zu machen? Na sowas ...)

Hier also die Bilder mit dem 20x, 40x und 100xOil:

H cu s3.jpg

H cu s2.jpg

H cu s1.jpg

Ist das jetzt ein Zentralstrang? Wohl eher ein Strängchen. Aber es scheint wohl doch ein schwacher Zentralstrang ausgebildet zu sein. Er soll den Transport von Wasser und Nährstoffen innerhalb des Mooses unterstützen.

Wie immer freue ich mich über weitere Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.

Liebe Grüße
Peter

A. Büschlen

Hallo Peter,

du machst ja Fortschritte!-

Dein Makro mit dem Sporophyten gefällt mir sehr.
Und ja, auf deinen Bildern kan man den Zentralstrang sehr gut erkennen. Der Zentralstrang kann sehr unterschiedlich gebaut  sein. Es gibt Arten mit nur einigen wenigen Zellen und Arten mit vielen Zellen die sich im Zentrum des Stämmchens gegenüber den anderen darum liegenden Zellen unterscheiden. Beachte: Es gibt ganze Gattungen die keinen Zentralstrang haben.
Das Stämmchen schneide ich immer am Tischmikrotom, mit Holundermark umschlossen und mit einer Rasierklinge im Messerhalter. Ich verwende frische oder trockene Stämmchen. Das Schnittgut sammle ich mit einem feinen wasserfeuchten Pinsel z.B. Stärke 00 in ein kleines Näpfchen mit Wasser. Aus dem geschnittenen Material suche ich mir die feinsten Schnitte am Stereomikroskop heraus.

Du hast schöne Kapseln. Schneide die Kapsel von der Seta und lege sie auf einen OT in einen Tropfen Wasser. Wenn die Kapsel aufgequollen ist, halbierst du sie längs und räumst den Sporensack mit einer feinen Pinzette heraus. Du legst dann eine Hälfte in einen Tropfen Wasser auf den OT deckst mit den DG zu und saugst das Wasser am Rand ab, bist das DG fest sitzt. Dann im Hellfeld betrachten. Suche an der Kapselwand die Stomatas und betrachte das Peristom. Versuche dich zu orientieren: wie zeigt sich da innere, wie das äussere Peristom?

Grüsse Arnold
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Peter T.

Hallo Arnold,

besten Dank! Das nächste Stämmchen kommt ins Tischmikrotom.

Noch mal einen besonderen Dank, dass Du mir hier zeigst, wie und wo es weitergehen kann.

Dann sind jetzt die Kapseln dran ...
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

So, weiter geht's mit dem Zypressen-Schlafmoos.

Zunächst habe ich versucht, mit dem Tischmikrotom bessere Schnitte hinzubekommen als mit der Rasierklingen/Stemi-Methode. An sich klappt das auch ganz gut, wobei die Stämmchen einen wirklich superkleinen Querschnitt haben, so dass ohne Lupe die Überführung vom Mikrotom ins Wasserschälchen fast unmöglich ist.

Etwas besser sind die Schnitte durchaus, wobei ich die beiden folgenden Fotos gestackt habe, um ein befriedigendes Bild zu bekommen.

H cu st1.jpg
Dieses Bild ist natürlich auch etwas "geputzt".

H cu st2.jpg

Danach habe ich die Sporenkapsel eingeweicht und aufgeschnitten, um die Kapselöffnung (das Peristom) beurteilen zu können.

Hier zunächst der Überblick. Man sieht hier die äußeren (gnubbeligen) Zähne und die inneren (hyalinen) Zähne. Beide unterstützen die kontrollierte Freigabe der Sporen.

H cu p2.jpg

In der Detailaufnahme wird eine eigentümliche Zickzack-Line auf den äußeren Zähnen sichtbar.

H cu p1.jpg

Und hier noch die inneren Zähne im Detail

H cu p3.jpg

Die Sporen vor dem Hintergrund der Kapsel

H cu p4.jpg

Und zum Abschluss die Kapsel selbst, deren Zellstruktur und Färbung an eine Schlangenhaut erinnert.

H cu p5.jpg

Wie immer freue ich mich über weitere Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Liebe Grüße
Peter

A. Büschlen

Hallo Peter,

die Stämmchenquerschnitte sind für die Bestimmungsarbeit sehr gut. Du kannst den Zentralstrang sehr gut erkennen.
Die Frage stellt sich nun: schneiden zum bestimmen, oder schneiden für den absolut optimalen Schnitt.
Was ist dein Ziel?

Zu den Präparaten der längs aufgeschnittenen Kapseln. Hast du gemerkt, dass die Kapselhälften zusammengefalltet sind? Das Ziel ist, dass die Kapselhälften so ausgebreitet liegen, dass entweder die ganze  Innen- oder Aussenseite unter dem Deckglas liegt. Damit kannst du entweder die ganze Kapselwand, der Kapselrand und das Peristom von aussen betrachten. Das ist wichtig wenn du die Stomata suchen und betrachten willst. Oder von innen. Dies vor allem um das Peristom von innen zu betrachten.

Grüsse Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Peter T.

Hallo Arnold,

die Trauben des "optimalen Schnitts" sind mir nicht zu sauer, aber sie hängen schon ziemlich hoch.

Hier zum Beispiel hängen sie dicht unter den Wolken

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35979.0

Aber: Ich bin fürs erste wirklich froh, dass ich hier gelernt habe, auf was zu achten ist und wie ich (vielleicht, irgendwann) dorthin komme.

Liebe Grüße
Peter

Fahrenheit

Lieber Peter,

vielen Dank für den schönen Beitrag, den ich gerne gelistet habe.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Peter T.

Lieber Jörg,

vielen Dank für Deinen Kommentar und das Listing!

Liebe Grüße
Peter